IX. Marine und Schiffahrt. Art. 53. 561
bestehenden verfassungsmäßigen oder sonstigen gesetzlichen Grundlage nicht
nach allgemeinen Gesichtspunkten, sondern nur nach Lage des einzelnen Falls
entscheiden.
III. Reichskriegshäfen.
Durch die Kais. Kabinettsorder v. 15. Febr. 1873 Mar.-Verordn.-Bl.
S. 37 wurde den Kriegshäfen von Kiel und Wilhelmshaven die Eigenschaft
einer Festung beigelegt und bestimmt, daß den Kommandanten dieser Häfen
die allgemeinen Befugnisse der Festungskommandanten zustehen und daß die
beiden Kriegshäfen in militärischen und territorialen Beziehungen mit Aus-
nahme der Ersatz= und Landwehrangelegenheiten nur noch von der Admiralität
ressortieren sollten. Durch Reichsges. v. 19. Juni 1883 R. G. Bl. S. 105
find die Seegrenzen dieser Häfen und die polizeilichen Befugnisse der Marine-
stationschefs, die namentlich für die Unversehrtheit der Häfen in marine-
technischer Richtung zu sorgen haben, bestimmt; desgleichen find Vorschriften
über die Auseinandersetzung mit dem Großherzogtum Oldenburg gegeben,
in dessen Gebiet der Jadehafen gelegen ist.
IV. Der Marinedienst.
Der Begriff der „seemännischen Bevölkerung“, die nach Art. 53 Abf. 4
vom Dienst im Landheer befreit und dafür zum Dienst in der Kaiserlichen
Marine verpflichtet ist, wird näher bestimmt durch das im ganzen Gebiet
des Reichs geltende Ges. betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienst v. 9. Nov.
1867 B. G. Bl. S. 131 und durch Abschn. II 8 24 der deutschen Wehr-
ordnung (Beilage Nr. 32 des R.C. Bl. v. 22. Juni 1901). Danach be-
steht die seemännische Bevölkerung aus 1. Seeleuten von Beruf, d. h.
Leuten, die mindestens ein Jahr auf deutschen See-, Küsten= oder Haff-
fahrzeugen gefahren find, 2. See-, Küsten= oder Haffischern, welche die
Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben, 3. Schiffs-
zimmerleuten, die zur See gefahren find, 4. Maschinisten, Maschinisten-
gehülfen und Heizern von See= und Flußdampfern. Im Bedarfsfalle
wird die halbseemännische Bevölkerung herangezogen. Hierzu gehören die
Seeleute, die als solche auf deutschen oder außerdeutschen Fahrzeugen
mindestens 12 Wochen gefahren sind und die See-, Küsten= und Haff-
sischer, welche die Fischerei zwar weniger als ein Jahr, aber gewerbsmäßig
betreiben.
Durch die Bestimmung des Art. 53 wird die nichtseemännische Be-
völkerung vom Dienst in der Marine nicht ausgeschlossen. Dies ist bestätigt
durch das Ges. betr. die Ersatzverteilung v. 26. Mai 1893 R. G. Bl S. 185
Art. 1I1 § 1 Abs. 3 S. 2. Durch dieses Gesetz ist auch die dem Art. 53
am Schluß urspünglich beigefügte Bestimmung aufgehoben worden, wonach
eine Anrechnung bezüglich aller zur Marine eingestellten Rekruten auf die
OQuote des betreffenden Staats stattfand. Der jährliche Ersatzbedarf wird
vom Kaiser festgestellt und durch den preußischen Kriegsminister in erster
Reihe auf die Militärpflichtigen der seemännischen Bevölkerung, im Bedarfs-
falle auch auf die Landbevölkerung verteilt.
Die Beamten der Kriegsmarine find, da fsie vom Kaiser angestellt
werden, im Gegensatz zu den Militärbeamten, unmittelbare Reichsbeamte;
ebenso Arndt S. 483 A. 2.
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung. 36