II. Reichsgesetzgebung. Art. 3. 73
Wäre dieser Antrag angenommen worden, so hätte die Streitfrage im
Sinne der Entscheidung des Reichsgerichts ihre gesetzliche Regelung gefunden.
Aber der Antrag gelangte nicht zur Beschlußfaffung, weil bei der ersten
Lesung in der Kommission der Art. 86 ganz gestrichen wurde. Bei der
zweiten Lesung erhielt Art. 86, ohne daß noch zu dem früheren Antrage
Stellung genommen wurde, seine jetzige Fafsung. Diese Fassung läßt die
Frage offen, ob durch landesgesetzliche Vorschriften einer juristischen Person,
die einem andern Bundesstaate angehört, weitergehende Beschränkungen im
Erwerbe von Rechten auferlegt werden können als den juristischen Personen
gleicher Art des eigenen Bundesstaates; ebenso Planck, Bürgerliches Gesetz-
buch A. 2 zu Art. 86 des Einf.Ges.
Wie v. Jagemann S. 61 mit Recht bemerkt, sprechen auch politische
Erwägungen dagegen, die juristischen Personen ohne weiteres an dem Vor-
teile des gemeinsamen Indigenats teilnehmen zu lassen, weil stets die Gefahr
besteht, daß das Ausland sie durch Anteilsrechte beherrscht.
5. Der Erwerb und Verlust der das Indigenat
begründenden Staatsangehörigkeit.
Nach Art. 3 ist das gemeinsame Indigenat nur für die Angehörigen
der Bundesstaaten gegeben. Wer Angehöriger eines Bundesstaats ist,
bestimmt das Bundesgesetz über die Erwerbung und den Verlust der
Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 1870 BEG. S. 355. Das Gesetz gilt für
das ganze Reich.
Danach wird die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate nur be-
gründet (8 2):
1. Durch Abstammung, und zwar erwerben eheliche Kinder eines
Deutschen durch die Geburt, auch wenn sie im Auslande erfolgt, die Staats-
angehörigkeit des Vaters, uneheliche Kinder die Staatsangehörigkeit der
Mutter (8 3);
2. Durch Legitimation, jedoch nur dann, wenn es sich um ein un-
eheliches Kind handelt, dessen Vater ein Deutscher ist, während dessen Mutter
die Staatsangehörigkeit des Vaters nicht besitzt; legitimiert der Vater das
Kind gemäß §§ 1719 ff. B. G. B. so erwirbt das Kind durch die Legitimation
die Staatsangehörigkeit des Vaters (8 4); Annahme an Kindesstatt ver-
schafft die Staatsangehörigkeit mangels einer ausdrücklichen Vorschrift des
Gesetzes nicht;
3. Durch Verheiratung, und zwar dann, wenn ein Deutscher sich mit
einer Ausländerin (einer Nichtdeutschen) verheiratet (§ 5); uur die nach den
Vorschriften des B.G.B. gültige Ehe hat diese Wirkung, andererseits bewirkt
die Scheidung nicht den Verlust der Staatsangehörigkeit für die Frau.
4. Durch „Aufnahme“ (88 6, 7); es werden Angehörige anderer Bundes-
staaten auf ihren Antrag, wenn sie nachweisen, daß sie in dem Bundesstaate,
für den sie die Aufnahme nachsuchen, sich niedergelassen, d. h. sich ein Unter-
kommen nicht nur zu vorübergehendem Zwecke verschafft haben, auf Grund
einer von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigten Urkunde aufge-
nommen, sofern kein Grund vorliegt, der nach §§ 2 bis 5 des Gesetzes über
die Freizügigkeit v. 1. Nov. 1867 B.G. Bl. S. 55 die Abweisung eines Neu-
anziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthalts rechtfertigt;
diese Gründe find: ⅛