Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

Xl. Reichskriegswesen. Art. 63. 599 
deutsche Heer setzt sich zusammen aus den Kontingenten der Einzelstaaten. 
Die Einzelstaaten verwalten selbst ihre Kontingente und find dabei grund- 
sätzlich selbständig. Die Bundesfürsten find die Chefs ihrer Kontingente 
und haben die damit verbundene Befehlsgewalt und die sich daraus er- 
gebenden Ehrenrechte. Die gesamte Landmacht des Reichs aber bildet ein 
einheitliches Heer, das im Krieg und Frieden unter dem Oberbefehl des 
Kaisers steht (Art. 63 Abs. 1 R.V.). Der Kaiser hat die Pflicht und das 
Recht, dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb des deutschen Heeres alle 
Truppenteile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind und daß Einheit 
in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in 
der Ausbildung der Mannschaften sowie in der Oualifikation der Offiziere 
hergestellt und erhalten wird (Art. 63 Abs. 3); er bestimmt den Präsenz- 
stand, die Gliederung und Einteilung der Kontingente des „Reichsheeres“ 
sowie die Organisation der Landwehr und hat das Recht innerhalb des 
Reichs die Garnisonen zu bestimmen sowie die kriegsbereite Aufstellung eines 
jeden Teils des Reichsheeres anzuordnen (Art. 63 Abs. 4). Jedoch die 
Ausführung dieser Anordnungen geschieht unbeschadet der Tatsache, daß der 
Kaiser gewisse Kategorien höherer Truppenführer nach Art. 64 ernennt, durch 
die Einzelstaaten. Soweit eine parlamentarische Verantwortlichkeit über- 
haupt in Betracht kommt, d. h. für die Armeeverwaltung mit Ausschluß 
des Armeekommandos, wird fsie von den Kriegsministern der Kontingente 
getragen und die Kriegsminister sind Behörden der Einzelstaaten. Das 
Reich ist insoweit — abgesehen von dem internen Verhältnis zwischen dem 
Kaiser und den Kontingentsherren — nur zuständig auf Grund des ihm 
durch Art. 4 Ziff. 14 zugewiesenen Rechts zur Aufsicht über die Ausführung 
der Militärgesetzgebung durch die Einzelstaaten (vgl. später S. 603). 
Durch die Reichsgesetzgebung wird zwar der größte Teil des für die 
Armee geltenden besonderen Rechts einheitlich geregelt, insbesondere die 
Wehrpflicht, der Rekrutenersatz, die Organisation des Heeres, der Militär- 
dienst mit allen seinen Rechten und Pflichten für Offiziere, Ärzte, Militär- 
beamte, Unteroffiziere und Mannschaften, die Naturalleistungen für die be- 
waffnete Macht im Kriege und im Frieden usw., jedoch die Ausführung 
dieser Gesetze hängt von den Kontingentsverwaltungen der Einzelstaaten ab, 
und zwar sind sie insoweit aus eigenem Recht und nicht etwa nur als 
Beauftragte und Organe des Reichs tätig; denn es handelt sich dabei um 
ein den Einzelstaaten von jeher zustehendes, durch die Verfassung ihnen 
nicht entzogenes Staatshoheitsrecht. 
Die ganze Militärverwaltung wird auf Kosten des Reichs geführt. 
Das Reich gibt den Kontingentsverwaltungen die Mittel her und alle Ein- 
nahmen und Ausgaben der Militärverwaltung werden durch den Reichsetat 
festgesetzt. Finanzielle Ansprüche für und gegen das deutsche Heer und seine 
Einrichtungen und Anstalten find deshalb mit dem Reichsfiskus verbunden; 
vgl. die Denkschrift des Reichskanzlers, Arch. f. öff. K. Bd. 4 S. 150 f. Jedoch 
die Verausgaobung der für das Heerwesen erforderlichen Kosten und die 
ganze finanzielle Verwaltung erfolgt durch die Kontingente der Einzelstaaten. 
unter Verantwortung der Kriegsminister, und der Reichs-Militärfiskus wird 
durch die Kriegsminister der Kontingente, bez. durch die ihnen unterstellten 
Intendanten vertreten, die als Vertreter aktiv und passiv zur Prozeßführung 
legitimiert find, wie das Reichsgericht wiederholt anerkannt hat; vgal. Cs.
	        
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