II. Reichsgesetzgebung. Art. 2. 45
v. Ronne I1I 1 S. 56, Arndt Verordnungsrecht S. 184, v. Seydel S. 42
— Reichsgericht 4. ECs. Urt. v. 25. Nov. 1897 Bd. 40 S. 76 und 3. Cs.
Urt. vom 26. März 1901 Bd. 48 S. 88f.
4. Authentische Interpretation der Reichsgesetze.
Eine authentische Interpretation durch Landesgesetz wird nicht zuzulassen
sein, weil gerade wenn der Sinn des Reichsgesetzes zweifelhaft ist und wenn
— wie es nicht anders sein kann — die landesgesetzliche Interpretation
sich nur der einen von mehreren verschiedenen Auslegungen anschließt, stets
die Tatsache bestehen bleibt, daß von der gegenteiligen Auffassung aus die
Interpretation eine Anderung des Reichsgesetzes darstellt, und die Anderung
eines Reichsgesetzes ist für die Landesgesetzgebung durch Art. 2 ausgeschlossen
— ebenso u. a. Laband 1I S. 105, Zorn I S. 425, Arndt S. 173.
Wenn es den Verbündeten Regierungen genügt, ihre Auffaffung des
Reichsgesetzes bei den Verwaltungsbehörden des Reichs durchzusetzen, die
dem Reichskanzler zum Gehorsam verpflichtet find, so reicht ein Beschluß
des Bundesrats oder auch eine Verfügung des Reichskanzlers aus; ebenso
genügt eine Einigung der Verbündeten Regierungen, um bei allen Ver-
waltungsbehörden der Einzelstaaten eine übereinstimmende Auffassung über
die betreffende reichsgesetzliche Vorschrift zu sichern. Aber für die Gerichte
find derartige Anweisungen natürlich nicht bindend; ihnen gegenüber könnte
nur die Interpretation durch ein neues Reichsgesetz wirksam sein.
5. Ein führung der Reichsgesetze — Übergangsbestimmungen —
Ausführungsvorschriften.
Einführungsgesetze der Reichsgesetze haben in der Regel zum Gegen-
stand, das Verhältnis des neuen Reichsgesetzes zu dem bestehenden Reichs-
recht sowie zum Landesrecht zu regeln, Übergangsbestimmungen zu erlafsen
und eventuell nähere Bestimmungen über das Anwendungsgebiet des Gesetzes
nach der territorialen und personellen Seite zu treffen.
Da es sich also in der Regel hierbei um Bestimmungen handelt, die
in das bestehende Reichsrecht eingreifen und nicht nur für die Ausführung,
sondern auch für die Auslegung des neuen Reichsgesetzes von Bedeutung
find, so entspricht es der Praxis, daß Reichsgesetze durch Reichsgesetze ein-
geführt werden, falls überhaupt ein besonderes Einführungsgesetz erlassen
wird. Enthält aber das Einführungsgesetz nichts, was dem geltenden
Reichsrecht widerspricht und greift es in die von dem neuen Reichsgesetz
geregelte Materie selbst nicht ein, so steht nichts entgegen, daß die Ein-
führung durch Landesgesetz erfolgt. So sind das Allgemeine deutsche
Handelsgesetzbuch und die Allgemeine deutsche Wechselordnung, die durch
§ 2 des Gesetzes betr. die Verfassung des Deutschen Reichs v. 16. April
1871 B. G. Bl. S. 68 zu Reichsgesetzen erklärt wurden, in Elsaß-Lothringen.
durch das elsaß -lothringensche Landesgesetz v. 19. Juni 1872 8 1 Abs. 1
eingeführt worden, und das Reichsgericht (3. ECs. Urt. v. 7. Juli 1903 Bd. 55
S. 252) hat diese Form der Einführung für gültig erklärt.
Übergangsbestimmungen im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. Vor-
schriften, die sich auf die Zeit nach Einführung des Reichsgesetzes erstrecken,
darf in der Regel nur das Reich geben, die Einzelstaaten können Bestim-