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Beziehung eine Modifikation gegenüber dem Zivilprozesse statt, indem
nicht bloß die Parteien im engeren Sinne, sondern auch der Ver-
treter des öffentlichen Interesses zur Antragstellung berechtigt ist.
Die Grundsätze der Untersuchungsmaxime bestehen dagegen insofern,
als der Richter den Tatbestand selbständig zu erforschen hat!”,
Der Grundsatz der Eventualmaxime ist dem Verwaltungsprozeß
selbstverständlich fremd.
Die erstinstanzliche Verhandlung beginnt mit Erhebung
der Klage (Beschwerde) bei dem Verwaltungsgericht!®. Diese wird
dem Beklagten bzw. der öffentlichen Behörde, gegen welche sie ge-
richtet ist, mitgeteilt. Bei vollständig klarer Sachlage kann ein
Vorbescheid ohne kontradiktorische Verhandlung erlassen werden,
den Beteiligten steht jedoch das Recht zu, gegen diesen Bescheid
Einspruch zu erheben und eine kontradiktorische Verhandlung zu
beantragen?°. Die Ladung der Parteien zur mündlichen Verhand-
lung erfolgt unter Androhung des Präjudizes, daß sonst nach Lage
der Verhältnisse entschieden werden würde®!. Die Beiladung dritter
Personen, deren Interesse durch die Entscheidung berührt wird, kann
entweder auf Antrag der Parteien oder von Amtswegen erfolgen ??.
Das Verfahren in der Sitzung ist dem zivilprozessualischen analog *®.
Wenn Tatsachen bestritten werden, so findet Beweisaufnahme statt.
Das verwaltungsgerichtliche Verfahren kennt kein Beweisinterlokut,
sondern nur einen Beweisbeschluß. Die Beweismittel sind die des
Zivilprozeßes. Das Gericht urteilt über das Resultat der Beweis-
aufnahme nach freiem Ermessen®*. Eine Beweislast im Sinne des
Zivilprozeßes besteht in dem verwaltungsgerichtlicl erfahren
nicht, weil der Richter selbständig die Wahrheit zu erforschen hat.
Er kann zwar den Parteien aufgeben, den Beweis für gewisse von
ihnen behauptete Tatsachen zu erbringen. Aber wenn sie dieser Ver-
pfichtung nicht nachkommen, so werden die von ihnen zu beweisen-
en Tatsachen noch nicht als unwahr angesehen. Den Abschluß
des Verfahrens bildet das Urteil, welches mit Entscheidungsgründen
versehen sein muß. Es wird in öffentlicher Sitzung publiziert und
außerdem den Parteien schriftlich zugefertigt ®®.
Hess. G. Art.6. In Bayern haben diese Grundsätze keine unbedingte Geltung.
Vgl. Seydel, Annalen 1885, S. 250.
17 Preuß. L.V.G. $ 71. Bayr. G. Art. 14, 20, 27, 36, 41. [Sächs. G. $ 25.]
Württ. G. Art. 17. Bad. Verw.Ger.G. $ 5.
18 Preuß. L.V.G. $ 68. Württ. G. Art. 24, 59. Bad. Verw.Ger.G. al
10 Preuß. L.V.G. 5 65. Württ. G. Art. 28, 29, 65. Bad. Verw.Ger.G. $ 18.
20 Preuß. L.V.G. 8$ 64, 67. Württ. G. Art. 26, 27.
®1t Preuß. L.V.G. S 68. Bayr. G. Art. 35. Württ. G. Art. 30.
22 Preuß. L.V.G. $ 70 Württ. G. Art. 34. Bad. Verw.Ger.@. 8 21.
3° Preuß. Org.G. $$ 71, 72. Bayr. G. Art, 36-838. Württ. @. Art. 32-85,
68. Bad. Verw.Ger.G. $$ 22, 27. Hess. G. Art. 8—15.
* Preuß. Org.G. $$ 66, 68, 71, 76—79. Bayr.G. $3 19—21, 27. [Sächs. G.
$ 54: Das Gericht entscheidet, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist,
nach seiner freien, aus dem ganzen Inhalte der Verhandlung und dem Er-
ebnis der Beweisaufnahme geschöpften Überzeugung.] Württ. G. Art. 86,
5, 39, 68. Bad. Verw.Ger.G. 88 23, 24, 29. \
25 Preuß, Org.G. $ 81. Bayr. G. Art. 21. [Sächs, G. $$ 56, 58.] Württ. G.
Art. 39, 42,68. Bad. Verw.Ger.&. 88 30, 31. Hess. G. Art. 12.