48 $4. Verwaltungsrecht.
Staat (oder einer anderen mit der Führung öffentlicher Verwaltung
betrauten öffentlichrechtlichen Korporation) und ihren Untertanen
(Einzelpersonen, wie Verbänden) entstehen.
Wir haben dargelegt, aus welchen historischen Gründen
es in Deutschland nicht zur Ausbildung eines geschlossenen
Systems des Verwaltungsrechtes gekommen ist. Die Normen,
nach denen die öffentliche Verwaltung lebt, gehören zu einem
Teil dem Privatrechte, zum andern dem öffentlichen Rechte an.
l. Für die Besorgung einer großen Zahl ihrer Geschäfte
bedient sich die öffentliche Verwaltung derselben zivilrecht-
lichen Mittel, die das Bürgerliche Gesetzbuch dem Privat-
manne zur Verfügung gestellt hat. Sie kann sich die für ihre
Zwecke erforderlichen Objekte, Arbeitskräfte und finanziellen
Mittel durch den Abschluß von zivilrechtlichen Kauf-, Miet-,
Dienst- und Darlehnsverträgen verschaffen.” Hier handelt sie
als gewöhnliches Privatrechtssubjekt. Der verwaltende Staat
verkehrt auf diesem Boden mit seinen Bürgern wie mit Gleich-
berechtigten. Er unterwirft sich dem Zivilrecht und dem Zivil-
gericht. Das schließt jedoch nicht aus, daß der Gesetzgeber in
vereinzelten Fällen den besonderen Bedürfnissen der öffent-
lichen Verwaltung im Rahmen des Privat-, Prozeß- und Straf-
der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 54ff. Stier-Som]o,
Die Einwirkung des bürgerlichen Rechts auf das preußisch-deutsche
Verwaltungsrecht, 1900, $ 3. Halbey, Über Begriff und Wesen des
öffentlichen Rechts (Verwaltungsarchiv IV 129). Jakob Holliger, Das
Kriterium des Gegensatzes zwischen dem öffentlichen Recht und dem
Privatrecht, Zürcher Doktordissertation, 1904. Georg Meyer-Dochow,
Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts®. $5. Kormann, Grund-
züge eines allgemeinen Teils des öffentlichen Rechts (Annalen des
Deutschen Reichs 1911 S. 850ff.; 1912, S. 36ff., 195£f.).
2 Im Gegensatze dazu behandelt das französische Verwaltungsrecht
eine Reihe von Verträgen, die zu Gunsten eines öffentlichen Verwaltungs-
zweiges abgeschlossen werden (insbesondere die „march6ds de travaux
publics‘‘) als öffentlichrechtliche Akte (contrats administratifs) und läßt
demgemäß Streitigkeiten, die daraus zwischen Verwaltung und Privat-
mann entstehen, durch Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte
beurteilen. E. Laferriere, Trait$ de la juridiction administrative,
2 €d. 1, p. 597. Fuzier-Herman, R£pertoire general alphabetique du
Droit frangais, t. XXVII, p. 222, v. ‚march6s administratifs‘“. Aucoc
Conferences sur l’administration et le droit administratif, 3 ed. (1885/86),
Il p. 304. Jeze, im Jahrbuch des öffentlichen Rechts V (1911) S. 634.