Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Ansiedlung 
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Ansiedlung 
5l 1. Begriff und allgemeine Grundsätze. #s# 2. Besondere 
Gesetzgebung in Preußen. 
1. Begriff und allgemeine Grundsiitze. 
Unter A. versteht man die Neugründung einer 
menschlichen Wohnstätte, die weder innerhalb 
einer im Zusammenhange gebauten Ortschaft 
noch im Anschluß an andere auf demselben Grund- 
stücke bereits befindliche Wohngebäude belegen ist. 
Mehrere im Zusammenhange liegende A. bilden 
eine Kolonie. Die rechtliche und wirtschaft- 
liche Gestaltung des A.Wesens wird mannig- 
fach berührt durch die allgemein-gesetzlichen Vor- 
schriften über Freizügigkeit und Niederlassungs- 
befugnis, über die Zerteilung von Grundstücken 
und über das Liegenschaftsrecht im allgemeinen. 
Im übrigen liegt die Einrichtung einer A. oder 
Kolonie an sich innerhalb der privatrechtlichen 
Verfügungsbefugnis des Grundeigentümers, die 
indessen hier mehrfach eingeschränkt ist, teils durch 
die Bau Pol Ggebung, teils durch besondere im 
öffentlichen Interesse und im Interesse der an- 
liegenden Gemeinden getroffene Bestimmungen. 
Die Bau Pol O erfordern durchgängig bei der Neu- 
anlage von Ortschaften die zuvorige Feststellung 
eines Bebauungsplans [U Baupolizeil, der 
alsdann maßgebend bleibt. Einzel A. unterliegen 
den gewöhnlichen baupolizeilichen Vorschriften; in 
Württemberg und Hessen kann aber aus feuer= und 
sicherheitspolizeilichen Gründen die Errichtung von 
Gebäuden außerhalb des geschlossenen Wohn- 
bezirkes oder des Ortsbauplans nach freiem Er- 
messen der Behörde überhaupt untersagt werden 
(württ. „neue allgemeine BauL“ v. 6. 10. 72 — 
württ. Reg Bl 305 — a 32; hess. G, die allge- 
meine BauO betr., v. 30. 4. 81 — hess. Reg Bl 71 
— à 38, vgl. auch a 18), ebenso in Braunschweig 
(BauO v. 8. 9. 76 F 29) und Schwarzburg- 
Rudolstadt (G v. 11. 12. 75); in Baden außer- 
dem wenn sitten-, gefundheits- oder verkehrspo- 
lizeiliche Interessen gefährdet erscheinen, wenn 
eine Verunstaltung des Landschaftsbildes oder 
eine Beeinträchtigung bedeutungsvoller, Baudenk- 
mäler zu befürchten ist oder wenn der Bau 
der Fortführung des Ortsbauplans Hindernisse 
bereitet (Ortsstraßen G v. 15. 10. 08 § 12). Die 
A. tritt in denjenigen Gemeindeverband ein, in 
deren Bezirke sie angelegt wird. Im rechtsrheini- 
schen Bayern, wo gesonderte Markungen existie- 
ren, die überhaupt keinem Gemeindeverband an- 
gehören, werden bleibende Niederlassungen, die 
innerhalb dieser Markungen errichtet werden, durch 
das Min Inn einer der nächst gelegenen Gemein- 
den zugeteilt (Gem O v. 29. 4. 69 — bayer. GBl. 
866 — a 3), sofern hieraus nicht eine besondere 
Gemeinde gebildet wird. 
+# 2. Besondere Gesetzgebung in Preußen. 
Eine speziellere gesetzliche Regelung hat das A.= 
Wesen nur in Preußen erfahren, und zwar für die 
alten Provinzen (ausschließlich Rheinland und 
Hohenzollern) neuerdings durch G v. 10. 8. 04, 
für Hannover, Schleswig-Holstein und Hessen- 
Nassau durch die im wesentlichen gleichartigen G 
v. 4. 7. 87, 13. 6. 88, 11. 6. 90 und das Ergän- 
zungs G v. 16. 8. 99, während für Lauenburg schon 
  
  
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 
  
vorher das G v. 4. 11. 74 erlassen war, das dann 
nur durch § 148 Zust G abgeändert ist. 
