Amtsdelikte
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Untersuchung stattfinden soll bezw. auf deren höhere
Qualifizierung. Es handelt sich hier überhaupt um
einen Spezialfall der Rechtsbeugung (8 336). —
e) Vorsätzliches Vollstreckenlassen einer Strafe
durch einen B, welcher weiß, daß die Strafe über-
haupt nicht oder nicht der Art oder dem Maße
nach vollstreckt werden darf § 345 Abs 1. „Ist die
Handlung aus Fahrlässigkeit begangen“, so tritt
mildere Bestrafung ein #i 345 Abs 2. „Strafe“ um-
faßt hier wie die Kriminal-, so die Disziplinarstrafe,
auch die in Prozeß= oder Zoll- und Steuer G an-
gedrohte „O Strafe“, dagegen nicht Zwangsmaß-
regeln (vgl. 5 178G VWG), wie z. B. auch die sogen.
Exekutivstrafe. Nicht das Vollstrecken, sondern das
Vollstrecken lassen ist bedroht, doch umfaßt das
letztere auch jede Verursachung der Vollstreckung
oder das Dulden derselben, sofern sich kraft Amts
eine Verpflichtung zum Hindern ergibt. — d) 51#346:
„Ein B, welcher vermöge seines Amtes bei Aus-
übung der Strafgewalt oder bei Vollstreckung der
Strafe mitzuwirken hat ... wenn er in der Ab-
sicht, jiemand der gesetzlichen Strafe rechtswidrig
zu entziehen, die Verfolgung einer strafbaren
Handlung unterläßt oder eine Handlung begeht,
welche geeignet ist, eine Freisprechung oder eine
dem G nicht entsprechende Bestrafung zu erwirken
oder die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe
nicht betreibt.“ Strafgewalt und Strafe gehen
hier nur auf das kriminelle, nicht auf das diszi-
plinelle Gebiet. —e) Vorsätzliches Entweichenlassen
bezw. vorsätzliches Bewirken oder Befördern der
Befreiung eines Gefangenen von seiten eines B,
dem des Gefangenen Beaufsichtigung, Begleitung
oder Bewachung anvertraut ist, § 347 Abs 1. „Ist
die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert oder
erleichtert worden,“ so tritt mildere Strafe ein,
8347 Abs 2. Gefangener ist, wem von Amts wegen
die Freiheit entzogen ist; ein Anvertrautsein liegt
auch schon vor, wenn die Beaufsichtigung usw. des
Gefangenen dem B durch die Amtspflicht aufer-
legt ist, also auch bei einer durch den B selbst vor-
genommenen Verhaftung. — 9. Uigamische Trau-
ung liegt vor nach § 338, wenn ein Religionsdiener
oder Personenstands B, wissend, daß eine Person
verheiratet ist, eine neue Ehe derselben schließt.
Der Religionsdiener kam für # 338 nur insofern
in Betracht, als er die Funktionen eines Personen-
stands B zu verrichten hatte und mithin als B
gelten konnte (vgl. Mot StBer RT. 1870, 85).
Da seit dem BG der Personenstands B die Ehe
überhaupt nicht mehr „schließt“, entfällt für dessen
Geltungsbereich die Anwendung des § 338. Der
Personenstands B erscheint seitdem lediglich als
Gehilfe der Bigamie (§ 171). — 10. Der durch
Novelle v. 26. 2. 76 eingeschaltete, den „diploma-
tischen Gehorsam“" sichernde, sogen. Arnimpara=
graph (§5 353 a) bedroht a) einen B im Dienste
des auswärtigen Amts des deutschen Reichs,
welcher die Amtsverschwiegenheit (vgl. &4 11 Reichs-
Bo) dadurch verletzt, daß er ihm amtlich anver-
traute oder zugängliche Schriftstücke oder eine ihm
von seinem Vorgesetzten erteilte Anweisung oder
deren Inhalt anderen widerrechtlich mitteilt; und
b) einen mit einer auswärtigen Mission betrauten
oder bei einer solchen beschäftigten B, welcher den
ihm durch seinen Vorgesetzten amtlich erteilten
Anweifungen vorsätzlich zuwiderhandelt, oder
welcher in der Absicht, seinen Vorgesetzten in
dessen amtlichen Handlungen irre zu leiten, dem-
v. Stengel = Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl.
selben erdichtete oder entstellte Tatsachen berichtet.
