II. Reichsgesetzgebung. Art. 3. 89
offentlichen Unterstützung und die Beschaffung der erforderlichen Mittel sind
landesgesetzlich geregelt (8 8).
Der Unterstützungswohnsitz wird erworben (8§ 9, 10):
a) von demjenigen, der innerhalb eines Ortsarmenverbandes nach zurück-
gelegtem sechzehnten Lebensjahr ein Jahr lang ununterbrochen seinen
gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. — Bis zur Novelle von 1908
war das achtzehnte Lebensjahr die Grenze und ein zweijähriger
Aufenthalt Voraussetzung. Die Reform, die zum Gegenstand hat,
den Erwerb eines andern Unterstützungswohnsitzes im Falle des
Wechsels des Wohnorts zu erleichtern, ist auf den Bevölkerungs-
austausch zwischen Stadt und Land zurückzuführen und soll zur Ent-
lastung der ländlichen Armenverbände dienen, die bisher zu sehr mit
Aufwendungen für junge Leute beschwert waren, deren wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit den Großstädten zugute kam, während für Fälle von
vorübergehender Arbeitsunfähigkeit dieser Personen nach dem bis-
herigen Modus die Armenverbände ihres Heimatsortes unverhältnis-
mäßig stark herangezogen wurden; vgl. Anlagen der 12. Leg.-Per.
Sefs. 1 S. 1960 Nr. 349.
Der Unterstützungswohnsitz wird ferner erworben:
a) von Ehefrauen durch die Eheschließung, und zwar teilt die Ehefrau
vom Zeitpunkt der Eheschließung ab den Unterstützungswohnsitz des
Mannes (88 15—17).
) durch Abstammung; eheliche und den ehelichen gesetzlich gleichstehende
Kinder teilen den Unterstützungswohnsitz des Vaters solange, bis sie
ihn nach Maßgabe des Gesetzes verloren oder einen anderweitigen
Unterstützungswohnsitz erworben haben (8 18); nach dem Tode des
Vaters teilen sie den Unterstützungswohnsitz der Mutter (§ 19) und
dasselbe gilt im Falle der Scheidung der Ehe, wenn der Mutter die
Erziehung der Kinder zusteht (8 20); auch uneheliche Kinder teilen
den Unterstützungswohnsitz der Mutter (§ 21).
Der Verlust des Unterstützungswohnsitzes tritt ein durch:
1. Erwerb eines anderen Unterstützungswohnitzes,
2. einjährige ununterbrochene Abwesenheit nach zurückgelegtem sechzehnten
Lebensjahre (§s 22—26). Der Lauf der einjährigen Frist ruht
während der Dauer der von einem Armenverbande gewährten öffent-
lichen Unterstützung (§ 27).
Jeder hülfsbedürftige Deutsche muß vorläufig von demjenigen Orts-
armenverbande unterstützt werden, in dessen Bezirk er sich bei dem Eintritt
der Hülfsbedürftigkeit befindet. Die vorläufige Unterstützung erfolgt vor-
behaltlich des Anspruchs auf Erstattung der Kosten bez. auf Übernahme des
Hülfsbedürftigen gegen den hierzu verpflichteten Armenverband (8 28).
Erkrankt eine Person, die an einem Orte mindestens eine Woche
hindurch gegen Lohn oder Gehalt in ein und demselben Dienst= oder Arbeits-
verhältnisse gestanden hat, während der Fortdauer dieses Dienst= oder Arbeits-
verhältnisses oder innerhalb einer Woche nach seiner Beendigung, so hat
der Ortsarmenverband des Dienst= oder Arbeitsorts die Kosten der erforder-
lichen Kur und Verpflegung für die ersten 26 Wochen nach dem Beginn
der Krankenpflege endgültig zu tragen oder, wenn die Krankenpflege von