Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

590 XI. Reichskriegswesen. Art. 61. 
B. G. Bl. S. 401 ist das preußische Militär-Strafrecht für den ganzen Nord- 
deutschen Bund und durch Verordnung v. 22. Dez. 1868 B.G.Bl. S. 571 
das in Preußen geltende Recht über die Heranziehung von Militärpersonen 
zu Kommunalauflagen eingeführt worden und durch Kaiserliche Verordnung 
v. 24. Nov. 1871 R.G. Bl. S. 401 ist die das preußische Militär-Strafrecht 
betreffende Verordnung auch für Baden in Kraft gesetzt worden. Weitere 
Verordnungen, durch welche Vorschriften des preußischen Militärrechts für 
andere Bundesstaaten eingeführt wurden, find vom Präsidium des Nord- 
deutschen Bundes oder vom Kaiser nicht erlassen worden. 
Art. 61 bezieht sich nur auf die vor der Publikation der Verfassung 
des Norddeutschen Bundes in Kraft getretenen Bestimmungen des preußischen 
Militärrechts, wie sich indirekt aus Art. 61 Abs. 2 ergibt, wo für die zu- 
künftige Normierung des Militärrechts der Weg der Reichsgesetzgebung zu- 
gesagt ist; es ist auch aus Anlaß eines Spezialfalls, betr. die Anwendung 
der über die Kommunalbesteuerung ergangenen Präsidialverordnung v. 22. Dez. 
1868 B. G. Bl. S. 571 auf die außerpreußischen Einzelstaaten sowohl vom 
Vertreter des Bundesrats wie vom Reichstage anerkannt worden; vgl. St. B. 
v. 1869 Bd. 2 S. 1138ff. Die Rechtsgültigkeit dieser Verordnung, welche 
die Einführung einer erst nach Erlaß der Verfassfung ergangenen preuß. 
Verordnung betraf, ist übrigens später dadurch außer Zweifel gesetzt worden, 
daß fie durch das Reichsges. v. 28. März 1886 betr. die Heranziehung von 
Militärpersonen zu den Gemeindeabgaben R. G.Bl. S. 65 teilweise aufrecht 
erhalten worden ist; so das Reichsgericht in der Entsch. v. 28. März 1886, 
4. Cs. Bd. 24 S. 1, vgl. Laband IV. S. 20f. A. 6, v. Seydel S. 330f. 
II. Die Unterscheidung zwischen Gesetzen und Reglements. 
Art. 61 Abs. 1 umfaßt nach seinem Wortlaut Gesetze wie Verord- 
nungen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Kompetenz des Reichs, 
wenngleich im Abs. 2 wie im Art. 4 Ziff. 14 nur von der Gesetzgebung 
gesprochen ist, sich ebenfalls auf die Verordnungen erstreckt, weil im Ver- 
hältnis des Reichs zu den Einzelstaaten angenommen werden muß, daß die 
Kompetenz zum Erlaß von Rechtsnormen höheren Grades, der Gesetzgebung, 
die des geringeren Grades, der Verordnung, umfaßt, das Wort „Gesetz“ 
also im „materiellen“ Sinne zu verstehen ist; für Art. 4, dessen Ziff. 14 
mit Art. 61 in korrespondierender Beziehung steht, ist dies geradezu selbst- 
verständlich. Für die materielle Abgrenzung zwischen Gesetz und Verordnung 
wird auf die Ausführungen zu Art. 7 A III S. 227f. verwiesen. Auch für 
die Regelung des Militärwesens gilt die Regel, daß über die verfassungs- 
mäßige Notwendigkeit hinaus der Weg der Gesetzgebung sich oft empfiehlt, 
wenn mit Rücksicht auf die Deckung von Kosten, die der Festsetzung im 
Etat bedürfen, die Mitwirkung des Reichstags doch nicht zu vermeiden ist; 
ebenso kann die Regierung freiwillig stets den Weg der Gesetzgebung be- 
schreiten, wenn sie sich von der ausschließlichen Verantwortung für neue 
Organisationen entlasten will. 
Für die Verteilung der Kompetenz zum Erlaß der Verordnungen unter 
den in Betracht kommenden Organen des Reichs, Kaiser und Bundesrat, ist 
zwischen Armeebefehlen und Armeeverordnungen zu unterscheiden. Über das 
Anwendungsgebiet dieser beiden Kategorien, vgl. Art. 17 IVe S. 347 ff. Für 
Armeebefehle, die in das Ressort der Kommandogewalt fallen, ist der Kaiser
	        
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