Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

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Ansiedlungen (Posen und Westpreußen) 
  
  
leicht die Neigung, ihr Handwerk zu vernach- 
lässigen, die Stelle durch Zupachtung von Land 
zu vergrößern und dann ausschließlich von der 
Landwirtschaft zu leben. Auch die Begebung von 
Arbeiterstellen (unter 2 ha) ist wegen des hohen 
Gebäudekapitals vielfach auf Schwierigkeiten ge- 
stoßen. Seit 1901 ist daher die AK dazu überge- 
gangen, Arbeiterstellen auf Staatskosten einzu- 
richten und vermögenslosen deutschen Landarbei- 
tern gegen ortsüblichen Zins zur Nutzung zu über- 
lassen. Auch Restgüter von Großbetriebsumfang 
(über 120 ha) sind früher wiederholt ausgelegt 
worden. Man kam hiervon aber zurück, weil die 
Erfahrung lehrte, daß der Eigentümer leicht seine 
Lebenshaltung auf zu großem Fuße einrichtete 
und dann zu Grunde ging. Neuerdings macht sich 
aber wieder eine lebhafte Bewegung für die Aus- 
legung größerer Restgüter geltend. 
Große Schwierigkeiten macht die Gebäude- 
frage, d. h. die angemessene Verwertung der 
auf dem aufzuteilenden Gute vorhandenen und 
die Beschaffung neuer Gebäude für die einzelnen 
Stellen. Was die ersteren betrifft, so werden die 
geräumigeren jetzt vorzugsweise für öffentliche 
Zwecke (Schul= und Pfarrhäuser, Bethäuser) oder 
für gemeinnützige Anstalten (Diakonissenheim, 
Waisenanstalt, Predigerseminar, Siechenanstalt, 
Konfirmandenanstalt, Trinkerheilanstalt, land wirt- 
schaftliche Winterschule, ländliche Frauenschule 
u. dgl. m.) verwendet; die übrigen werden, soweit 
nicht wegen ihres schlechten baulichen Zustandes 
ihr Abbruch vorzuzichen ist, durch Um-= und Aus- 
bau dem zukünftigen Kleinbetriebe angepaßt. In 
neuerer Zeit überläßt die AK die Herstellung der 
neuen Gebäude den Ar selbst und beschränkt sich 
darauf, durch Prüfung der Entwürfe und Beschaf- 
sung von Materialien eine überwachende und für- 
sorgende Tätigkeit auszuüben. Die Baumatecria- 
lien (Ziegel- und Dachsteine, Bauhölzer, Funda- 
mentsteine, Baukalk) stellt sie entweder in eigenen 
Betrieben her oder bezieht sie im großen und gibt 
sie zum Selbstkostenpreise an die Ar ab. — Die 
Pachthöfe und Krüge baut die AkK selbst auf, 
ebenso die Kirchen, Pfarrgehöfte, Schulgehöfte, 
Gemeindehäuser und Arbeiterhäuser, hin und 
wieder auch noch einzelne Bauernhöfe, um vor- 
bildlich zu wirken. Den aus den verschiedensten 
Gegenden Deutschlands und des Auslands ent- 
stammenden Siedlern bleibt es überlassen, die 
Höfe nach der heimischen Gewohnheit einzurich- 
ten. Die Kosten der Bauten stellen sich im 
Durchschnitt bei Stellen von 5—10 ha Größe auf 
700—500 M. für 1 ha (5500 des Landanrechnungs- 
wertes); bei Stellen von 10—20 ha auf 500—400 
Mark (4000), bei Stellen von 20—50 ha auf 400 
bis 250 M. (3000). Ein Gehöft für Arbeiter und 
Handwerkerstellen kostet etwa 2700—3300 M. 
Im ganzen sind in den A. bis Ende 1909 vom 
Staate und von den Ar zusammen errichtet: 43 
Kirchen, 29 Bethäuser, 47 Pfarrgehöfte, 385 
Schulgehöfte, 438 Gebäude für Gemeindezwecke. 
Ueber die Anzahl der errichteten nichtöffentlichen 
Gebäude liegen zuverlässige Angaben nicht vor. 
Im ganzen sind für die öffentlichen Gebäude 
11 235 850 Mark verwendet worden. 
Dränagen sind bis Ende 1909 auf 280 Gütern 
ha ausgeführt worden mit einem Kostenaufwande 
von 8 590 022 M. (173 M. für 1 ha). Außerdem 
  
