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Amtshilfe (Reich und Preußen)
Amtshilfe
A. Reich und Preußen
# 1. Begriff und Gegenstand. # 2. Grund der Unter-
stützung. J 3. Verpflichtung zur Amteêhilfe nach Reichsrecht.
4. Nach preußischem Recht. # 5. Verfahren. 1 6. Kosten.
## 1. Begriff nuud Gegenstand. Die Amtshilfe
ist die Vornahme einzelner, an sich unselbständiger
Amtshandlungen durch Gerichte oder Verwal-
tungsbehörden zur Unterstützung einer Verwal-
tungsbehörde, die die Bearbeitung der Angelegen-
heit in der Hauptsache in der Hand behält, — im
Gegensatz zur Rechtshilfe, die in der Vornahme
einzelner durch ein Gericht auf Ersuchen eines Ge-
richts oder einer Staatsanwaltschaft besteht. Zu
den Verwaltungsbehörden gehören hier auch die
Verwaltungsgerichte. [U -Rechtshilfe.]
Der Gegenstand der A., etwas vielseitiger als
der der Rechtshilfe, betrifft Beweisaufnahmen
durch Einnahme des Augenscheins oder Verneh-
mung von Zeugen oder Sachverständigen, Voll-
streckung von Freiheits= oder Vermögensstrafen,
Beitreibung anderer Geldforderungen, die Zu-
stellung von Ladungen und anderen Schriftstücken,
in einzelnen Fällen auch die Festsetzung von Stra-
fen und Anordnung von Zwangsmitteln gegen
solche Zeugen und Sachverständige, welche vor die
ersuchende Behörde geladen waren (Patent G. v.
7./4. 1891 § 32, Kais Vdg. v. 19./10. 1900 über
Geschäftsgang und Verfahren des Reichsversiche-
rungsamts, 539, Kais Vdg. v. 22./11. 1900, über das
Verfahren vor den Schiedsgerichten, §& 18), endlich
auch die Erteilung der Vollstreckungsklausel für
Entscheidungen der ersuchenden Behörde. Diese
Art der A. wird nur von dem Patentamt in An-
spruch genommen, das die Ausfertigungen seiner
Kostenfestsetzungsbeschlüsse dem Amtsgericht, in
dessen Bezirk der Schuldner wohnt, zur Erteilung
der Vollstreckungsklausel durch die Gerichtsschrei-
berei zusendet, ein Verfahren, das kaum zu ver-
stehen ist, da es nicht im Sinne des Gesetzes liegen
kann, daß eine höchste Reichsbehörde sich die Wirk-
samkeit ihrer eigenen Entscheidungen von dem Sub-
alternbeamten einer lokalen Landesbehörde be-
scheinigen lassen muß, das aber vom Reichsgericht
Entsch. 33, 423; 64, 179 nachdrücklichst gebilligt
wird und praktisch in unzweifelhafter Uebung
besteht.
5l#2. Grund der Unterstützung. Grund der Un-
terstützungsbedürftigkeit durch A. ist nicht nur der
Mangel der örtlichen Zuständigkeit oder eine tat-
sächliche Schwierigkeit der Ausführung (weite
Entfernung), sondern auch Mangel der eigenen
sachlichen Zuständigkeit, dies zeigt sich bei den Maß-
regeln gegen Zeugen und Sachverständige und der
Erteilung der Vollstreckungsklausel, aber auch im
Verfahren der Verwaltungsgerichte. Ein Urteil
oder ein Beschluß, wodurch jemandem eine Hand-
lung oder Unterlassung auferlegt wird, kann von
dem Vorsitzenden des Kreisausschusses oder des
Bezirksausschusses nach §§8 60, 132 LV aus eig-
ner Macht vollstreckt werden, dagegen müssen der
Vorsitzende des Provinzialrats oder des Oberver-
waltungsgerichts sich an den Kreisausschuß mit dem
Ersuchen um A. wenden, da ihnen die Befugnis aus
& 132 LV nicht verliehen ist. Ebenso können
.
das Reichsgericht in Patentsachen und das Bun-
desamt für das Heimatwesen keine Beweise er-
heben, sondern müssen sich an das Patentamt
bezw. an die Landesbehörden für Armenwesen
mit dem Ersuchen um A. wenden, (Vdg v. 6./12.
