Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

XIII. Schlichtung von Streitigkeiten u. Strafbestimmungen. Art. 76. 671 
oder des Art. 7 Ziff. 3 zuständig, wenn zwischen mehreren Bundesstaaten 
Streit über die Besteuerung der beiderseitigen Staatsangehörigen entsteht 
und eine Verständigung zwischen den zuständigen Zentralinstanzen nicht 
möglich ist. Das preußische Oberverwaltungsgericht hat wiederholt den 
Standpunkt eingenommen, daß es in Fragen einer Doppelbesteuerung durch 
zwei Bundesstaaten nur darüber zu entscheiden habe, ob die Besteuerung 
in Preußen zu Recht erfolgt sei, daß es aber Sache des Bundesrats sei, 
gemäß Art. 76 Abs. 1 oder Art. 7 Ziff. 3 R.V. zu entscheiden, ob ungeachtet 
des Preußen zustehenden Steuerrechts eine Doppelbesteueruug nicht Platz 
greifen solle, und die Kollisionen zu regeln, die sich aus der Auslegung des 
Reichsges. v. 13. Mai 1870 (jetzt v. 22. März 1909 R. G. Bl. S. 332) 
zwischen zwei Bundesstaaten ergeben; so Entscheid. in Staatssteuersachen 
v. 16. März 1900 Bd. 9 S. 105, 2. Mai 1903, 28. Okt. 1902, 22. Okt. 
1902, 13. Mai 1903 Bd. 11 S. 4, 6, 11, 17 und v. 30. Sept. 1905, 
15. Febr. 1905 Bd. 12 S. 17 u. 365. Eine spezielle Behandlung findet nach 
einer Erklärung des Staatssekretärs des Innern Graf Posadowsky-Wehner 
(Reichstagssitzung v. 10. Febr. 1904 St.B. 851) in den Fällen statt, in 
denen zwischen Bundesregierungen über Fragen der Abwässerung an ge- 
meinschaftlichen Strömen Streit entsteht. Hierüber entscheidet der Bundes- 
rat, aber diejenige Bundesregierung, welche glaubt, fie sei durch eine der- 
artige technische Anlage benachteiligt, hat das Recht auf ein Gutachten 
des Reichsgesundheitsrats Bezug zu nehmen. 
b) Das Erfordernis eines Antrags. 
Während gemäß Art. 11 der Bundesakte für streitende Bundesmitglieder, 
die sich nicht auf ein Schiedsgericht einigten, die unbedingte Verpflichtung 
— und zwar für beide Teile — bestand, die Entscheidung der Bundes- 
versammlung anzurufen, ist dies nach Art. 76 R.V. in ihr freies Ermessen 
gestellt. Freilich ergibt sich ein mittelbarer Zwang dadurch, daß ihnen 
schließlich nichts anderes mehr übrig bleibt, wenn ihnen die Einigung nicht 
elingt. 
geting e) Die „Erledigung“ des Streits durch den Bundesrat. 
Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet das Wort „erledigen“ nichts 
anderes als zu Ende bringen. Dieser Umstand und die offenbar absichtliche 
Abweichung des hier gewählten Ausdrucks von der kurz vorher mitbezug 
auf den ordentlichen Rechtsweg angewendeten Bezeichnung „Entscheidung“ 
gestattet es, dem Wort „erledigt“ eine weitere Bedeutung beizumessen und 
die Entstehungsgeschichte der Bestimmung bestätigt, daß nicht nur an eine 
Entscheidung des Bundesrats, sondern mehr noch an eine Vermittelung 
des Bundesrats gedacht war, die etwa dieselbe Rolle spielt, wie im 
völkerrechtlichen Verkehr die „guten Dienste“ einer dritten unbeteiligten 
Macht, und wenn diese Vermittelung nicht zum Ziele führt, soll eine 
schiedsgerichtliche Erledigung, die der Bundesrat herbeizuführen hat, Platz 
greifen; durch den Bundeskommissar v. Savigny ist in der Sitzung des 
konst. Reichstags v. 9. April 1867 St. B. 665 und durch die Regierungs- 
Bevollmächtigten von Hessen und Hamburg im Schlußprotokoll v. 7. Febr. 
1867 (Anl. von 1867 Nr. 10 S. 23 ff.) erklärt worden, daß, wenn eine 
Entscheidung notwendig sei, vorzugsweise nicht an die Entscheidung durch 
den Bundesrat selbst, sondern an eine durch den Bundesrat eingesetzte
	        
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