I. Nach dem Gesetz vom 10. August 1901, 
das einen Unterschied zwischen Einzel A. und 
Kolonie nicht mehr kennt, bedarf es in 
den alten Provinzen zur Errichtung 
jeder A. der vorgängigen Genehmigung des 
Kreisausschusses, in Stadtkreisen der Orts Pol- 
Behörde. Für A., die durch Rentengutsbildung 
unter Vermittelung der Generalkommission ent- 
stehen, ist diese die Genehmigungsbehörde. Vor 
Erteilung der Genehmigung darf die polizei- 
liche Bauerlaubnis nicht ausgehändigt werden. 
Die A.Genebmigung ist auch erforderlich, wenn 
infolge oder zum Zwecke der Umwandlung eines 
Landguts oder eines Teiles eines solchen in meh- 
rere ländliche Stellen innerhalb einer im Zu- 
sammenhange gebauten Ortschaft oder eines be- 
hördlich festgestellten Bebauungsplans oder im 
Zusammenhange mit anderen bereits bewohnten 
Gebäuden ein Wohnhaus errichtet oder ein vor- 
handenes Gebäude zum Wohnhaus eingerichtet 
werden soll. Die Genehmigung zur A. muß 
versagt werden, wenn nicht nachgewiesen ist, daß 
der zu gründende Wohnplatz durch einen jederzeit 
offenen und, von Ausnahmefällen abgesehen, 
auch fahrbaren Weg zugänglich oder daß die Be- 
schaffung eines solchen Weges gesichert ist. In 
Moorgegenden ist sie auch zu versagen, so lange die 
Entwässerung des Bodens nicht geregelt ist. In 
den Provinzen Ost= und Westpreußen, Posen und 
Schlesien sowie in den RegBezirken Frankfurt, 
Stettin, Köslin darf ferner im deutsch-nationalen 
Interesse keine A. genehmigt werden, so lange 
nicht eine Bescheinigung des Reg Präsidenten bei- 
gebracht wird, daß die A. mit den Zielen 
des G, betr. die Beförderung deutscher A. usw., 
v. 26. 4. 86 (vgl. den folgenden Art.) nicht im 
Widerspruche steht. Gegen die Versagung der Be- 
scheinigung findet nur die Beschwerde an den 
Oberpräsidenten statt. Die A. Genehmigung 
kann versagt werden, wenn von dem Gemeinde- 
(Guts-)Vorsteher des Bezirkes, zu welchem das zu 
besiedelnde Grundstück gehört, oder von dem 
Eigentümer, Pächter oder Nutzungsberechtigten 
eines benachbarten Grundstücks oder von dem Vor- 
steher eines benachbarten Gemeinde-(Guts-)Be- 
zirkes der A. widersprochen und glaubhaft gemacht 
wird, daß die A. den Schutz der Nutzungen benach- 
barter Grundstücke aus dem Feld= oder Garten- 
bau, der Forstwirtschaft, Jagd oder Fischerei ge- 
fährden würde. Sie kann ferner wegen Ge- 
fährdung wichtiger bergbaulicher Interessen ver- 
sagt werden; in diesem Falle hat jedoch der Berg- 
werksbesitzer, der Einspruch erhoben hat, den 
Grundeigentümer zu entschädigen. Behufs An- 
bringung von Einsprüchen wird der Antrag auf 
Errichtung einer A. den beteiligten Gemeinde- 
(Guts-)Vorstehern mitgeteilt und von diesen in 
ortsüblicher Weise bekannt gemacht. Geht Berg- 
bau unter dem zu besiedelnden Grundstück oder in 
dessen Nähe um, so ist von dem Antrag auch der 
Bergrevierbeamte in Kenntnis zu setzen, der den 
beteiligten Bergwerksbesitzern eine Mitteilung von 
dem Antrage zuzustellen hat. 
Vor Erteilung der A.Genehmigung hat die Ge- 
nehmigungsbehörde zu prüfen, ob infolge der A. 
eine Aenderung oder NeuO der Gemeinde--, 
Kirchen= oder Schulverhältnisse erforderlich wird, 
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