Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

VII. Eisenbahnwesen. Art. 41. 525 
Im einzelnen ist zu dieser Bestimmung folgendes zu bemerken: 
a) Der Begriff der Eisenbahnen. 
Der Begriff ist im weitesten Sinne des Wortes zu nehmen, wobei zu 
berücksichtigen ist, daß das Wort im Art. 41 sicher keine andere Bedeutung 
hat als in den folgenden Artikeln. Kleinbahnen und Straßenbahnen ge- 
hören auch zu den Eisenbahnen im Sinne der Reichsverfassung, und die 
vom Reichsgericht in der Entsch. v. 17. März 1879 (I. Cs. Bd. 1 S. 252) 
für die Eisenbahnen gegebene Begriffsbestimmung dürfte auch für die Aus- 
legung der Reichsverfassung anzuwenden sein. Danach kommt es nicht auf 
die Art der motorischen Kraft an, notwendig aber ist ein Schienenweg, an 
den die zur Fortbewegung von Personen oder Sachen bestimmten Wagen 
gebunden sind. 
Die meisten Bestimmungen der Reichsverfassung können ihrer Natur 
nach nur auf öffentliche Eisenbahnen berechnet sein, d. h. die Unternehmungen, 
die jedermann zur Verfügung stehen, im Gegensatz zu denjenigen Eisen- 
bahnbetrieben, die nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind und 
sich regelmäßig in den Händen eines Privatmanns als Accessorium irgend 
eines anderen Gewerbetriebs befinden, z. B. Grubenbahnen, Fabrikbahnen, 
Forstbahnen usw. Unbedingt ausgeschlossen ist aber die Kompetenz des 
Reichs auch für die letzteren Bahnen nicht. Denn diese Betriebe haben 
meistens technisch die gleichen Einrichtungen wie die öffentlichen Bahnen, 
und es besteht kein Grund dafür, daß z. B. die sicherheitspolizeiliche Aufsicht, 
die dem Reich gemäß Art. 43 S. 2 zusteht, auf die Privatbahnen weniger 
sich beziehen sollte als auf die öffentlichen Bahnen. Übrigens ist es auch 
mindestens zweifelhaft, ob Bahnen, die nur für Zwecke der Reichs= oder 
Staatsverwaltung bestimmt sind, z. B. Militärbahnen, für die jeder andere 
Verkehr ausgeschlossen ist, unter den Begriff der öffentlichen Bahn fallen. 
b) Im Interesse der Verteidigung Deutschlands 
und des gemeinsamen Verkehrs. 
Die Voraussetzung dafür, daß das Reich eine Eisenbahn gegen den 
Widerspruch des Staates anlegen darf, dessen Gebiet die Eisenbahn 
durchschneidet, bildet ein Interesse der Verteidigung Deutschlands oder des 
gemeinsamen Verkehrs an dieser Bahn. Unter den Begriff „des Interesses 
der Verteidigung Deutschlands“ dürfte jedes militärische Interesse fallen, 
weil bei keiner im Inlande anzulegenden strategischen Eisenbahn anzunehmen 
sein wird, daß fie ausschließlich zur Stärkung der Position für Angriffe 
dient. Die zweite — alternativ gestellte — Voraussetzung „im Interesse 
des gemeinsamen Verkehrs“ bedeutet etwas anderes als die im Art. 4 Ziff. 8 
gewählte und im Art. 42 wiederholte Fassung „im Interesse des allgemeinen 
Verkehrs“. „Allgemeiner“ Verkehr steht im Gegensatz zum Lokalverkehr und 
bezeichnet jeden Verkehr, der über den engsten Lokalverkehr hinausgeht. 
Mit dem Worte „gemeinsamer Verkehr“ dürfte derselbe Sinn zu verbinden 
sein, wie mit dem im Art. 44 gebrauchten Ausdruck „durchgehender Verkehr“. 
In beiden Fällen, Art. 41 und 44, handelt es sich um einen Verkehr, der sich 
über das Gebiet eines Bundesstaats hinaus erstreckt; ebenso v. Seydel S. 88, 
vgl. v. Rönne I11 S. 316, 319. Der Begriff des „gemeinsamen“ und des 
„durchgehenden“ Verkehrs stellt größere Anforderungen an die territoriale
	        
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