Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

606 XI. Reichskriegswesen. Art. 63. 
VI. Die Bestimmung des Präsenzstandes 
und der Gliederung und Einteilung der Kontingente. 
Das Recht des Kaisers den Präsenzstand zu bestimmen, bedeutet, daß 
der Kaiser durch Beurlaubungen vorübergehend Verminderungen und durch 
Einberufung der Reserven vorübergehend Erhöhungen anordnen kann. So- 
weit dadurch für den Jahresdurchschnitt die nach dem Gesetz über die 
Friedenspräsenzstärke zulässige Jahresdurchschnittszahl überschritten wird, 
würde allerdings für die damit verbundene Etatsüberschreitung die nach- 
trägliche Genehmigung des Reichstags erforderlich sein; es ist also nicht 
etwa anzunehmen, daß der Kaiser nur eine geringere als die gesetzliche Zahl 
bestimmen darf. Dies ergibt sich aus der Ablehnung der im konst. Reichs- 
tag von den Abg. Duncker und Waldeck sowie Günther gestellten Anträge 
Sitzung v. 8. April 1867 St. B. 615 ff. und aus den Reichstagsverhandlungen 
über das Ges. betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienst, vagl. besonders die 
Ausführungen des Grafen Moltke in der Sitzung v. 18. Okt. 1867 St. B. 
477, der auf die für die Erhaltung des Friedens nachteilige Wirkung hin- 
wies, die entstehen würde, wenn in einer im Verhältnis zum Auslande 
politisch gespannten Situation Verstärkungen der Armee über den normalen 
Präsenzstand nur auf Grund einer förmlichen Mobilmachung angeordnet 
werden könnten. Diese Befugnis des Kaisers hat durch § 6 Abs. 5 des Ges. 
betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienst v. 9. Nov. 1867 noch eine besondere 
gesetzliche Unterlage erhalten; vgl. v. Rönne II2 S. 143, v. Seydel S. 358, 
Zorn II S. 538, Arndt S. 469; anders Brockhaus a. a. O. S. 45. Für 
die Gliederung und Einteilung der Kontingente ist das freie Ermessen des 
Kaisers insofern eingeschränkt, als seit Erlaß des Reichs-Militärgesetzes, zu- 
letzt durch § 2 des Ges. betr. die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres 
v. 15. April 1905 R. G. Bl. S. 247, die Zahl der Kadres bestimmt ist. 
Ungefähr festgelegt ist durch 88 2, 8 des Reichs-Militärgesetzes auch die 
Gliederung des Armeekorps in Divisionen (2— 3), der Divisionen in Bri- 
gaden (2— 3), der Brigaden in Regimenter (2—3), der Regimenter in 
Bataillone bez. Eskadrons und Abteilungen, (in der Regel 3, bez. 5, bez. 
2 —3), der Bataillone in Kompanien, (in der Regel 4, beim Train 2 —3), 
der Abteilungen in Batterien (2—4). Ferner ist die Zahl der Armeekorps 
gesetzlich festgelegt und einen weiteren Anhaltspunkt für die Gliederung der 
Armeekorps gibt das Etatsgesetz durch die nach Chargen gesonderten Zahlen 
der Offiziersstellen in Verbindung mit dem Umstande, daß das Reichs- 
Militärgesetz im § 4 ungefähr bestimmt, mit welchen Offizierschargen die 
einzelnen Truppenabteilungen zu besetzen sind. Innerhalb dieser Schranken 
hat der Kaiser freien Spielraum und vor allem bestimmt er auch die Stärke 
der taktischen Einheiten und sonstigen Truppenabteilungen, denn durch die 
Gesetzgebung ist nicht vorgeschrieben, daß die einzelnen Abteilungen gleich 
stark sein müssen; vgl. die Verhandl. des konst. Reichstags v. 8. April 1867 
St. B. 615. Uneingeschränkt oder wenigstens nur durch den Etat beschränkt 
ist das Organisationsrecht des Kaisers für die sogen. besonderen Formationen 
(Landwehrbezirkskommandos, Lehrbataillone usw.). 
Entsprechende Befugnisse stehen dem Kaiser gegenüber Württemberg und 
Sachsen zu nach Art. 14 der württembergischen Militärkonv. und Art. 9 
des preußisch -sächsischen Militärvertrages v. 7. April 1867. Für Bayern 
bestimmt der Bündnisvertrag v. 23. Nov. 1870 zu III 8 5 IIlI:
	        
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