II. Reichsgeseygebung. Art. 2. 55
— Mitteilung von der Berichtigungserklärung gemacht und damit diese
Erklärung förmlich seiner Kritik überliefert wird. Die Ansicht Labands,
daß zur Berichtigung stets die Mitwirkung des Reichstags erforderlich sei,
wenn — wie es die Regel bildet — der Fehler aus den Verhandlungen des
Reichstags hervorgegangen ist, wird auch praktisch kaum durchführbar sein.
Denn einmal kann die Berichtigung dringlich sein, während der Reichstag
nicht versammelt ist, und ferner dürfte es nicht zur Geschäftserleichterung
der in Betracht kommenden Faktoren dienen, wenn z. B. bei einem Gesetz,
das im Reichstag schwere parlamentarische Kämpfe hervorgerufen hat, eine
geringfügige Berichtigung der dem Gesetz widerstrebenden Minderheit des
Parlaments einen formellen Anlaß gibt, die Erörterungen von neuem zu
beginnen. Natürlich sind es aber nicht diese Zweckmäßigkeitserwägungen,
aus denen der gegenteilige Standpunkt abgelehnt wird. Die Reichsverfassung
hat keinen Weg für die Berichtigung bestimmt. Um Vorschriften für Be-
hörden und Privatpersonen zu erlassen, kennt die Reichsverfassung nur den
Weg des Gesetzes und der Verordnung. Die Berichtigung ist keins von
beiden. Sie kann deshalb, abgesehen von den Ausnahmefällen, in denen
ein neues, berichtigendes Gesetz erlassen wird, nur als eine tatsächliche
Außerung des Reichskanzlers aufgefaßt werden, die allerdings das volle
Gewicht seiner Autorität und seiner politischen Verantwortlichkeit hat. In
Fällen aber, wo der Wortlaut des verkündeten Gesetzes infolge des Redaktions-
fehlers zwar einen bestimmten Sinn hat, jedoch nicht den von der gesetz-
gebenden Körperschaft gewollten, während andererseits die Frage, ob ein
Redaktionsfehler vorliegt, nicht ganz zweifelsfrei ist, besteht die Möglichkeit,
daß die Gerichte sich doch mehr an den verkündeten Wortlaut halten, als
an das Zeugnis des Reichskanzlers über den wahren Wortlaut des Gesetzes,
und es wird dann allerdings nichts anderes übrigbleiben, als den Weg
der Gesetzgebung von neuem zu beschreiten; vgl. auch Meyer-Anschütz S. 568
A. 14, der den Standpunkt Labands teilt, ferner v. Jagemann S. 109,
Arndt S. 185.
4. Die Verkündigung der Reichsverordnungen.
Es ist streitig, ob Reichsverordnungen wie Gesetze im Reichsgesetzblatt
verkündigt werden müssen. Die Frage wird bejaht u. a. von Laband lI
S. 100 und im Arch. f.öf. R. Bd. 18 S. 305 ff., Meyer S. 574, Binding
Strafrecht I S. 207, Hänel Studien II S. 66, 91 ff., Jellinek Gesetz und
Verordnung, — verneint u. a. von v. Seydel S. 45, Arndt S. 205 und
Verordnungsrecht S. 182 ff., Kommentar S. 83, Löning Verwaltungsrecht
S. 239 (weitere Literaturangaben bei Meyer § 159 A. 9 S. 574). Auch
das Reichsgericht (4. Cs. Urt. v. 25. Nov. 1897 Bd. 40 S. 76 und 3. Es. Urt.
v. 26. März 1901 Bd. 48 S. 88) hat die Notwendigkeit der Verkündigung
im R.G. Bl. verneint. Die Gegner dieser Anschauung gehen davon aus,
daß dem Art. 2 der Begriff des Gesetzes im materiellen Sinne zugrunde
liege, so daß die Bestimmung des 2. Satzes des Art. 2 ohne weiteres die
Verordnungen umfasse. Da dies hier als richtig nicht anerkannt, sondern
angenommen wird, daß die Reichsverfassung den materiellen Gesetzesbegriff
nur anwendet, wo es sich um die Abgrenzung der Kompetenz zwischen Reich
und Einzelstaaten handelt (vgl. oben 1 1 S. 37), ist der Ansicht des Reichs-
gerichts beizutreten. Denn dann fehlt es an einer positiven generellen