448 V. Reichstag. Art. 27.
Wegen des Unterschiedes zwischen Vertagung und Schließung, der
verschiedenen Arten der Vertagung und der Wirkung der Vertagung auf die
Tätigkeit der Reichstags --Kommissionen val. Art. 12 S. 311 ff.
Art. 26, der dem Art. 52 Satz 2 der preuß. Verf Urk. entspricht, ist
eine Ergänzung des Art. 12, wonach der Kaiser das Recht zur Vertagung
hat. Art. 26 soll verhindern, daß durch zu lange oder wiederholte Ver-
tagungen die Aktionsfähigkeit des Parlaments gehemmt wird. Die von
Perels in Hirth's Annalen 1903 S. 25 vertretene Ansicht, daß die Ver-
tagung wiederholt werden könne, wenn nur die Gesamtdauer der Ver-
tagungen den Zeitraum von 30 Tagen nicht übersteige, kann im Hinblick
auf den Wortlaut des Art. 26 nicht als richtig anerkannt werden; vgl. die
Erklärung, die Fürst Bismarck für die gleiche Bestimmung der preuß. Ver-
fassung in der Sitzung des preuß. Herrenhauses v. 7. Febr. 1870 St. B.
S. 237 abgegeben hat: „Eine Vertagung ohne Zustimmung der beiden
Häuser des Landtags kann nicht öfters wie einmal und nicht länger als
auf den angegebenen Zeitraum stattfinden . Eine Vertagung mit all-
seitiger Zustimmung kann stattfinden, so oft und solange wie alle Teile
sich einigen."“
Eine mit Zustimmung des Reichstags angeordnete Vertagung findet
eine zeitliche Grenze nur in der Notwendigkeit der jährlichen Feststellung
des Etatsgesetzes (Art. 69).
Die Vertagung muß für einen bestimmten Zeitraum ausgesprochen
werden; dies liegt in dem Wort selbst; ebenso v. Seydel S. 206. Will
die Reichsverwaltung sich die Bestimmung des Zeitpunktes des Wieder-
beginns der parlamentarischen Arbeiten vorbehalten, so bleibt nur übrig,
den Reichstag zu schließen und ihn seiner Zeit wieder zu erbffnen; vol.
Verhandlungen des Reichstags v. 5. Dez. 1882 St.B. 642.
Artikel 27.
Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet
darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine
Geschäfts-Ordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten
und Schriftführer.
A. Die Wahlprüfung.
B. Die Geschäftsordnung.
I. Die Regelung des Geschäftsganges.
II. Die Disziplin.
A. Die Wahlprüfung.
Art. 27 schließt bei der Wahlprüfung eine Mitwirkung des Bundesrats,
des Reichskanzlers und der übrigen Behörden für andere Zwecke als die
der Rechtshülfe aus — unbeschadet der Bestimmung des Art. 9 R.V., wonach
die Mitglieder des Bundesrats wie bei allen anderen Verhandlungen so auch
bei den Verhandlungen über Wahlprüfungen berechtigt find, jederzeit das
Wort zu ergreifen, um die Ansichten ihrer Regierung zu vertreten. Ein Inter-
esse, bei diesen Verhandlungen vertreten zu sein, kann für die Regierung eines
Bundesstaats z. B. bestehen, wenn bei der Wahlprüfung die Gültigkeit einer