644 XII. Reichsfinanzen. Art. 70.
3. Bayern ist endlich an den Einnahmen der Militärverwaltung und
an den Erträgen des allgemeinen Militärpensionsfonds nicht beteiligt, und
zwar wegen der finanziellen Selbständigkeit seiner Militärverwaltung.
Diese Ausschlüsse werden auch auf die Uberschüsfse aus den Vorjahren
übertragen, sodaß z. B. Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß-Lothringen
an den Überschüssen der Brausteuer keinen Anteil haben; vgl. Laband IV
S. 383 f., Meyer § 208 S. 774.
Die Finanzwirtschaft des Reichs ist dadurch charakterisiert, daß die
Hauptquelle der Einnahmen von den Zöllen und indirekten Steuern gebildet
wird. Bei den Zöllen wie bei den Steuern ergibt sich wiederum der größere
Teil des Ertrages aus solchen, die den Massenverbrauch dort treffen, wo
ein gewisser Luxus zum Ausdruck kommt oder es sich mindestens nicht um
absolut unentbehrliche Gegenstände handelt (Ausnahmen: Salz und Zünd-
hölzer). Diese auch bei den neueren Steuergesetzen im allgemeinen fest-
gehaltene Regel entspricht dem Programm des Fürsten Bismarck, der als
Objekte für Steuern und Finanzzölle namentlich empfahl: Tabak, Brannt-
wein, Bier, Wein, Zucker, Kaffee, serner Petroleum und im Zusammenhang
damit Gas, außerdem Reichsstempelabgaben; vgl. die Ausführungen in den
Reichstagssitzungen v. 22. Nov. 1875 und 10. März 1877, das Schreiben
an den Finanzminister Camphausen v. 13. Febr. 1877, v. Poschinger Akten-
stücke I S. 71, 119; II S. 249, Koch in Hirth's Annalen 1901 S. 881.
Wenngleich das Reich bei seiner Zoll= und Steuergesetzgebung auch wirt-
schaftspolitische Zwecke verfolgt und die Zölle zum Teil der Tendenz dienen,
gewisse Wirtschaftszweige des Inlands gegen ausländische Konkurrenz zu
schützen, während die Steuern zum Teil ein Korrektiv unerwünschter Vor-
gänge des Wirtschaftslebens bilden sollen, muß doch, um den notwendigen
finanziellen Erfolg zu erzielen, und weil das Reich, nachdem die Einzel-
staaten sich die direkten Steuern vorbehalten haben, auf indirekte Steuern
angewiesen ist (vgl. Art. 4 Ziff. 2 S. 143 ff.), die Besteuerung des Massen-
konsums im Vordergrunde stehen. Dabei ist zu bemerken, daß die formell
nicht aufgehobene Bestimmung des § 6 des Flottengesetzes v. 14. Juni 1900
R.G. Bl. S. 255 (val. Art. 53 I S. 558 f.) der Ausbildung dieses Steuer-
systems keineswegs im Wege steht. Die Bestimmung war von Anfang an
ohne praktische Bedeutung, weil sie die Erhöhung und Vermehrung der
indirekten, den Massenverbrauch belastenden Abgaben nur für die Deckung
der einen gewissen Betrag übersteigenden Ausgaben des ordentlichen Etats
der Marineverwaltung verbietet, während es praktisch ausgeschlossen ist, daß
der stetig zunehmende finanzielle Mehrbedarf des Reichs allein auf die
Kosten des ordentlichen Etats der Marineverwaltung zurückzuführen ist.
III. Die Matrikularbeiträge.
a) Ihre wirtschaftliche Bedeutung.
Es ist allseitig anerkannt, daß unter wirtschafts= und finanzpolitischem
Gesichtspunkte die Matrikularbeiträge eine unvollkommene Einrichtung bilden.
Sie belasten alle Bundesstaaten nach demselben Maßstab der Bevölkerungs-
ziffer, obgleich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Einzelstaaten sehr
verschieden ist. Es liegt keine ausreichende Abhülfe darin, daß es den