$ 7. Die Selbstverwaltuugskörper. 119
Staatsbehörde die Möglichkeit bestehen, durch Verhängung von
Ordnungsstrafen gegen gesetzwidrig handelnde Organe des Selbst-
verwaltungskörpers einzuschreiten und diese zu gesetzmäßigem
Handeln anzutreiben.
Die vorbeugenden Aufsichtsmittel begründen nach bestimmten
Richtungen eine Vormundschaft des Staates über die Selbst-
verwaltungskörper. Dies gilt namentlich für alle jene Fälle, in
denen ein Beschluß des Selbstverwaltungskörpers der Genehmi-
gung der Staatsbehörde bedarf: Aufnahme von Anleihen; Ver-
äußerung von Liegenschaften, die einen bestimmten Wert über-
steigen usw. Erst durch die staatliche Genehmigung kommt
ein rechtsgültiger Beschluß zustande. Dieselbe Erscheinung
liegt vor, wenn die Wahl der obersten Selbstverwaltungsbeamten?°®
oder wenn autonomische Satzungen der staatlichen Bestätigung
bedürfen.®® In allen diesen Fällen wird die körperschaftliche
Willens-- und Handlungsfähigkeit durch den übergeordneten
Staat eingeschränkt. Diese Einschränkung kann von größerem
oder geringerem Umfang sein, je nachdem die Staatsbehörde
bei der Erteilung oder Versagung der Genehmigung ihr freies
Ermessen walten lassen darf oder lediglich zu prüfen hat, ob
der Beschluß des Selbstverwaltungskörpers mit dem Rechte im
Einklang steht.°* Der genehmigte Akt bleibt ein Akt des Selbst-
v. 1906 hat das Gesetz v. 1855 aufgehoben; heute beschränkt sich der
Staat darauf, die Gemeindeorgane durch Disziplinarstrafen zur Erfüllung
ihrer Pflichten anzuhalten. — In den meisten Provinzen Preußens kann
die Gemeindevertretung durch Kgl. Verordnung aufgelöst und bis zur
Neuwahl eine Verwaltung der Gemeinde durch den Kreisausschuß an-
geordnet werden. Markull im WBd. VerwR? II 59.
62 Georg Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht, S.392. Preuß,
Städt. Amtsrecht S. 169ff. Bitter, Handwörterbuch der preuß. Ver-
waltung, Art. „Bestätigung der Kommunalbeamten‘‘, Bd. I? S. 284.
63 Wenn die staatliche Aufsichtsbehörde nach freiem Ermessen be-
finden darf, ob sie ein Ortsstatut genehmigen will, so ist insoweit ihre
Entscheidung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Kol.
Sächs. OVG. 15. April 1908 (Jahrbücher XIIS. 193 und die dort zitierten
Autoren).
54 Württemberg. Gemeindeordnung v.1906, Art.8 Absatz 3: „... Der
Bezirksrat hat das Recht und die Pflicht, den Vollzug solcher Gemeinde-
satzungen dann zu untersagen, wenn sie mit dem Gesetz in Widerspruch
stehen oder die Rechte Dritter verletzen oder das öffentliche Wohl
schädigen usw.‘ S. auch Art. 195, Absatz 2.