XI. Reichskriegswesen. Art. 61. 591
zuständig, für das bayrische Kontingent in Friedenszeiten der König von
Bayern, endlich die Monarchen der anderen Bundesstaaten, soweit ihnen in
den Militärkonventionen für die in ihrem Staatsgebiet garnisonierenden
Truppen noch eine Kommandogewalt vorbehalten ist. Was die Armee-
verordnung anbetrifft, so spricht die Vermutung für die Zuständigkeit des
Kaisers mit Rücksicht auf den ihm verfassungsmäßig — nach Art. 63 — zu-
stehenden Oberbefehl, der die Armeeverwaltung ebenso in sich schließt wie die
Kommandogewalt und deshalb tritt die allgemeine Regel, daß die Verbündeten
Regierungen in Ansehung der Rechtssetzung die höchste Gewalt im Reiche
darstellen, für das Gebiet der Militärverwaltung außer Kraft. Daneben
gilt aber die Bestimmung des Art. 7 Ziff. 2, wonach der Bundesrat zu-
ständig ist, die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Ausgenommen hiervon find natürlich
die Fälle, in denen dem Kaiser die Ausführung des Gesetzes durch das
Gesetz selbst übertragen ist. Diese letzteren Fälle bilden in der Praxis fast
die Regel. Der Bundesrat ist z. B. zuständig zur Ausführung der Gesetze
über Pensionierungen und Kriegsleistungen; vgl. Laband IV S. 17, v. Seydel
S. 138, Arndt S.457 f., Zorn II S.523f. Die Zuständigkeit des Bundes-
rats — auch im Rahmen des Art. 7 Ziff. 2 — wird verneint von v. Rönne
II 2 S. 136.
III. Die Wirkung der Einführung.
Das preußische Militärrecht gilt im Reiche nicht ohne weiteres, sondern
nur wenn und soweit es in Ausführung des Art. 61 besonders eingeführt
ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß die entsprechende Bestimmung
des preußischen Entwurfs der Verfassungsurkunde, nach der das preußische
Recht als ipso jure eingeführt gelten sollte, nicht angenommen, sondern
dem jetzigen Wortlaut gemäß verändert wurde; ebenso Laband IV S. 20
A. 5, v. Seydel S. 328 f., anderer Ansicht ist Bornhak Preußisches Staats-
recht III S. 31. Ist aber das preußische Militärrecht eingeführt, so gilt es
nicht als Bestandteil der Reichsverfassung; es erhält auch nicht durchweg
den Charakter der Reichsgesetzgebung, sondern die Normen, die bisher Ver-
ordnungen waren, bleiben Verordnungen und können von den zuständigen
Organen des Reichs durch neue Verordnungen abgeändert werden, und nur
Gesetze, die als solche schon im preußischen Recht erlassen waren, d. h. mit
Zustimmung der Volksvertretung erlassene und in Gesetzesform verkündete
Rechtsnormen gelten auch im Reiche als Gesetze und können nach ihrer
Einführung nur durch Reichsgesetze aufgehoben oder abgeändert werden.
Dies wird durch die Verhandlungen des konst. Reichstags v. 6. April 1867
St. B. 581 bestätigt, vgl. die Ausführungen des Abg. Forkel und die zu-
stimmende Erwiderung des Kriegsministers v. Roon; ebenso v. Seydel
S. 331 f., vgl. auch v. Rönne II2 S. 138 f., Arndt S. 460f.
IV. Die Zuständigkeit für die Einführung des preußischen Millitärrechts.
Die Frage, wer zur Einführung des preußischen Militärrechts kompe-
tent ist, ob der Kaiser oder die Regierungen der Einzelstaaten oder beide, ist
streitig; für letzteres ist v. Seydel S. 329 und Arndt S. 459, für die aus-
schließliche Zuständigkeit der Regierungen der Einzelstaaten u. a. Laband IV.
S. 20 und Hänel Studien II S. 70. Die Frage ist jetzt kaum noch von
praktischer Bedeutung. Der Wortlaut des Art. 60 gibt keinen bestimmten