Amortisationsrecht 93
Zugrundelegung eines durchschnittlichen Besitz-
wechsels, oder ein Jahressteuerzuschlag. Bayern
erhebt alle 20 Jahre 1% des Liegenschaftswertes,
während Elsaß---Lothringen eine jähr-
liche Abgabe von 62 ½0% des Grundsteuerprinzi-
pals vorgesehen hat (Weiteres bei v. Heckel
im Wörterb. der Volkswirtschaft 1 2, 786 f, dort
auch Spezialliteratur).
52. Geschichte der Amortisationsgesetze. Wäh-
rend die römischen Kaiser für die gerade zuge-
lassene christliche Religionsgemeinschaft verschie-
dene Erwerbsprivilegien geschaffen hatten, die
dann durch die kirchliche Ggebung und Doktrin mit
dem Anspruch auf staatliche Rechtsverbindlichkeit
weiter entwickelt wurden (der Kanonist Tiraquel-
lus in seinem Tract. de privil. piae causac zählt
deren 167 auf), sahen sich schon die fränkischen
Kaiser trotz ihrer die kirchliche Vermögenssteige-
rung begünstigenden Haltung genötigt, die hilfs-
bedürftigen Angehörigen des Schenkers gegenüber
der K in Schutz zu nehmen und den Erwerbstrieb
der K zu mäßigen (capit. Carol. M. a 811 „( 5
capit. Ludov. a 816 c 7). Es bildete sich dann
gegen den ungemessenen Besitz der K, insbe-
sondere der Klöster, trotz der Klagen einiger Sy-
noden eine immer steigende Erbitterung heraus,
die sich vorerst gegen die Formlosigkeit der testa-
menta ad piam causam richtete. Vom 13. Ihd.
an findet sich sodann die Notwendigkeit der obrig-
keitlichen Bestätigung einer jeden an die K (Klöster)
gemachten Veräußerung ausgesprochen; insbe-
sondere versuchte man den — auch titulo oneroso
sich vollziehenden — Immobiliarerwerb der K zu
mindern. Die ersten bayerischen ABestimmungen
begegnen uns im Münchener Stadtrecht v. J.
1313. Um vor allem dem bedrohlichen Besitz der
Klöster zu steuern, entwickelten deutsche G den
Satz von der Erbunfähigkeit der Mönche, welche
das Erwerbsorgan der Klöster waren (Hellmann,
Das gemeine Erbrecht der Religiosen 91 ff). Aus
einem französischen Ed. v. August 1749 (Dursy,
Staatskirchenrecht in Elsaß-Lothringen I 316 f)
ersehen wir, daß auch die Notwendigkeit landes-
herrlicher Erlaubnis bei der Errichtung kirchlicher
Genossenschaften und Anstalten dem Gedanken der
A dienen muß. (Vgl. dort auch andere Gründe
für die AG.) Die geistlichen Territorien blieben
keineswegs zurück (Mainz, Würzburg u. a.). Die
Beranlassung bot hier insbesondere die Steuer-
freiheit des K Guts, bei welcher, da die K be-
sonders Jagd auf Liegenschaften machte, die über-
steuerte Bürgerschaft endlich „notwendig zu Grunde
gehen müßte“ (Fürstbischof Peter Philipp v. Würz-
burg: Sammlung der hochfürstlichen wirzb. Landes-
Verw I1 315. Aehnlich der Kurfürst Philipp Karl
v. Mainz, welcher sein AG v. 5.4. 1737 übrigens
gerade zur sittlichen Hebung der Klöster erließ, „zu
Herstellung und Zurückbringung dessen, was das
gemeine Wesen, auch wahre Beste deren Religio-
seen und Ordensständen nach dem Grundsatz zu
eigener ihrer Konservation selbsten erfordert“). Ka-
tholische wie protestantische Fürsten hielten Er-
werbsbeschränkungen der toten Hand für nötig.
