Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

498 VI. Zoll- und Handelswesen. Art. 35. 
Bayern, Württemberg und Baden gebunden (8 154). Abgesehen von der 
Kontingentsberechnung und von der Behandlung der Branntweinsteuer als 
Überweisungssteuer (vgl. Art. 70 IV) besteht kein Reservat mehr für sie. Alle 
anderen Fragen, z. B. die Höhe der Steuersätze, Kontrollmaßregeln, Straf- 
bestimmungen, selbst eine vollkommene Umgestaltung der Steuer, welche die 
ganze Kontingentsfrage gegenstandslos macht, sind für die Süddeutschen 
Staaten nach denselben Grundsätzen zu regeln wie für die anderen Bundes- 
staaten. Denn das im Art. 35 ihnen zugestandene Reservat ist in An- 
sehung der Branntweinbesteuerung aufgehoben. Das Aquivalent liegt darin, 
daß die Süddeutschen Staaten an den Erträgen der Steuer, die nach dem 
Maßstab der Matrikularbeiträge verteilt werden, in vollem Umfange teil- 
nehmen und daß im Sinne des Art. 7 Abs. 4 R.V. im Bundesrat die Steuer 
als eine auch den Süddeutschen Staaten gemeinsame Angelegenheit behandelt 
wird. Allerdings kann auf das Sonderrecht, das den Süddeutschen Staaten 
in Ansehung der Kontingentsberechnung verliehen ist, Art. 78 Abs. 2 R.V. 
nicht angewendet werden, weil dieses Recht nicht in die Verfassung auf- 
genommen, sondern formell nur ein Bestandteil des Branntweinsteuergesetzes 
ist. Wenn also an sich zu einer Anderung des Gesetzes die einfache Mehr- 
heit des Bundesrats genügt, so liegt doch in dem Reservat ein vertrags- 
mäßiges Element und ohne Rechtsbruch kann keine Maßregel der Gesetzgebung 
es beseitigen; vgl. v. Seydel S. 245 ff. und die dort angeführten Reichstags- 
verhandlungen v. 14. Juni 1887 St. B. 954 f. Das Reservat wird natürlich 
gegenstandslos, wenn die ganze Branntweinbesteuerung auf andere die 
Kontingentsberechnung erübrigende Grundlagen gebracht wird, wozu im 
Bundesrat die einfache Stimmenmehrheit genügen würde. 
4. Biersteuer. 
Die Biersteuer beruht auf dem Reichsges. v. 31. Mai 1872 R. G. Bl. 
S. 153; nach mehrfachen Anderungen ist jetzt das Brausteuergesetz v. 15. Juli 
1909 R.G. Bl. S. 773 maßgebend. Nach diesem Gesetz darf zur Bereitung 
von untergärigem Bier nur Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser ver- 
wendet werden. Die Bereitung von obergärigem Bier unterliegt derselben 
Vorschrift, doch ist hierbei auch die Verwendung von anderem Malz und 
technisch reinem Rohr-, Rüben= oder Invertzucker sowie von Stärkezucker 
und aus Zucker der bezeichneten Art hergestellten Farbmitteln zulässig. Die 
Brausteuer wird von dem zur Bierbereitung verwendeten Malz und Zucker 
erhoben. Unter Malz wird alles künstlich zum Keimen gebrachte Getreide 
verstanden. Nach der Gesamtmenge der in einem Brauereibetriebe inner- 
halb eines Rechnungsjahres steuerpflichtig gewordenen Braustoffe wird die 
Steuer abgestuft dergestalt, daß für den Doppelzentner 14—20 M erhoben 
werden. Der Einheitssatz der Steuer steigt mit dem Umfang des Betriebes. 
Für neue nach dem Inkrafttreten des Gesetzes in Betrieb genommene 
Brauereien wird während einer Ubergangszeit die Steuer erhöht. Für die 
Ausfuhr werden nach den vom Bundesrat festzusetzenden Bedingungen Ver- 
gütungen gewährt. Der Eingangszoll des Bieres beträgt 9,65 M für den 
Doppelzentner. Das Braustenergesetz gilt nicht in Bayern, Württemberg, 
Baden, Elsaß-Lothringen und in einigen thüringischen Gebietsteilen, die 
vom bayrischen Gebiet vollständig umschlossen und deshalb vertragsmäßig 
dem Bayrischen Steuersystem angeschlossen sind. Dafür wird von dem aus
	        
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