1891, §5 II, Unt Wohns G v. 7./6. 1908, 5 49).
Aus den vorstehenden Erwägungen und Bei-
spielen ergibt sich auch, daß die helfende Behörde
ihre volle obrigkeitliche Gewalt und alle Befehls-
und Zwangsbefugnisse in den Dienst der A. stellen
darf und muß, auch wenn die ersuchende Behörde
keine gleich weit gehende Befehlsgewalt hat und
deshalb die Handlung, nicht selber vornehmen
könnte. Andererseits erlangt die helfende Behörde
keine Fähigkeiten und Befugnisse (z. B. zur Ab-
nahme von Eiden), die sie nicht ohnehin hat.
#s# 3. VBerpflichtung nach Reichsrecht. Ueber
die Verpflichtung zur Gewährung der A.
gibt es weder nach Reichsrecht noch nach Preußi-
schem Recht allgemeine gesetzliche Vorschriften.
Die umfassendste besondere Vorschrift ist die des
RGv. 9./6. 1895 über den Beistand bei Einziehung
von Abgaben und Vollstreckung von Vermögens-
strafen, die inzwischen durch Neufassung des GK#
(20./5. 1898, 1./6. 1909), der Seemannsordnung
(2./6. 1902) und durch das RG v. 20./6. 1899 betr.
die Gebühren für die Benützung des Kaiser-Wil-
helm-Kanals § 14 leicht geändert worden ist.
Gegenstand der A. ist nach dieser Vorschrift (1) die
Erhebung und Beitreibung (1) der Zölle, der in die
Reichskasse fließenden Steuern, der Uebergangs-
abgaben, (2) der öffentlichen Abgaben für die
Bundesstaaten, für politische, Kirchen= und Schul-
gemeinden und weitere kommunale und kirchliche
Verbände, (3) sonstiger öffentlicher Abgaben, mit
Einschluß der Beiträge an öffentlich-rechtliche Ver-
bände, Genossenschaften und Anstalten, soweit diese
Abgaben oder Beiträge nach Reichs= oder Landes-
recht in derselben Weise wie die Reichs= und Staats-
steuern beigetrieben werden, (4) der durch gericht-
liche oder Verwaltungsverfahren entstehenden
Gebühren und Auslagen, auf welche das DK G
keine Anwendung findet, (5) der Gebühren für den
Kaiser-Wilhelm-Kanal, (II) die Durchführung des
Verwaltungsstrafverfahrens wegen Zuwiderhand-
lung gegen die Vorschriften über die Erhebung der
unter (1) bezeichneten Gebühren und Gefälle, (III)
Vollstreckung von Vermögensstrafen, welche durch
polizeiliche Verfügung nach Sitr PO §& 453 (Ent-
wurf von 1908 F 441) festgesetzt sind. Ueber die
Strafbescheide des Seemannsamts enthält jetzt
See MO v. 2./6. 1902 5 125 II. III selbständige
Vorschriften. Berechtigt zum Ersuchen um A. sind
die Behörden, welchen der Betrieb der Angelegen-
heiten obliegt, verpflichtet zur A. sind, soweit nicht
landesgesetzlich besonderc Bestimmungen getroffen
sind, dicienigen Behörden der anderen Bundes-
staaten, welche zu Handlungen der beantragten Art
in dem entsprechenden Geschäftskreise ihres Staa-
tes verpflichtet sind. Im Verwaltungsstrafver-
fahren sind zur eidlichen Vernehmung von Zeugen
und Sachverständigen die Amtsgerichte verpflichtet.
Daneben gibt es eine Reihe von Reichsverwal--
tungsgesetzen, in denen den neugeschaffenen Be-
hörden zugleich auch ein Anspruch auf A. gegen
andere (Gerichts= und Verwaltungs-) Behörden
verliehen wird. Die Aufzählung der jedesmal ver-
pflichteten Behörden und der von ihnen vorzu-
nehmenden Amtshandlungen wechselt beständig,