Die Ursachen, welche in den einzelnen Staaten zu
den auch in den deutschen Grundrechten (a IX)
„aus Gründen des öffentlichen Wohles“ für „zu-
lässig" erklärten AE führten, waren verschieden. In
der Hauptsache aber waren es die Gründe, bald
einzeln, bald zusammen, welche in der preuß. Kab 0O
v. 1. 2. 34 als maßgebend für die Behandlung der
juristischen Personen bei Gesuchen um Genehmi-
gung eines Erwerbs bezeichnet waren: Nachteil
des öffentlichen Verkehrs, bedürfnisüberschreitende
Vermögenssteigerung, gemeinschädliche Bedin-
gungen des Erwerbs, Pflichtverletzung gegen hilfs-
bedürftige Angehörige, Kränkung der Rechte Drit-
ter. Während die modernen Verwaltungsgesetze
gewisse juristische Personen des öffentlichen Rechts
durch Kuratelnormen in der Hauptsache vor Scha-
den bewahren wollten, enthalten die AG Schutz-
bestimmungen gegen die juristischen Personen.
Nachdem schon Kreittmayr manus mortua und
corpora perpetuas sive non morientia gleich-
gestellt hatte, brachte die neuere Entwicklung
vielfach, so insbesondere in Preußen, die Gleich-
stellung der anderen juristischen Personen im
Staate mit der K, so daß sich der Begriff der
manus mortua erweiterte, nachdem er sich durch
die Ausscheidung der Geistlichen verengert hatte.
Im Sinne des Code civil und bad. LR a 337
war die tote Hand identisch mit juristischer Person
des öffentlichen Rechts (Behaghel, Das bad. bür-
gerl. Recht (2) 1 98, 302).
# 3. Grundzüge der älteren Amortisations-
gesetze. Wie die ganze Rechtsbildung des Mittel-
alters, so zeigten auch seine A. Statuten eine große
Ungleichheit, die dann durch die Ausbildung der
landesherrlichen Gewalt in etwas gemildert
wurde. Während einzelne Staaten zur gesesz-
geberischen Neuregelung schritten, galten in ande-
ren die früheren Jahrhunderten angehörigen Pro-
vinzialstatuten und Stadtrechte. Verschiedenheiten
stellten sich insbesondere in der Richtung heraus,
ob die Beschränkungen nur die katholische K
oder auch andere KGesellschaften, ob sie bloß kirch-
liche Rechtskörper, oder alle juristischen Personen,
ob sie in gleicher Weise den Regularklerus und welt-
geistliche Stiftungen betreffen. Auch waren die
Ggebungen keineswegs einig, ob Zuwendungen an
in- und ausländische Personen, ob die Vergebungen
von in- und ausländischem Vermögen gleiche Be-
handlung erfahren sollten. Nicht minder bestanden
bezüglich des Erwerbs von Immobiliar= und Mo-
biliarvermögen Verschiedenheiten, wie auch die Er-
werbungen titulo oneroso und lucrativo bald ein-
heitlich, bald verschieden geordnet waren, von De-
tailfragen, ob z. B. Prästationen für heilige Messen,
Andachtsübungen, Versorgung von Religiosen usw.
unter die eine oder andere Rubrik fallen, ganz
abgesehen. Die Erwerbserschwernisse bestanden
nach dem einen Recht ganz allgemein, nach dem
andern betrafen sie nur die Ueberschreitung einer
bestimmten Summe (summa pragmatica). Auch
waren die Rechte bezüglich der Ausnahmestellung
einzelner Anstalten, der Zulässigkeit der Dispen-
sation, der Wahl der Organe, welche die Ge-
nehmigung erteilen, der Rechtsfolgen bei Zu-
widerhandlung usw. sehr verschieden. Diese Ge-
sichtspunkte durchkreuzten sich, und dabei hatten
wir vielfach Rechte aus ganz verschiedenen Zeiten
gleichmäßig zu berücksichtigen. So gewährte das
deutsche A. Recht das Bild einer bunten Muster-
karte, welche durch die Einheitsbestrebungen der
Neuzeit unberührt geblieben war. Nach der Zu-
sammenstellung von Kahl (u. F 45), dessen Ar-
beit über „die deutschen AG.“ hier vor allem
zu vergleichen ist, bestanden keine A#G. in den
kleineren norddeutschen Staaten: Mecklenburg-