–— — — — — — —
136
Ansiedlungen (Posen und Westpreußen)
leicht die Neigung, ihr Handwerk zu vernach-
lässigen, die Stelle durch Zupachtung von Land
zu vergrößern und dann ausschließlich von der
Landwirtschaft zu leben. Auch die Begebung von
Arbeiterstellen (unter 2 ha) ist wegen des hohen
Gebäudekapitals vielfach auf Schwierigkeiten ge-
stoßen. Seit 1901 ist daher die AK dazu überge-
gangen, Arbeiterstellen auf Staatskosten einzu-
richten und vermögenslosen deutschen Landarbei-
tern gegen ortsüblichen Zins zur Nutzung zu über-
lassen. Auch Restgüter von Großbetriebsumfang
(über 120 ha) sind früher wiederholt ausgelegt
worden. Man kam hiervon aber zurück, weil die
Erfahrung lehrte, daß der Eigentümer leicht seine
Lebenshaltung auf zu großem Fuße einrichtete
und dann zu Grunde ging. Neuerdings macht sich
aber wieder eine lebhafte Bewegung für die Aus-
legung größerer Restgüter geltend.
Große Schwierigkeiten macht die Gebäude-
frage, d. h. die angemessene Verwertung der
auf dem aufzuteilenden Gute vorhandenen und
die Beschaffung neuer Gebäude für die einzelnen
Stellen. Was die ersteren betrifft, so werden die
geräumigeren jetzt vorzugsweise für öffentliche
Zwecke (Schul= und Pfarrhäuser, Bethäuser) oder
für gemeinnützige Anstalten (Diakonissenheim,
Waisenanstalt, Predigerseminar, Siechenanstalt,
Konfirmandenanstalt, Trinkerheilanstalt, land wirt-
schaftliche Winterschule, ländliche Frauenschule
u. dgl. m.) verwendet; die übrigen werden, soweit
nicht wegen ihres schlechten baulichen Zustandes
ihr Abbruch vorzuzichen ist, durch Um-= und Aus-
bau dem zukünftigen Kleinbetriebe angepaßt. In
neuerer Zeit überläßt die AK die Herstellung der
neuen Gebäude den Ar selbst und beschränkt sich
darauf, durch Prüfung der Entwürfe und Beschaf-
sung von Materialien eine überwachende und für-
sorgende Tätigkeit auszuüben. Die Baumatecria-
lien (Ziegel- und Dachsteine, Bauhölzer, Funda-
mentsteine, Baukalk) stellt sie entweder in eigenen
Betrieben her oder bezieht sie im großen und gibt
sie zum Selbstkostenpreise an die Ar ab. — Die
Pachthöfe und Krüge baut die AkK selbst auf,
ebenso die Kirchen, Pfarrgehöfte, Schulgehöfte,
Gemeindehäuser und Arbeiterhäuser, hin und
wieder auch noch einzelne Bauernhöfe, um vor-
bildlich zu wirken. Den aus den verschiedensten
Gegenden Deutschlands und des Auslands ent-
stammenden Siedlern bleibt es überlassen, die
Höfe nach der heimischen Gewohnheit einzurich-
ten. Die Kosten der Bauten stellen sich im
Durchschnitt bei Stellen von 5—10 ha Größe auf
700—500 M. für 1 ha (5500 des Landanrechnungs-
wertes); bei Stellen von 10—20 ha auf 500—400
Mark (4000), bei Stellen von 20—50 ha auf 400
bis 250 M. (3000). Ein Gehöft für Arbeiter und
Handwerkerstellen kostet etwa 2700—3300 M.
Im ganzen sind in den A. bis Ende 1909 vom
Staate und von den Ar zusammen errichtet: 43
Kirchen, 29 Bethäuser, 47 Pfarrgehöfte, 385
Schulgehöfte, 438 Gebäude für Gemeindezwecke.
Ueber die Anzahl der errichteten nichtöffentlichen
Gebäude liegen zuverlässige Angaben nicht vor.
Im ganzen sind für die öffentlichen Gebäude
11 235 850 Mark verwendet worden.
