Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

VI. Zoll- und Handelswesen. Art. 38. 513 
duktionsstätten, von denen die Steuern erhoben werden, sodaß die Belastung 
der Einzelstaaten ungleichmäßig ist. Andererseits ging es nicht an, daß 
das Reich die effektiven Kosten übernahm; denn dann hätten die einzelnen 
Posten, auf die sich die Kosten verteilen, Beamtengehälter usw. im Reichs- 
etat erscheinen müssen und ihre Bewilligung wäre von der Zustimmung 
der gesetzgebenden Faktoren des Reichs abhängig gewesen. Dies wäre aber 
in dem Verzicht auf die eigene Selbständigkeit ein Schritt mehr gewesen, 
als die Einzelstaaten bei der Gründung des Reichs gehen wollten. Denn 
da die Einzelstaaten die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Steuern 
aus eigenem, ihnen durch die Reichsverfassung nicht entzogenen Recht führen, 
darf die Bewilligung der für die Ausübung dieses Staatshoheitsrechts 
erforderlichen Geldmittel nicht in das Belieben der gesetzgebenden Faktoren 
des Reichs gestellt werden; vgl. die Ausführungen des Präsidenten Delbrück 
in der Sitzung des konst. Reichstags v. 1. April 1867 St. B. 502. Anderer- 
seits konnten nicht einfach die von den Einzelstaaten effektiv aufgewandten 
Kosten vom Reich erstattet werden, weil es allgemeinen Finanzgrundsätzen 
widersprechen würde, ohne Einschränkung Kosten für das Reich zu über- 
nehmen, auf deren Festsetzung das Reich ohne Einfluß bleibt; denn es 
würde sich dann um eine Verpflichtung ohne Grenzen handeln. Deshalb 
blieb nur der durch die Reichsverfassung tatsächlich eingeschlagene Weg 
übrig, daß das Reich zwar die Kosten übernahm, ihrer Festsetzung aber ein 
Pauschquantum zugrunde gelegt wurde, das nach dem Durchschnitt der 
tatsächlichen Kosten berechnet ist, sodaß die Einzelstaaten die Erhebung und 
Verwaltung der Zölle und Steuern für eigene Rechnung führen. Dies gilt 
allerdings für die Kosten der Verwaltung der Grenzzölle und der Salzsteuer 
nur mit der zu b genannten Einschränkung; vgl. Laband IV S. 461. 
a) Die Kosten der Zollverwaltung. 
Für die durch die Erhebung der Zölle an den Grenzen entstehenden 
Kosten galt bis z. J. 1882 ein System der Vergütung durch Pauschquanta; 
von da ab werden auf Grund eines Bundesratsbeschlusses v. 30. Juni 1882 
die wirklich entstehenden Kosten der Zollverwaltung vergütet, und zwar 
in der Weise, daß der Bundesrat einen Kostenetat aufstellt, der einen 
Voranschlag bildet und für die monatliche Abrechnung zwischen Reich 
und Einzelstaaten zunächst maßgebend ist. Bei der definitiven Abrechnung 
aber muß eine spezielle Liquidation der wirklich aufgewendeten Kosten nach 
dem vom Bundesrat festgestellten Muster vorgelegt werden — vgl. Laband IV 
S. 464 — wegen der einzelnen Pofitionen dieses Etats vgl. Schwarz und 
Strutz I, 4 S. 1320 § 26. Durch dieses Verfahren wird die Einheitlichkeit 
der Grenzzoll-Verwaltung unter den Einzelstaaten gewahrt. Im Reichsetat 
erscheint dieser Ausgabeposten nicht, weil durch Art. 38 R. V. nur der Netto- 
ertrag der Zölle und indirekten Steuern als Reichseinnahme bezeichnet ist; 
die Erhebungs= und Verwaltungskosten werden daher in Abzug gebracht, ehe 
der Reinertrag in den Reichsetat eingestellt wird. Der Reichstag ist also an 
der Feststellung dieses Zolletats nicht beteiligt. Ein anderes Verfahren wäre 
kaum möglich, weil der vom Bundesrat für die Grenzzoll-Verwaltung auf- 
gestellte Etat naturgemäß in Ansehung der ganzen Organisation der Ver- 
waltung sich im engen Anschluß an die in den Einzelstaaten bestehenden Zoll- 
verwaltungs-Einrichtungen halten muß. Eine weitergehende Freiheit der Ent- 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 33
	        
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