Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

VIII. Post= und Telegraphenwesen. Art. 48. 545 
ferner weil Verkehrsstörungen auf dem Gebiete der Post= und Telegraphie, 
denen der Staat mit seinen Machtmitteln leichter begegnen kann als Privat- 
unternehmer, für die wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Be- 
völkerung so überaus schädigend wirken, daß der Staat in Mitleidenschaft 
gezogen wird. Post und Telegraphie find daher zu Staatsverkehrsanstalten 
erklärt, d. h. der Staat hat ihre Einrichtung und Verwaltung für eigene 
Rechnung und durch eigene Organe übernommen, und durch die den Art. 48 
ergänzende Reichsgesetzgebung find konkurrierende Privatbetriebe grundsätzlich 
ausgeschlossen. 
Aber im Gegensatz zu den Eisenbahnen, die auch Verkehrsanstalten und 
zu ihrem bei weitem überwiegenden Teile auch Staats-Verkehrsanstalten 
sind, ist die Post und Telegraphie in die eigene Verwaltung des Reichs 
übernommen und damit die Einheitlichkeit für das ganze Reich geschaffen 
worden. Hierfür waren zweifellos nicht fiskalische Gründe maßgebend, sondern 
das Bestreben, die Einrichtungen, die sich in Preußen bewährt hatten, auf 
das ganze Reich zu übertragen und dadurch einen in allen Teilen des 
Reichs gleich leistungsfähigen Betrieb herzustellen; man wollte, wie auch 
im zweiten Absatz des Art. 48 indirekt zum Ausdruck gebracht ist, in der 
Lage sein, für das ganze Gebiet des Reichs an die Traditionen des Nord- 
deutschen Bundes und damit Preußens im Postwesen anzuknüpfen. Eine 
Ausnahme von dem Grundsatz der Einheitlichkeit enthält Art. 50 Absf. 4, 
wonach die Anstellung der bei den lokalen Betriebsstellen fungierenden 
Beamten den Landesregierungen zusteht, eine Bestimmung, die infolge ab- 
weichender nach Art. 50 Abs. 6 zulässiger Vertragsbestimmungen kaum noch 
von praktischer Bedeutung ist. Von großer praktischer Bedeutung ist da- 
gegen eine weitere im Art. 52 festgesetzte Ausnahme von dem Grundsatz der 
Einheitlichkeit der Post und Telegraphie. Bayern und Württemberg haben 
für ihr Staatsgebiet den eigenen Betrieb der Post und Telegraphie behalten. 
Dagegen gelten für Elsaß-Lothringen die Bestimmungen der Reichsverfassung 
über Post und Telegraphie nach dem Reichsges. v. 14. Okt. 1871 R. G. Bl. 
S. 443 uneingeschränkt. 
II. Die Ausführung des Art. 48 Abf. 1. 
Der Grundsatz, daß die Post und Telegraphie als einheitliche Staats- 
BVerkehrsanstalten für das gesamte Gebiet des Reichs eingerichtet und ver- 
waltet werden, ist näher ausgeführt zunächst im Art. 49 R.V., wonach die 
Einnahmen und Ausgaben des Post= und Telegraphenwesens für das ganze 
Reich gemeinschaftlich find, ferner im Art. 50, wonach dem Kaiser die obere 
Leitung der Post- und Telegraphenverwaltung gebührt, endlich durch die 
das Post- und Telegraphenwesen betreffende Reichsgesetzgebung und die für 
diese Anstalten ergangenen einheitlichen reglementarischen und administrativen 
Festsetzungen. Der leitende Gedanke dieser Regelung beruht darin, daß 
Post und Telegraphie nicht wie andere Verkehrsanstalten als privatwirtschaft- 
licher Gewerbebetrieb aufgefaßt werden, dessen Geschäftsgang sich abgesehen 
von gewerbepolizeilichen Beschränkungen nach den Regeln des freien Ver- 
trages, der Leistung und Gegenleistung vollzieht. Die erste Konsequenz dieser 
Auffassung ist die Monopolstellung der Post und Telegraphie. Nach § 1 
des die Stellung der Post nach außen — im Verhältnis zum Publikum 
und zu anderen Staatsbetrieben — regelnden Gesetzes über das Postwesen 
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 35
	        
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