74 II. Reichsgesetzgebung. Art. 3.
a) Unterlassung des erforderlichen Nachweises, daß der Neuanziehende
die Staatsangehörigkeit irgendeines anderen Bundesstaates oder die
Landesangehörigkeit in Elsaß-Lothringen oder die den Schutzgebiets-
Angehörigen zu verleihende Reichsangehörigkeit besitzt — vgl. Gesetz
betr. die Vereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Reich v. 9. Juni
1871 (R.G.Bl. S. 212) und Schutzgebietsgesetz (R.G.Bl. 1900
S. 813) §9 — oder daß ihm, falls er in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt ist, die erforderliche Genehmigung seines gesetzlichen Ver-
treters zu der Aufnahme erteilt ist.
b) Stellung unter Polizeiaufsicht (§ 39 Str. G. B.), Bestrafung wegen
wiederholten Landstreichens und Bettelns innerhalb der letzten zwölf
Monate (8§ 361 Ziff. 3, 4 Str. G.B.).
Tc) Der von der Gemeinde zu erbringende Nachweis, daß der neu An-
ziehende nicht hinreichende Kräfte besitzt, um sich und seinen nicht
arbeitsfähigen Angehörigen den notdürftigen Lebensunterhalt zu ver-
schaffen und daß er den notdürftigen Lebensunterhalt weder aus eigenem
Vermögen bestreiten kann noch von einem dazu verpflichteten Ver-
wandten erhält; die Besorgnis vor künftiger Verarmung des An-
ziehenden berechtigt den Gemeindevorstand nicht zur Zurückweisung (8 4).
d) Die Fortsetzung des Aufenthalts kann verboten werden, wenn sich nach
dem Anzuge die Notwendigkeit einer öffentlichen Unterstützung offenbart,
bevor der neu Anziehende an dem Aufenthaltsorte einen Unterstützungs-
wohnsitz (Heimatsrecht) erworben hat, und wenn die Gemeinde nach-
weist, daß die Unterstützung aus anderen Gründen, als wegen einer
nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit notwendig geworden ist (8 5).
Liegt keiner der zu a—d genannten Umstände vor, so darf die Aufnahme
den Angehörigen anderer Bundesstaaten nicht versagt werden, und als
Bundesstaat in diesem Sinne ist auch Elsaß-Lothringen anzusehen, eben-
sowenig den Personen, die durch Niederlassung in den Schutzgebieten die
Reichsangehörigkeit erworben haben; vgl. § 7 des Staatsangehörigkeitsges.
und § 9 des Schutzgebietsges. Hierin liegt der Unterschied zu der Behand-
lung der Ausländer, denen gegenüber kein Bundesstaat zur Aufnahme ver-
pflichtet ist. Wie in den Motiven zu dem Staatsangehörigkeitsgesetze aus-
geführt ist (Anl. von 1870 Nr. 11 S. 155) widerspricht es im allgemeinen
dem Begriffe der staatlichen Selbständigkeit, das freie Ermessen des Staates
darüber einzuschränken, wenn er die Aufnahme unter seine Angehörigen
gewähren oder versagen will; von diesem Grundsatz sei jedoch den Ange-
hörigen der anderen Bundesstaaten gegenüber eine Ausnahme zu machen;
es könne dahin gestellt bleiben, ob nicht schon der Art. 8 R.V. für die
Reichsangehörigen ein unmittelbares Recht auf die Naturalisation begründet
habe; jedenfalls müsse anerkannt werden, daß es der ganzen Tendenz der
Verfassung zuwider sein würde, die Angehörigen der anderen Bundesstaaten
inbezug auf die Erwerbung der Staatsangehörigkeit noch ferner auf dem
Fuße der Ausländer zu behandeln. Auf dieser Erwägung beruhe es, wenn
im § 7 des Gesetzes vorgeschrieben sei, daß die Aufnahme den Angehörigen
eines anderen Bundesstaates bei Erfüllung der aufgestellten Bedingungen
nicht versagt werden dürfe.
5. Der letzte Grund für den Erwerb der Staatsangehörigkeit ist die
Naturalisation, die nur für Ausländer in Wetracht kommt, diesen nur ge-