VI. Zoll- und Handelswesen. Art. 36. 507
den Zoll= und Steuerämtern beigeordnet sind, die Bezeichnung „Kontrolleure“
führen. Letztere find den ersteren dienstlich unterstellt. Beide Kategorien
find unmittelbare Reichsbeamte. Ihre Gehälter und alle übrigen Kosten
ihrer Geschäftsführung werden aus der Reichskasse bestritten. Doch steht
nichts entgegen, daß die Stellen dieser Beamten durch Beamte der Einzel-
staaten kommissarisch verwaltet werden. Ihre Befugnisse sind durch Art. 20
des Zollv.-Vertr. und Ziff. 15, 2 des Schlußprotokolls v. 8. Juli 1867
B. G. Bl. S. 110 näher geregelt, und zwar in der Hauptsache nach der
Richtung, daß die Bevollmächtigten eine vollständige Ubersicht über das ein-
geschlagene Verfahren erhalten sollen, aber nicht befugt sind, in den Geschäfts-
gang unmittelbar einzugreifen; vgl. Arndt S. 396.
Unter Ziff. 15, 1 des Schlußprotokolls B. G. Bl. 1867 S. 110 ist be-
stimmt, daß Preußen zur Ausübung der Kontrolle auch Beamte der anderen
Vereinsstaaten unter Berücksichtigung der Wünsche der betreffenden Regie-
rungen verwenden wird. Wenn es sich hierbei um eine positive Verpflichtung
handelte, müßte man sie durch die Tatsache, daß es nicht mehr Preußen,
sondern das Reich ist, von dem die Ernennungen ausgehen, für erledigt er-
klären. Da aber nur eine gerade wegen ihrer Unbestimmtheit lediglich auf
Treu und Glauben begründete Zusage vorliegt, so ist anzunehmen, daß sie
als Versprechen, als Programm ihre Bedeutung behalten hat; übrigens
entspricht es der Praxis, daß bei der Ernennung von Reichsbeamten alle
Einzelstaaten möglichst berücksichtigt werden; vgl. auch Delbrück a. a. O. S. 83.
Die Kompetenz der Reichsbevollmächtigten ist ausgedehnt: auf die
Schaumweinsteuer durch § 28 des Ges. v. 9. Mai 1902 R. G. Bl. S. 155,
auf den Spielkartenstempel durch § 22 des Ges. v. 3. Juli 1878 R. G. Bl.
S. 138 und auf die Erbschaftssteuer durch § 35 des Ges. v. 3. Juni 1906
R. G. Bl. S. 654, auf die Zündwaren= und Leuchtmittelsteuer durch § 39 bez. 37
der Ges. v. 15. Juli 1909 R.G. Bl. S. 823 bez. 889. In denjenigen Staaten,
in denen die Geschäfte der Oberbehörde für die Erbschaftssteuer anderen
Behörden als den Zolldirektivbehörden übertragen sind, werden der Umfang
und die Art der Tätigkeit der Reichsbevollmächtigten vom Reichskanzler
im Einvernehmen mit der beteiligten Landesregierung geregelt. Unter Zu-
stimmung des Bundesrats kann der Reichskanzler die Wahrnehmung der
Geschäfte der Reichsbevollmächtigten, soweit das Erbschaftssteuerwesen in
Betracht kommt, anderen Beamten übertragen (§ 35 des Ges. Abs. 2, 3).
Für die Wechselstempel- und die anderen Reichsstempelabgaben fehlt es an
entsprechenden Bestimmungen. Jedoch ist die Kompetenz des Bundesrats
in allen Fällen, wenn auch nicht auf Grund des Art. 36 Abs. 3, so doch
auf Grund des Art. 7 Ziff. 3 R.V. begründet.
III. Die Beschlußfassung des Bundesrats über Mängel der Ausführung.
Die Bestimmung des Art. 36 Abs. 3 ist eigentlich durch Art. 7 Ziff. 3
gedeckt, denn der Bundesrat kann Beschlüsse, wie fie durch die Anzeigen
der Reichsbevollmächtigten veranlaßt werden, ebenso gut fassen, wenn das
Material auf anderem Wege zu seiner Kenntnis gelangt ist, z. B. durch Ein-
gaben von Interessenten. In der Regel entscheidet der Bundesrat nicht die
einzelne Frage; dies würde mit dem Grundgedanken der Reichsverfassung
im Widerspruch stehen, weil er damit zu einer den Ministerien der Einzel-
staaten übergeordneten Instanz erhoben würde, eine Funktion, die er nicht