Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

V. Reichstag. Art. 32. 477 
die Liste eingetragen hat (§ 4). Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung 
ist unzulässig. Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung ist nicht über- 
tragbar (§ 8). Im übrigen enthält das Gesetz noch Bestimmungen über 
die Entschädigung von Abgeordneten, die gewählt werden, während der 
Reichstag bereits versammelt ist, über die Auszahlung der Entschädigung 
und Übergangsbestimmungen. 
Es handelt sich also nicht um Diäten, sondern um eine pauschalierte 
Entschädigung, bei deren Bemessung der Betrag in Ansatz gebracht werden 
sollte, der etwa von einem Fremden in Berlin bei mittleren Ansprüchen 
für Wohnung und Verpflegung in einem dem Durchschnitt der Dauer der 
Tagungen entsprechenden Zeitraum (für etwa 5 Monate 20 ·.—X täglich) auf- 
gewendet werden muß. Daneben soll durch Gewährung der freien Eisen- 
bahnfahrt der Abgeordnete von den Kosten befreit werden, die ihm durch 
Reisen, insbesondere den Verkehr zwischen seinem Wohnort und dem Ort 
der Tagung entstehen. Es wird also keine Entschädigung für die Nachteile 
gewährt, die dem Abgeordneten durch den Zeitverlust und die Entfernung 
von seiner Heimat und seinem Beruf entstehen. Mit dem System der 
Pauschalentschädigung ist das System der Anwesenheitsgelder insofern ver- 
bunden, als der Abgeordnete für jeden Tag, an dem er der Plenarsitzung 
fern bleibt oder sich einer namentlichen Abstimmung enthält, sich einen Abzug 
von 20 gefallen lassen muß. Hierin liegt zugleich eine Abwehr von 
Mitteln, die zur künstlichen Herbeiführung der Beschlußunfähigkeit für den 
Fall einer Obstruktion angewendet werden könnten. 
Da der Anspruch auf die Aufwandsentschädigung nicht übertragbar ist, 
so ist sie gemäß 8 851 C.P.O. nicht pfändbar. Diäten einer anderen poli- 
tischen Körperschaft dürfen mit den Reichstagsdiäten nicht gleichzeitig bezogen 
werden, d. h. nicht für diejenigen Tage, für welche die Entschädigung aus 
der Reichskasse gewährt wird. Wenn der Reichstag vertagt ist, werden die 
Landtagsdiäten fortbezogen; vgl. Verhandlung des Reichstags v. 12. Mai 
1906 St. B. 3150 B u. 3152 D. 
III. Das Verbot jeder anderen Besoldung. 
„Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Besoldung 
beziehen“ — außer der ihnen aus der Reichskasse gewährten Entschädigung. 
Die Bestimmung ist aus dem früheren Art. 32 übernommen und bedeutet, 
daß dem Abgeordneten verboten ist, unter irgendeiner Form eine Ver- 
gütung für seine Tätigkeit als Abgeordneter anzunehmen. Das Verbot 
bezieht sich namentlich auf die Entschädigung aus Privatmitteln, wie vom 
Reichsgericht IV. Cs. Bd. 16 S. 88 ff. Urt. v. 25. Nov. 1886 sogar schon 
bei der früheren Fassung des Art. 32 angenommen wurde (pvgl. die dort 
angeführte Literatur), jetzt aber ohne jeden Zweifel ist, da eine Entschädigung 
aus öffentlichen Mitteln den Abgeordneten gewährt wird. Der Grund für 
die Aufrechterhaltung des Verbots liegt offenbar in der Besorgnis, daß 
durch Annahme irgendeiner anderen Zuwendung die Abgeordneten in ihrer 
durch Art. 29 R.V. vorgeschriebenen, übrigens auch selbstverständlichen poli- 
tischen Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könnten, und diese Gefahr besteht 
natürlich in erhöhtem Grade bei der Annahme einer Zuwendung von Privat- 
personen oder von einer politischen Partei.
	        
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