II. Reichsgesetzgebung. Art. 2. 49
ist, dies zu prüfen gehört zur Kompetenz des Kaisers unter Verantwortlich-
keit des Reichskanzlers, und die Prüfung muß vor der Ausfertigung und
Verkündigung des Gesetzes stattfinden. Nach außen erlangt das Gesetz erst
durch die Verkündigung Geltung. Seine Wirksamkeit ist also von dem
Ergebnis der dem Kaiser zustehenden formellen Prüfung abhängig.
2. Die Formel der Verkündigung.
Die Formel der Verkündigung lautet:
„Wir von Gottes Gnaden, Deutscher Kaiser, König von
Preußen usw. verordnen hiermit im Namen des Deutschen Reichs, nach
erfolgter Zustimmung des Bundesrats und Reichstags, was folgt.“
Der Wortlaut dieser Formel ist durch ein allgemeines Gesetz nicht vorge-
schrieben. Vielmehr wird die Formel für jedes Gesetz vom Bundesrat und
Reichstag besonders beschlossen, und es entspricht der ständigen Praxis, daß
insbesondere der Reichstag stets wie über die überschrift eines jeden Gesetzes,
so auch über dessen Eingang, d. h. die Verkündigungsformel, einen formellen
Beschluß faßt; vgl. v. Rönne II 1 S. 15 IV 3. Nichtsdestoweniger hat
die Verkündigungsformel, abgesehen von unbedeutenden stilistischen Ab-
weichungen, stets denselben Wortlaut.
Die Reichsverfassung enthält über den Inhalt dieser Formel nur die
sich aus Art. 2 und 17 ergebende Vorschrift, daß der Kaiser es ist, der
die Gesetze verkündigt und daß die Verkündigung „von Reichs wegen“ zu
geschehen hat, d. h. es muß in der Formel zum Ausdruck gebracht werden,
daß es sich bei der Verkündigung um eine Angelegenheit handelt, bei
welcher der Kaiser in seiner Eigenschaft als Organ des Reichs, nicht in
seiner Eigenschaft als König von Preußen sein Recht zur Verkündigung aus-
übt. Diesem Erfordernis ist durch die Worte der Formel „im Namen des
Reichs“ genügt.
Der dem Namen des Kaisers zugefügte Titel entspricht demjenigen,
den der Kaiser in seiner Eigenschaft als König von Preußen zu führen
berechtigt ist. Dieser Titel ist, natürlich ohne die erst durch Art. 11 R.V.
eingeführte Bezeichnung „Deutscher Kaiser“, schon im Eingang zur preußi-
schen Verfassungsurkunde enthalten und damit durch die preußische Ver-
fassung — zwar nicht geschaffen, denn er bestand schon früher — aber
aufs neue anerkannt, also in allen seinen Teilen verfassungsrechtlich, teils
durch die preußische Verfassung, teils durch die Reichsverfassung begründet.
In der Verkündigungsformel ist das Wort „verordnen“, nicht „ver-
kündigen“ gewählt. Dies ist staatsrechtlich sachgemäß, weil nach der
Reichsverfassung das Gesetz erst durch die Verkündigung verbindliche Kraft
erhält. Deshalb ist den Untertanen gegenüber nur der Kaiser berechtigt
zu verordnen, wenngleich er bezüglich des Inhalts der „Verordnung“ nicht
frei, sondern an die übereinstimmenden Beschlüsse des Bundesrats und
Reichstags gebunden ist — dies ist allerdings streitig; die in der Literatur
herrschende Ansicht ist dagegen — vgl. Laband II S. 26 ff. und die dort
S. 29 A. 3 angeführten Schriftsteller.
Gegen die Worte der Formel „nach erfolgter Zustimmung von Bundes-
rat und Reichstag“ ist von Meyer-Anschütz S. 585 A. 17 und den dort
Genannten das Bedenken erhoben worden, daß sie nicht korrekt seien, weil
der Bundesrat und Reichstag einem Reichsgesetz nicht bloß miustimmen.
Dambitsch, Deutsche Reichsverfassung.