waren zu dieser Zeit noch auf 9 Gütern mit einer 
Gesamtfläche von 4142 ha Dränagen für 937 ha 
mit einem Kostenaufwande von 183 000 M. teils 
in der Ausführung teils in der Vorbereitung dazu 
begriffen. An Moorkulturen sind bis Ende 1909 
4067 ha ausgeführt worden, sonstige Wiesenmelio- 
rationen 280 ha; die Gesamtkosten hierfür betru- 
gen 2 286 900 M. (für 1 ha Moorkultur zwischen 
100 und 800 M., für 1 ha sonstiger Wiesenmeclio- 
rationen zwischen 100 und 250 M.). 
6# 6. Beschaffung der Ausiedler. Während in 
der ersten Zeit des Bestehens der AK für die Ge- 
winnung von Ar nur wenig geschah, wird seit 
Mitte der 1890er Jahre eine ausgedehnte Propa- 
ganda in allen Herkunftsgebieten der Ar entfaltet 
und zwar sowohl durch eine Inanspruchnahme der 
Presse — so wird z. B. der Wochenschrift „Kleine 
Dorfzeitung"“ und auch anderen ländlichen Z eine 
monatliche Beilage „Neues Bauernland“ beige- 
fügt, die Mitteilungen und Bek der An z. B. über 
die ausgelegten Güter enthält — als auch durch 
die Veranstaltung von Vorträgen über die A. und 
durch die Bestellung von Vertrauensmännern als 
Auskunftspersonen. Aus allen Gegenden Deutsch- 
lands sind von jeher zahlreiche Bewerbungen um 
Ar Stellen bei der An eingegangen, zum Teil 
auch aus dem Ausland; in der letzten Zeit hat der 
Zuzug aus dem Auslande zugenommen, insbe- 
sondere sind zahlreiche deutsche Rückwanderer aus 
Rußland zu verzeichnen. Die Anzahl der A.Gesuche 
ist von Jahr zu Jahr gestiegen und hat in der letzten 
Zeit durchschnittlich zwischen 6 und 7000 jährlich 
betragen. Diese Zahl gibt aber insofern kein zu- 
  
  
treffendes Bild, als manche Bewerber sich zu- 
nächst nicht an die Zentralstelle, sondern an bereits 
angesetzte Kolonisten oder an die Gutsverwalter 
wenden, und von diesen mündlich Auskunft er- 
halten. 
Wer sich um eine Stelle bemüht, erhält einen 
Fragebogen zur Ausfüllung, durch den er seine 
persönlichen und Vermögensverhältnisse klar zu 
legen hat. Entsprechen die Angaben, die von der 
Heimatsbehörde als richtig zu bescheinigen sind, 
den von der Asl gestellten Anforderungen, ist der 
Bewerber insbesondere unbescholten und der 
Landwirtschaft ausreichend kundig und im Besitz 
eines Vermögens, das in der Regel mindestens 
½— ⅜ des Anrechnungswertes der Stelle oder 
von der Rente abgeleitet, das 14fache der festge- 
setzten Rente betragen soll, so wird entweder mit 
ihm sofort ein Vorvertrag über den Erwerb einer 
bestimmten Stelle abgeschlossen, oder er wird in 
besonderen Listen „notiert“ für den Fall, daß die 
seinen Wünschen entsprechende Stelle aus einem 
Gute, für das der, Besiedlungsplan bearbeitet wird, 
zum Verkaufe fertig und bercit gestellt ist. Mit den 
geeigneten Bewerbern werden demnächst end- 
gültige Rentenguts-, Pacht= oder Mietverträge 
geschlossen. Wieviel Bewerber aus den einzelnen 
Provinzen und aus nicht-preußischen Ländern 
Ar Stellen erhalten haben, ergibt nachstehende 
Zusammenstellung (siche nächste Seite). 
Es sind somit bis Ende 1909 16 529 Ar erträge 
abgeschlossen und genehmigt. Davon sind 13 461 
Rentenguts- und 3068 Pachtverträge. Außerdem 
.. .. sind 522 Mietverträge geschlossen, sodaß die Ge- 
mit einer Gesamtfläche von 152 166 ha für 49 600 
samtzahl der genehmigten Verträge 17 051 be- 
trägt. Von den sämtlichen bisher angesetzten 
16 529 Renten- und Pacht Ar stammen aus den
	        
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