560 IX. Marine und Schiffahrt. Art. 53.
II. Die staatsrechtliche Organisation der Marine.
Die Flotte steht unter dem ausschließlichen Befehl des Kaisers. Der
Kaiser übt seine Machtbefugnisse aus durch die Kommandobehörden der
Marine, d. i. ist die Admiralität, und andererseits durch das Reichs-Marineamt.
Die Zweiteilung besteht seit dem Kaiserlichen Erlaß v. 30. März 1889 betr.
die Trennung des Oberkommandos der Marine von der Verwaltung der-
selben R.G.Bl. S. 47. Das Verhältnis der beiden Behörden zueinander
ist dasselbe wie das des Kriegsministers zu den Generalkommandos; vol.
die Ausführungen des Fürsten Bismarck in der Reichstagssitzung v. 21. März
1889 St. B. 1009. Der Staatssekretär des Reichs-Marineamts ist wie die
anderen Chefs der obersten Reichsämter dem Reichskanzler unmittelbar
unterstellt, aber neben diesem nach außen verantwortlich, soweit sein Ressort
reicht, d. h. für die Verwaltung der Marine, nicht für die Kommando-
angelegenheiten. Die Unterscheidung zwischen Armeebefehl und Armee-
verordnung ist auf die Flotte zu übertragen; val. Art. 17 IVe S. 347 f.
Die Verantwortung des Reichskanzlers und des Staatssekretärs des Reichs-
Marineamts erstreckt sich lediglich auf die Marine-Verordnungen; nur
letztere find gegenzuzeichnen. Die Marine-Verordnungen werden auf Grund
des Art. 53 Abs. 1 Satz 1 vom Kaiser, nicht vom Bundesrat erlassen;
vgl. Laband IV S. 18, v. Seydel S. 301, Arndt S. 630. Zwischen den
Kommandobehörden, an deren Spitze der Kaiser unmittelbar steht, und dem
Reichs-Marineamt ist der Geschäftskreis durch die Kais. Erlasse v. 17. März
1893 und 14. März 1899 (Marine-Verordn.-Bl. S.37 bez. S. 61) abgegrenzt.
Zu der Wahl des Ausdrucks „Kaiserliche Marine“ im Abs. 4 des
Art. 53 bemerkte auf eine Anregung des Abg. M. Wiggers, der die Be-
zeichnung „Reichsmarine“ vorschlug der bayr. Staatsminister v. Lutz im
Reichstage l. Leg.-Per. 1. Sess. St. B. 157, daß — ohne eine sachliche
Anderung zu beabsichtigen — der Ausdruck „Kaiserliche Marine“ gewählt
worden sei, um dadurch mehr persönliche Beziehungen zum Reichsoberhaupte
anzudeuten und mit Rücksficht auf die seemännischen Traditionen; vol.
v. Rönne II 2 S. 162 A. 2.
Mit der Disposition über die Marine und mit der Disposition über
Krieg und Frieden (Art. 11) hat der Kaiser die Befugnis erhalten, das die
Marine betreffende internationale Recht zu entwickeln, sei es durch förm-
liche Staatsverträge, sei es durch stillschweigende oder ausdrückliche An-
erkennung inländischer und ausländischer Gebräuche oder durch einseitige
Normierung von Verhaltungsmaßregeln für die Marine gegenüber dem
Ausland. Die Mitwirkung des Reichstags ist hier nur erforderlich, wenn
der Etat belastet wird oder wenn im Wege der Gesetzgebung Rechtsregeln
festgestellt werden sollen, die für die Gesamtheit der Untertanen verpflichtend
find oder wenn es sich um förmliche Staatsverträge handelt, die unter
Art. 11 Abs. 3 fallen; vgl. die Ausführungen des Reichskanzlers Fürst
Bülow als Staatssekretär des Auswärtigen Amts in der Reichstagssitzung
v. 19. Jan. 1900 St. B. 3600 über die Behandlung neutraler Schiffe und
See-Kontrebande im Kriegsfalle und in der Reichstagssitzung v. 10. Dez.
1908 über die Frage einer auf internationalem Abkommen beruhenden Ein-
schränkung der Rüstungen zur See.
Welche Anstalten im Sinne des Abs. 3 mit der Gründung und Er-
haltung der Kriegsflotte zusammenhängen, läßt sich mangels einer hierfür