Dränagen sind bis Ende 1909 auf 280 Gütern
ha ausgeführt worden mit einem Kostenaufwande
von 8 590 022 M. (173 M. für 1 ha). Außerdem
waren zu dieser Zeit noch auf 9 Gütern mit einer
Gesamtfläche von 4142 ha Dränagen für 937 ha
mit einem Kostenaufwande von 183 000 M. teils
in der Ausführung teils in der Vorbereitung dazu
begriffen. An Moorkulturen sind bis Ende 1909
4067 ha ausgeführt worden, sonstige Wiesenmelio-
rationen 280 ha; die Gesamtkosten hierfür betru-
gen 2 286 900 M. (für 1 ha Moorkultur zwischen
100 und 800 M., für 1 ha sonstiger Wiesenmeclio-
rationen zwischen 100 und 250 M.).
6# 6. Beschaffung der Ausiedler. Während in
der ersten Zeit des Bestehens der AK für die Ge-
winnung von Ar nur wenig geschah, wird seit
Mitte der 1890er Jahre eine ausgedehnte Propa-
ganda in allen Herkunftsgebieten der Ar entfaltet
und zwar sowohl durch eine Inanspruchnahme der
Presse — so wird z. B. der Wochenschrift „Kleine
Dorfzeitung"“ und auch anderen ländlichen Z eine
monatliche Beilage „Neues Bauernland“ beige-
fügt, die Mitteilungen und Bek der An z. B. über
die ausgelegten Güter enthält — als auch durch
die Veranstaltung von Vorträgen über die A. und
durch die Bestellung von Vertrauensmännern als
Auskunftspersonen. Aus allen Gegenden Deutsch-
lands sind von jeher zahlreiche Bewerbungen um
Ar Stellen bei der An eingegangen, zum Teil
auch aus dem Ausland; in der letzten Zeit hat der
Zuzug aus dem Auslande zugenommen, insbe-
sondere sind zahlreiche deutsche Rückwanderer aus
Rußland zu verzeichnen. Die Anzahl der A.Gesuche
ist von Jahr zu Jahr gestiegen und hat in der letzten
Zeit durchschnittlich zwischen 6 und 7000 jährlich
betragen. Diese Zahl gibt aber insofern kein zu-
treffendes Bild, als manche Bewerber sich zu-
nächst nicht an die Zentralstelle, sondern an bereits
angesetzte Kolonisten oder an die Gutsverwalter
wenden, und von diesen mündlich Auskunft er-
halten.
Wer sich um eine Stelle bemüht, erhält einen
Fragebogen zur Ausfüllung, durch den er seine
persönlichen und Vermögensverhältnisse klar zu
legen hat. Entsprechen die Angaben, die von der
Heimatsbehörde als richtig zu bescheinigen sind,
den von der Asl gestellten Anforderungen, ist der
Bewerber insbesondere unbescholten und der
Landwirtschaft ausreichend kundig und im Besitz
eines Vermögens, das in der Regel mindestens
½— ⅜ des Anrechnungswertes der Stelle oder
von der Rente abgeleitet, das 14fache der festge-
setzten Rente betragen soll, so wird entweder mit
ihm sofort ein Vorvertrag über den Erwerb einer
bestimmten Stelle abgeschlossen, oder er wird in
besonderen Listen „notiert“ für den Fall, daß die
seinen Wünschen entsprechende Stelle aus einem
Gute, für das der, Besiedlungsplan bearbeitet wird,
zum Verkaufe fertig und bercit gestellt ist. Mit den
geeigneten Bewerbern werden demnächst end-
gültige Rentenguts-, Pacht= oder Mietverträge
geschlossen. Wieviel Bewerber aus den einzelnen
Provinzen und aus nicht-preußischen Ländern
Ar Stellen erhalten haben, ergibt nachstehende
Zusammenstellung (siche nächste Seite).
Es sind somit bis Ende 1909 16 529 Ar erträge
abgeschlossen und genehmigt. Davon sind 13 461
Rentenguts- und 3068 Pachtverträge. Außerdem
.. .. sind 522 Mietverträge geschlossen, sodaß die Ge-
mit einer Gesamtfläche von 152 166 ha für 49 600
samtzahl der genehmigten Verträge 17 051 be-
trägt. Von den sämtlichen bisher angesetzten
16 529 Renten- und Pacht Ar stammen aus den