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Amtsdelikte
Ahndung eine um vieles strengere sein müsse, als
die, welche alle übrigen zu treffen habe“ (Mot,
St Ber RT 1870 III 84). Es besteht angesichts
dieser Ausführung kein Zweifel, daß auch das
RStGB bei der Kriminalbestrafung von B
„wegen Verbrechen und Vergehen im Amt“ füh-
nende Vergeltung für den verschuldeten Bruch
der allgemeinen Rechts O bezweckt. (Vgl. Mot über
Festungshaft: „als eine Strafe und hierdurch als
eine Sühne der begangenen Rechtsverletzung“
S46.) Ueber die Tendenzen dagegen, welche den
RGGeber bei der Regelung der D im RBG
leiteten, bemerkten die Reg Mot (St Ber RT 1872,
73): „Mit dem Amte sind teils spezielle Pflichten
verbunden, teils hat der B durch sein Verhalten
überhaupt sich des Amtes würdig zu erweisen und
die Standesehre zu wahren. Es ist in beiden Be-
ziehungen die besondere Aufsicht einer höheren
Autorität nötig. Die letztere hat einerseits kor-
rektive D zu üben, indem sie durch Stra-
fen, die außerhalb des Gebiets der
Kriminalitätt liegen, die entstandenen Un-
ordnungen beseitigt, andererseits epurieren-
de D, indem sie die schädlichen und unbrauchbaren
Elemente entfernt, ohne daß diese reinigende, im
Interesse des Dienstes nötige Maßregel eine
unter den kriminalistischen Ge-
sichtspunkt fallende Strafe wäre
Die Vergehen der B sind entweder gemeine, unter
das St#B fallende Delikte oder Dienstvergehen.
Die gemeinen Delikte haben, weil sie die Würde des
Amts verletzen, jedesmal auch eine disziplinare
Seite. Die Dienstvergehen sind doppelter Natur:
sie sind entweder bloße Dienstvergehen, die
nur disziplinarisch zu verfolgen sind, oder Ver-
brechen bezw. Vergehen im Amt, die zugleich unter
die Bestimmungen des St#B fallen"“. Zunächst
beleuchtet auch diese Ausführung (in ihrem Schlus-
se) die Wahrheit, daß es sich bei den vom RSt-
GB verpönten „Verbrechen und Vergehen im
Amt"“ im Wesenskern um schwere kriminalisierte
Verletzungen der internen Bienstpflicht handelt.
Trotzdem aber die Reg Mot die auf Heffters Ein-
fluß zurückgehende Unterscheidung von „korrek-
tiver“ und „epurierender“ Du übernommen haben,
hat das RBE doch nicht die anerkannten
Dötrafen nach Heffters Vorbild dem Gedanken
der Besserung bezw. Erziehung angepaßt. Die
Reg Mot leugnen selbst nur die vollständige
Wesensgleichheit der den Bruch der allgemeinen
RechtsO zur öffentlichen Sühne vergeltenden
Kriminalstrafen und der nur die schuldhafte Ver-
letzung des internen Dienstverhältnisses zwischen
Staat und B fühnend vergeltenden D Strafen,
wobei als äußerste D Strafe allerdings bei unheil-
barem Bruch des internen Dienstverhältnisses das
Ausscheiden aus dem konkreten Amt, bezw.
