718 Fünftes Buch. $ 261.
Das Gesinde? untersteht der Gewerbeordnung nicht®. Das
Verhältnis von Herrschaft und Gesinde ist privatrechtlicher Natur,
es bestimmt sich in erster Linie durch den zwischen beiden Teilen
abgeschlossenen Gesindevertrag. Liegt ein solcher nicht vor, so
sind die Vorschriften der Gesindeordnungen maßgebend.
In gewissen Beziehungen ist das Gesindeverhältnis Gegenstand
öffentlich rechtlicher Regelung geworden. Die Erfüllung
der Pflichten des Gesindes gegen seine Herrschaft wird vielfach als
eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse angesehen und die
Nichterfüllung ist infolgedessen mit öffentlichen Strafen bedroht”.
Das Gesinde kann zum Antritt oder zur Fortsetzung des Dienstes
durch polizeilichen Zwang angehalten werden®. Streitigkeiten
zwischen Herrschaft und Gesinde werden von den Verwaltungs-
behörden unter Vorbehalt des Rechtsweges entschieden. Den Dienst-
boten ist vielfach die Verpflichtung zur Führung von Gesindebüchern
auferlegt, die von der Polizeibehörde ausgestellt werden, bei jedem
Dienstantritt sowohl dieser als der Herrschaft vorzulegen sind, und
in welche letztere nach beendeter Dienstzeit ein Zeugnis einzu-
tragen hat?.,
Die Reichsgewerbeordnung geht von dem Grundsatze aus, daß
das Verhältnis zwischen selbständigen Gewerbetreibenden und Ge-
werbsgebilfen ein privatrechtliches ist und den Gegenstand
freier Übereinkunft bildet!°. Nichtsdestoweniger enthält sie
eine Reihe von näheren Bestimmungen über dasselbe. Diese haben
zum Teil den Charakter von Dispositivnormen, treten also nur
6 Loening, Verw.R. $ 129; Jolly, Gesindepolizei V.R.W. 1, 583;
Schoenberg, H.P.Oe.* 2, Il 464; v. d. Goltz, Landwirtschaftliches Gesinde
H.P.Oe.* 2, 138; v. Brünneck, Art, Gesinde (Recht) H.W.B.? 4, 732; Nuß-
baum, Beiträge zum Gesindepolizeirecht. Verw.Arch. 8, 835; Schickan,
Die Zuständigkeit der Polizei im Geltungsbereich der Gesindeordnung vom
1810. Verw.Arch, 15, 489. Weitere Literaturangaben auch bei: Hede-
mann, Zur Reform des Gesinderechts, D.J.Z. 11, 1 und Stier-Somlo,
Deutsche Sozialgenetzgebung 1906 $ 4°.
% E.G. z. B.G.B. Art. 95. — Ein Züchtigungsrecht steht dem Dienst-
berechtigten dem Gesinde gegenüber nicht zu. Frank XVII Absch. II 1:
Damit ist auch $ 77 der preuß. Gesindeordnung vom 8. Nov. 1810 gefallen.“ —
Nach der preuß. Verf. vom 11. Aug. 1898 bleibt es bei der Straflosigkeit bei
geringen ätlichkeiten der durch Ungebühr gereizten Herrschaft.
Preuß. G. betr. die Verletzungen der Dienstpfliehten des Gesindes vom
24. April. G. für die Provinz Hessen-Nassau vom 27. Juni 1886. Bayr.
Pol.St.G.B. Art. 106. Württ. G. vom 27. Dez. 1871 Art. 16. Ebenso in beiden
Mecklenbg , Sachs. Weimar, Meiningen, Altenburg.
® Preuß. G.O. vom 8. Nov. 1810 $8 51, 167. G.O. für die Rheinprovinz
vom 19. April 1845 5 45, 161. G.O. für Neuvorpommern und Rügen vom
11. April 1845. Bayr. Pol,St.G.B. Art. 106. Sächs. (revidierte) G.O. vom 2. Mai
1892. Ebenso in beiden Mecklenburg, Sachs. Weimar, Meiningen, Altenbg.,
Braunschweig.
‚ „?8oin Preuß,, Bayr., Sachs., Mecklenbg., Hessen u.a. In Lübeck werden
in die Dienstbücher und in Hamburg in die Dienstkarten nur der Dienstwechsel,
aber kein Zengnis eingetragen.
1% Gew.O. $ 105. Über die gewerbepolizeiliche und zivilrechtliche Be-
deutung des VII. Titels der Gew.O. vgl. insbesondere: Landm.-Rohm. 2, 2;
Neukamp, Verw.Arch. 5, 209; v. Blume, Verw.Arch. 7, 481; Lotmar, Der
Arbeitsvertrag 2 Bde. 1902, 08. — Plank, D üreerli 1 ddi
arbeitenden Klassen. DJ.Z. 14,8." „aa bürgerliche Recht und die