Alle Handlungen nach § 353 a müssen bewußt
widerrechtlich, die Mission eine solche des deutschen
Reichs sein. — 11. Verletzung des Briefgeheim-
nisses durch einen Post B # 354 (wenn er die der
Post anvertrauten Briefe oder Pakete in anderen,
als den im G vorgesehenen Fällen eröffnet oder
unterdrückt, oder einem anderen wissentlich eine
solche Handlung gestattet oder ihm dabei wissent-
lich Hilfe leistet); sowie seitens der Telegraphen B
oder anderer mit der Beaufsichtigung und Be-
dienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden
Telegraphenanstalt betrauten Personen die De-
peschenverfälschung und die Verletzung des Tele-
raphengeheimnisses § 355. — 12. Die sogen.
Prävarihenon bedroht § 356 bei einem Advokat,
Anwalt oder anderem Rechtsbeistand, welcher bei
den ihm vermöge seiner amtlichen Eigenschaft an-
vertrauten Angelegenheiten in derselben Rechts-
sache beiden Parteien durch Rat oder Beistand
pflichtwidrig dient; unter Festsetzung einer Straf-
verschärfung, wenn der Täter im Einverständnisse
mit der Gegenpartei zum Nachteile seiner Partei
handelt. Die gualifizierte „Untreue“ gewisser
Nicht B, die aber vermöge des von ihnen versehenen
Amts eine besondere Vertrauensstellung einneh-
men, will §s 356 treffen. Pflichtwidriges Dienen
liegt vor, wenn es im entgegengesetzten Interesse
erfolgt, dagegen nicht bei wohlgemeinten, mit
beiden Teilen beratenen Vergleichsvorschlägen.
Die vorgesehene Strafverschärfung verlangt außer
dem positiven Einverständnis mit der Gegenpartei
den obiektiven Eintritt eines Nachteils, wäre er
auch nur eine vorübergehende Verschlechterung der
prozessualen Situation.
Von den Strafbestimmungen des 28. Abschn.
betreffen „eigentliche“ A die #§# 331, 332, 334
Abs 1, 336, 338, 339, 343, 344, 345, 346, 348
Abs 1 und 2 (349), 351, 352, 353, 353 a, 364,
355, 356, 357, „uneigentliche“ A dagegen die 55#
340, 341, 342, 347, 348 Abs 2 (349), 350, 354,
355, 357.
#5s# 7. Schlußbemerkungen. Als Kriminalstrafen,
welche einen B bezw. Amtsträger wegen der
„Verbrechen und Vergehen im Amt" nach Abschn.
28 treffen können, sind in Uebereinstimmung mit
dem preuß. St GB v. 1851 nur solche Uebel ge-
wählt, welche eine Einbuße an den allgemeinen
Rechtsgütern der Staatsbürger bewirken: Zucht-
haus, Gefängnis, Festungshaft (5§ 345), Geldstrafe,
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (§ 333, 350)
oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher
Aemter (5 358), Konfiskation einzelner Vermö-
genswerte (§ 335). Auf die Anwendung „eigener“
Kriminalstrafen der B hat der Rötgeber in-
sofern Verzicht geleistet (uvgl. jedoch & 81, 83, 87
bis 90, 94, 95). Dritte können als Anstifter oder
Gehilfen zwar an allen A teilnehmen, eine Mit-
täterschaft eines Dritten kann aber nur bei unei-
gentlichen A stattfinden. Bei der Bestrafung des
Mittäters, Anstifters oder Gehilfen kommt # 50
RStGB zur Anwendung. Bedeutsam für die
Frage der Verfolgbarkeit ist auch noch § 11 Ec#
zum G J Konfliktl.
Duellen: A# II 20. 8, 13 328—508; Preuß.
Gbetr. das gerichtliche und disziplinare Strafverfahren
gegen Beamte, v. 29. 3. 44 (GS 77); Preuß. V, betr. die
Dienstvergehen der Richter, v. 10. 7. 49 (GS 253); Preuß.
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