XI. Reichskriegswesen. Art. 68. 615
beider Staaten ergibt sich aus der Nichtanwendbarkeit des Art. 67; vgl.
die von v. Rönne II2 S. 119 A. 1 angeführten Erklärungen des bayrischen
Staatsministers v. Lutz in der Sitzung der bayrischen Abgeordnetenkammer
v. 14. Dez. 1870 (Verh. v. 1870/71 Bd. 4 S. 25 u. 213; ebenso v. Seydel
S. 345 ff., anderer Ansicht v. Rönne II 2 S. 118ff.
Ist der Voranschlag des Etats unzureichend, so wird sich dies meistens
im Reiche ebenso geltend machen wie in Bayern und zu übereinstimmenden
Etatsüberschreitungen führen, und die Überschreitung muß für den Anteil
aller Kontingente — einschließlich Bayern — aus der Reichskasse gedeckt
werden, weil verfassungsmäßig alle Kosten des Heerwesens aus der Reichs-
kasse bestritten werden. Die anscheinend entgegenstehende Bestimmung des
Bündnisvertrages bedeutet nur, daß Bayern die ausschließliche Verfügung
über die Verwendung der ihm überwiesenen Summe hat. Diese Summe
ist nicht als ein Pauschquantum aufzufassen, sondern stellt ebenso wie für
die anderen Kontingente nur einen Voranschlag dar; vgl. die Reichstags-
verhandlung über die Annahme des bayrischen Vertrages v. 5. u. 8. Dez. 1870
St.B. 84, 146. Voranschlägen aber ist es charakteristisch, daß sie nicht
immer innegehalten werden können. Daß Bayern für seinen Anteil die
Etatsüberschreitung allein zu tragen hat, könnte höchstens dann angenommen
werden, wenn Bayern seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur übereinstimmenden
Ausgestaltung seines Heerwesens nicht genügt und deshalb in seiner Ver-
waltung ein Defizit entsteht, das bei den anderen Kontingenten nicht vor-
kommt. Natürlich ist Bayern andererseits wie sämtliche Bundesstaaten an
der Tragung des allgemeinen Defizits der Reichskasse gegenüber beteiligt,
wenn dieses Defizit zu einem Rückgriff auf die Einzelstaaten in Gestalt von
höheren Matrikularbeiträgen führt und unter dieser Voraussetzung ist es
selbst dann beteiligt, wenn das Defizit nur bei der Verwaltung der anderen
Kontingente entstehen sollte.
Der die gegenteilige Auslegung unterstützende Sprachgebrauch des
Bündnisvertrages, daß die bayrische Armee nicht aus Reichsmitteln erhalten
werde, ist übrigens auch in das Ges. über die Rechtsverhältnisse der zum
dienstlichen Gebrauch einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände v.
25. Mai 1873 R.G. Bl. S. 113 übergegangen, und da nach § 1 das Gesetz
sich auf diejenigen Verwaltungen beschränkt, die verfassungsmäßig aus
Reichsmitteln erhalten werden, ist daraus in den Motiven des Gesetzentwurfs
der Schluß gezogen worden, daß das Gesetz auf Bayern keine Anwendung
findet; vgl. Anl. 1878 Bd. 8 Nr. 6 S. 20, Laband IV S. 361, Arndt S. 494f.
Artikel 68.
Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundes-
gebiete bedroht ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand erklären.
Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung
und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten
dafür die Vorschriften des Preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz-
Samml. für 1851 S. 451 ff.).
I. Die Kompetenz zur Erklärung des Kriegszustandes.
II. Die Voraussetzungen für die Erklärung des Kriegszustandes.