Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

IX. Marine und Schiffahrt. Art. 54. 563 
Eine Ausführung dieses Grundsatzes gibt zunächst Abs. 2 und Abs. 3 
Satz 1 des Art. 54; erstere Bestimmung unterwirft alle Schiffe der deutschen 
Handelsmarine der Schiffspolizei des Reichs, letztere Bestimmung gibt ihnen 
als Aquivalent dafür in Ansehung der Zulassung und sonstigen Behandlung 
in Seehäfen und auf Wasserstraßen gleiche Rechte. Eine weitere Ausführung 
enthält Art. 55, der für die Kriegs= und Handelsmarine eine einheitliche 
Flagge vorschreibt und die auf Grund des Art. 54 erlassene Reichsgesetz- 
gebung. Gegenüber diesen nur auf die Vermeidung einer differentiellen 
Behandlung der Schiffe der verschiedenen Bundesstaaten abzielenden Vor- 
schriften des Art. 54 stehen die Bestimmungen des Abs. 3 Satz 2, Abf. 4 
und Abs. 5, die für die Erhebung von Schiffahrtsabgaben pofitive Beschrän- 
kungen festsetzen. 
Als „Kauffahrteischiffe“ find im 8 1 des Ges. v. 25. Okt. 1867 B.G. Bl. 
S. 35 betr. die Nationalität der Kauffahrteischiffe „die zum Erwerbe durch 
die Seefahrt bestimmten Schiffe bezeichnet“; vgl. v. Seydel S. 303. 
II. Schiffspolizei. 
Von den auf Grund des Art. 54 erlassenen, die Schiffspolizei des 
Reichs betreffenden Gesetzen sind hervorzuheben: das Reichsges. v. 28. Juni 
1873 betr. die Registrierung und die Bezeichnung der Kauffahrteischiffe 
R.G. Bl. S. 184, die Seemannsordnung v. 27. Dez. 1872 R.G. Bl. S. 409, 
ersetzt durch die Seemannsordnung v. 2. Juni 1902 R.G.Bl. S. 175, letztere 
teilweise abgeändert durch das Reichsges. v. 23. März 1903 R. G. Bl. S. 57 
und v. 12. Mai 1904 R.G.Bl. S. 167; vgl. auch Art. 4 Ziff. 2 S. 147f., 
ferner die Strandungsordnung v. 17. Mai 1874 R. G. Bl. S. 73, abgeändert 
durch das Reichsges. v. 30. Dez. 1901 R.G.Bl. 1902 S. 1, das Reichsges. 
v. 9. Jan. 1875 betr. die Deutsche Seewarte R. G. Bl. S. 11, das Reichsges. 
v. 27. Juli 1877 betr. die Untersuchung von Seeunfällen R.G. Bl. S. 549 
nebst den ergänzenden Gesetzen v. 11. Juni 1878 über die Anwendung 
der Bestimmungen dieses Gesetzes auf die Maschinisten der Seedampfschiffe 
R.G.Bl. S. 109, das Reichsges. v. 2. Juni 1902 betr. die Stellenvermittelung 
für Schiffsleute R.G. Bl. S. 215; vgl. v. Rönne, Verfassung des Deutschen 
Reichs (Guttentagsche Gesetzsammlung) Art. 54. Die Bedingungen, von denen 
die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffs abhängt, sind im § 31 der 
Gewerbeordnung und den auf Grund dieser Vorschrift erlassenen Bundes- 
rats-Verordnungen bestimmt. 
Ferner hat der Bundesrat auf Grund und zur Ausführung des Art. 54 
wiederholt Schiffsvermessungsordnungen erlassen, von denen die späteren die 
vorausgehenden ersetzten, zuletzt u. d. 1. März 1895 R. G. Bl. S. 161. Wie 
bei Art. 7 Alll S. 220 f. ausgeführt, ist die Gültigkeit dieser Verordnungen 
von denen bestritten worden, die eine Befugnis des Bundesrats zum Erlaß 
von Rechtsvorschriften nicht anerkennen. Gegen die Gültigkeit find u. a. 
Laband lll S. 189, Meyer Verwaltungsrecht I § 172 A. 1, soweit die Ver- 
ordnungen nicht lediglich den inneren Geschäftsverkehr der Behörden betreffen; 
danach würden sie für die Schiffseigentümer und Schiffsführer nicht bindend 
sein. Hänel Studien II S. 84ff und Staatsrecht ! S. 281 und Hensel in 
Hirth's Annalen 1882 S. 36 halten die Verordnungen für schlechthin un- 
gültig; für die Gültigkeit find Arndt S. 254 und Kommentar S. 296, 
v. Seydel S. 304, Löning Verwaltungsrecht S. 657 A. 1. Der letzteren 
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