:6 $ 1. Verwaltung.
besitzen, freien Menschen zu befehlen und sie zur Befolgung der
Befehle zu zwingen.* Nur dem Staate wohnt heute Herrscher-
macht inne.” Der Staat kann jedoch Verbände (Gemeinden usw.),
welche öffentliche Verwaltungsgeschäfte besorgen, mit Herrscher-
macht belehnen. In Gesetzgebung und Rechtsprechung tritt der
Staat ausschließlich als Herrscher auf. Soweit er Verwaltungs-
aufgaben herrschaftlich besorgt, steht die Verwaltung hierin den
andern staatlichen Funktionen gleich.
Um die Verwaltung von den übrigen staatlichen Funktionen
durch ein positives Merkmal zu unterscheiden, hat man deshalb
bis in die neuere Zeit die Behauptung aufgestellt, zum Gebiete
der Verwaltung gehörten alle jene Angelegenheiten, die nicht nach
festen Rechtsnormen, sondern nach dem freien Ermessen der Be-
hörde zu erledigen seien. Auf diese Weise ist man dazu ge-
kommen, das ‚‚freie Ermessen‘ als Lebenselement der Verwaltung
zu bezeichnen und die Verwaltung als das direkte Gegenstück
der an das Gesetz gebundenen Justiz hinzustellen. Diese Ansicht
beruht auf Irrtum. Sie verkennt, daß in der Gegenwart — was
noch unten in $ 8 näher wird zu begründen sein — das Gesetz
nicht bloß für die vollziehende, sondern auch für die regierende
Verwaltung Schranke ist. Es gibt im Rechtsstaate nur eine
„gesetzmäßige Verwaltung‘. Soweit die Verwaltungsbehörden
an Rechtsregeln gebunden sind, stehen sie dem Gesetze nicht
anders gegenüber als die Gerichte.
Andrerseits jedoch ist auch bei sorgfältiger Regelung einer
Materie kein Gesetzgeber im stande, die Vielgestaltigkeit und den
Wechsel der Erscheinungen und Bedürfnisse in Gegenwart und
Zukunft so zu überblicken, daß er für jeden Fall eine feste Norm
bereitzustellen vermöchte. Er muß sich häufig damit begnügen,
die allgemeinen Richtlinien festzulegen, im übrigen es aber den
Verwaltungsbehörden überlassen, innerhalb dieses Rahmens das
Zweckmäßige und durch die Umstände des einzelnen Falles Ge-
botene von sich aus anzuordnen.® Das ‚freie Ermessen‘ spielt
® Gerber, Grundzügeeines Systems des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl.,
1869, S.21.Laband,StaatsrechtI5S.68.Jellinek, Allg.Staatslehre? S.427 ff.
? Abgesehen von dem Überrest alter familienrechtlicher Herrschaft,
die dem Vater gegenüber seinen Kindern verblieben ist.
8 Beispiel: Allg. Preuß. Landrecht, TeilII, Titel 17, $ 10. „Die
nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und