Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

576 XI. Reichskriegswesen. Art. 58. 
Ausgaben dafür sind nicht anders zu decken wie alle anderen durch das 
Etatsgesetz des Reichs festgestellten Ausgaben. Es werden für sie in erster 
Reihe die eigenen Einnahmen des Reichs verwendet, und nur soweit sie 
nicht ausreichen, können die Matrikularbeiträge herangezogen werden. Wenn 
Art. 58 vorschreibt, daß die Kosten von den Bundesstaaten zu tragen find, 
so zielt diese Bestimmung nicht auf die juristische, sondern auf die wirt- 
schaftliche Seite der finanziellen Beziehungen zwischen Reich und Einzel- 
staaten ab. Denn wirtschaftlich müssen natürlich alle Kosten, die das Reich 
aufwendet, von den Einzelstaaten getragen werden, sei es direkt durch Matri- 
kularbeiträge, sei es indirekt dadurch, daß dem Reich an Zöllen, Steuern 
usw. Einnahmequellen zur Verfügung gestellt werden, die damit der Aus- 
nützung durch die Einzelstaaten verloren gehen. Aber Art. 58 hat seinen 
Schwerpunkt nicht darin, diese selbstverständliche, den Militärausgaben mit 
allen anderen Ausgaben des Reichs gemeinsame Tatsache zum Ausdruck zu 
bringen, sondern die Tendenz des Art. 58 ist, auszuschließen, daß die dem 
Reich durch den Unterhalt für die Armee aufgebürdeten Lasten zum Aus- 
gangspunkt für eine ungleichmäßige, von der sonstigen Ordnung der finan- 
ziellen Beziehungen abweichende Verteilung der Kosten auf die Einzelstaaten 
werden. Dies wird auf dem einfachsten Wege dadurch erreicht, daß die 
Kosten für das Heer aus der Reichskasse bestritten werden, und wenn auch die 
dem Matrikularsystem anhaftenden Mängel und ebenso die Tatsache, daß die 
Belastung mit Zöllen und indirekten Steuern auf die einzelnen Bundesstaaten, 
je nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, nicht ganz gleichmäßig wirkt, 
dem von der Reichsverfassung erstrebten Ziele, einer vollen Gleichmäßigkeit 
in, der Verteilung der Militärlasten entgegenstehen, so finden doch absicht- 
liche „Bevorzugungen und Präpravationen“ nicht statt und die Gleichmäßig- 
keit der Kostenverteilung ist immerhin soweit geführt, als sie bei dem durch 
die Verfassung und die spätere Reichsgesetzgebung geschaffenen System, auf dem 
die allgemeine Finanzverwaltung beruht und dem natürlich, wie allen mensch- 
lichen Einrichtungen, ein gewisses Maß von Unvollkommenheit innewohnt, 
überhaupt noch erreichbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Ungunst der 
geographischen Lage, die dem Deutschen Reich so schwere Militärlasten auferlegt, 
sich zusammensetzt aus der gleichen geographischen Situation aller Einzelstaaten; 
es ist deshalb nur gerecht, daß alle Einzelstaaten nach gleichem Maßstabe bei- 
tragen müssen, um für diese ihnen allen gleichmäßig anhaftende Ungunst des 
Geschicks durch eine starke Armee eine ausreichende Kompensation zu schaffen. 
Es ist noch zu bemerken, daß für eine Übergangszeit einigen kleineren 
Staaten durch besondere mit Preußen abgeschlossene Konventionen ein zeit- 
weiliger Nachlaß an den für das Reich geschuldeten Matrikularbeiträgen be- 
willigt wurde, um ihnen dadurch eine Erleichterung für die von ihnen für 
die Militärausgaben geschuldeten Beiträge zu gewähren. Dieses Abkommen 
stand an sich mit Art. 58 im Widerspruch, aber die gesetzgebenden Faktoren 
des Reichs — Bundesrat und Reichstag — haben nachträglich das Ver- 
fahren genehmigt und damit war die einer gesetzlichen entsprechende Grund- 
lage geschaffen, von der aus Art. 58 Satz 2 unter den dort genannten 
Voraussetzungen eine Abweichung von der zahlenmäßigen Gleichheit der 
Verteilung gestattet; vgl. die Verhandlungen des Reichstags v. 1867 St. B. 
385, 576 und v. Rönne II 1 S. 149 A. 2 und II2 S. 116 A. 7. 
Art. 58 gilt wie Art. 57 für die Marine ebenso wie für das Heer.
	        
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