aus dem ganzen B erhältnis erfolgt. Immer-
hin sind auch im Sinne des RBc-# die Dötrafen
wahre Strafen, weil sie einen Akt fühnender Re-
pression gegen vollendetes Unrecht darstellen. Bei
Emanation des RBW betrachtete man es auch
— wie schon bei dem preuß. Gv. 21. 7. 52 —
als etwas Selbstverständliches, daß ganz abgesehen
von den DoStrafen und im Gegensatz dazu der
leitende Dienstvorgesetzte überhaupt noch die Be-
fugnis zu „Rügen“ — von präventivem Charakter
— besitze, und Abg. Kanngießer bemerkte selbst:
„Die Warnung, der Verweis ist eine Strafe, und
diese ist sehr wohl zu unterscheiden von der Rüge,
dem „nicht formellen Verweise“; diese Rüge ist
ein Ausfluß des Leitungsrechts jedes Vorgesetzten
und reduziert sich auf die Erinnerung des B an
Erfüllung seiner Pflicht". Von den Dötrafen des
G v. 21. 7.52 hat das RBG nur die Arrest-
strafe gegen untere B nicht ausgenommen, sonst
gliedert es auch die D Strafen in „Ordnungsstrafen“
(Warnung, Verweis, Geldstrafe, letztere ev. ver-
bunden mit Verweis) und in die ein förmliches
DVerfahren erfordernde „Entfernung aus dem
Amt“ (Strafversetzung, Dienstentlassung). Die kon-
krete Auswahl einer D Strafe soll „nach der grö-
ßeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienst-
vergehens mit besonderer Rücksicht auf die gesamte
Führung des Angeschuldigten“ erfolgen (§ 76).
Das Prinzip der Unabhängigkeit des D Verfahrens
von dem Kriminalstrafverfahren normierte das
RBG in der nämlichen Weise, wie es im G
v. 21. 7. 52 geschehen; ebenso wurde die Priorität
des Kriminalstrafverfahrens vor einem D Verfahren
wegen der nämlichen Tatsachen mit gleicher Fas-
sung, wie im G v. 21. 7. 52, sanktioniert (§ 78, 77).
#5* 3. Legaldefinition des reichsstrafrecht-
lichen Beamtenbegriffs. Der 28. Abschn. II. T.
RStGB wendet sich mit seinen Strafandrohungen,
abgesehen von einer Reihe speziell bezeichneter
Missetäter, an „B“. Ueber diesen Begriff gibt der
5*# 359 die Legaldefinition: „Unter B im Sinne
dieses Straf G sind zu verstehen alle im Dienste des
Reichs oder im unmittelbaren oder mittelbaren
Dienste eines Bundcsstaats auf Lebenszeit, auf
Zeit oder nur vorläufig angestellte Personen, ohne
Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet haben
oder nicht, ingleichen Notare, nicht aber Advokaten
und Anwälte“. Im Gegensatz zu § 331 St GB
v. 51, welcher eine Legaldefinition des BBegriffs
nur für den 28 Tit. T. II gab, gilt die Legaldefi-
nition des § 369 für das ganze RöStrB und
darüber hinaus präsumtiv für alle reichsstrafrecht-
lichen Sonderbestimmungen. Andererseits sind
gemäß den Worten „des Reichs“ bezw. „eines
Bundesstaats“ nur inländische B gemeint, wenn-
gleich es wiederum unerheblich ist, ob der B In-
länder oder Ausländer ist, und ob die Handlung im
Inlande oder im Auslande begangen ward
(54 3.1 RStE#h). Im Hinblick auf etwaige parti-
kularrechtliche Verschiedenheiten in der Auffassung
des BBegriffs spricht der § 359 definitiv aus, wel-
ches Mindestmaß von Elementen zur Konstituie-
rung des BBegriffs auf reichsstrafrechtlichem
Gebiete genüge. Im übrigen hat sich über die
Tragweite der reichsstrafrechtlichen Legaldefinition
des BBegriffs im Laufe der Zeit eine strengere
und eine mildere Interpretation gebildet. Nach
der ersteren bedeutet die „Anstellung“ im Dienste
des Reichs oder eines Bundesstaats die durch ein
publizistisches Rechtsgeschäft (Ernennung oder
Wahl) bewirkte Begründung eines öffentlich-recht-
lichen Dienstverhältnisses gegenüber dem Reich oder
Staat oder einem Staatsgliede zum Zweck der
Ausübung eines öffentlichen Amts. Die weniger
strenge Interpretation bezeichnet dagegen im
Anschluß an eine in der Rechtsprechung des
preußischen Obertribunals sich findende Formel
als im Reichs= oder Staatsdienst angestellt diejeni-
gen Personen, welche in gesetzlicher Weise berufen
sind, als Organe der Staatsgewalt (unter öffent-
licher Autorität) für Zwecke des Staats tätig zu sein