Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
6 Abgaben 
  
sondern um StErhebung in der besonderen Form 
des Monopols [Monopoll. 
Die öffentlich-rechtlichen Einnahmen zerfallen — 
abgesehen von den unter außerordentlichen Verhält- 
nissen sich ergebenden, der laufenden Finanzver- 
waltung fremden Einnahmen (insbesondere Kriegs- 
entschädigungen) — in zwei Gruppen: 1. Lei- 
stungen von Staats= und Kommunal-= 
verbänden aneinander, 2. Abgaben. 
Auf staatsrechtlichen Verhältnissen beruhende 
Leistungen von Staat an Staat, von Staat an 
Kommunalverbände und umgekehrt sind alten Ur- 
sprungs. Was insbesondere die Leistungen von 
Staat zu Staat betrifft, so kommen nicht bloß die 
älteren Tribute und Subsidien in Betracht, sondern 
auch einzelne bis in die Neuzeit fortdauernde Lei- 
stungen solcher Art, welche in besonderen Staats- 
verträgen begründet sind. Als Beispiel sei die im 
bayerischen Budget vorgetragene „Kontiguitätsent- 
schädigung von der Krone Oesterreich“ erwähnt, 
welche (im Betrag von 100 000 fl. österr. Währung, 
nach dem bayer. Budget, Entwurf für 1910/11: 
148 738 Mk. 85 Pf.) geleistet wird wegen Abstand- 
nahme Bayerns von der durch den Wiener Frieden 
von 1809 zugestanden gewesenen Abrundung des 
Gebietes. Zuwendungen aus Staatsmitteln an 
Kommunalverbände (Provinzial-= und Kreisdota- 
tionen, Subventionen an Gemeinden) [XDota- 
tionenj finden sich allenthalben in den deutschen 
Budgets und vereinzelt auch umgekehrt Leistungen 
seitens der Kommunalverbände als solcher (nicht 
um des Besitzes steuerpflichtiger Objekte willen) 
an den Staat. Eine hervorragende Bedeutung 
aber hat die in Frage stehende Gattung der 
staatsrechtlichen Einnahmen durch die Entwicklung 
des Reichshaushalts und der Staatshaushalte in 
Deutschland gewonnen. Matrikularbei- 
träge einerseits und Ueberweisungen 
von Reichs St Erträgnissen an die Einzelstaaten 
andererseits sind wesentliche Faktoren des öffent- 
lichen Haushalts in Deutschland geworden. Ur- 
sprünglich nur als vorübergehender Notbehelf ge- 
dacht, sind die Matrikularbeiträgze durch 
die neue Fassung des a 70 der R (Gv. 14. 5.04) 
ebenso eine Dauerinstitution des Reichs geworden, 
wie die Ueberweisungen, die zunächst 
nur tatsächlich in Verbindung mit der Zoll= und 
StGesetzgebung von 1879 (clausula Franckenstein) 
eingeführt waren, durch das erwähnte Gesetz 
aber zur verfassungsmäßigen Einrichtung des 
Reichs erhoben sind; allerdings gleichzeitig unter 
Beschneidung der gröbsten Auswüchse, welche die 
Uebertreibung des Ueberweisungsprinzips in Ge- 
stalt der zwecklosen Hin= und Herschiebung von 
Hunderten von Millionen Mark zwischen Reich 
und Bundesstaaten herbeigeführt hatte. So lange 
die Ueberweisungen höher waren als die Matri- 
kularbeiträge — eine Zeit die allerdings wohl seit 
1899 auf Nimmerwiederkehr vorüber ist — bil- 
deten dieselben tatsächlich für den einzelstaatlichen 
Haushalt abgeleitetes St Einkommen; sie erschie- 
nen deshalb mit Recht bei den Einnahmen aus St 
in den Budgets von Bayern, Sachsen, Württem- 
berg, Hessen und Elsaß-Lothringen, obwohl sie 
einzelstaatliche St nicht waren. Heute bilden die 
Ueberweisungen nur auf dem Papier eine einzel- 
staatliche Einnahme mit dem Charakter abgelei- 
teten St Einkommens, tatsächlich ist diese ganze 
Einnahme durch die höheren Matrikularbeiträge 
  
mehr als aufgesogen. Die Matrikularbeiträge sind 
für das Reich nicht in gleichem Maße abgeleitetes 
St Einkommen, da die Hilfsquellen der Einzel- 
staaten nicht auf St beschränkt sind. Die Ma- 
trikularbeiträge sind deshalb trotz der Zwangsbe- 
fugnisse des Reichs zu deren Erhebung keineswegs 
St, sondern eine von diesen getrennt zu haltende 
besondere staatsrechtliche Einnahme, welche man. 
mit einem privatwirtschaftlichen Bilde als Sozie- 
tätsbeiträge bezeichnen mag. 
Unter Abgaben versteht man die 
Gesamtheit der zur Bestreitung 
des öffentlichen Aufwandes kraft 
der Finanzhoheit von der Bevöl- 
kerung erhobenen Geldbeiträge. 
Der besonderen Hervorhebung des subsidiären 
Charakters der A., d. h. der Voraussetzung der 
Unzureichendheit der privatwirtschaftlichen Ein- 
nahmen, bedarf es bei der Begriffsbestimmung 
nicht. Theoretisch ist dies nicht nötig, weil ver- 
nünftigerweise bei voller Deckung des öffentlichen 
Bedarfs durch privatwirtschaftliche Einnahmen kein 
Anlaß zur Belästigung der Bevölkerung mit A. 
gegeben ist, und praktisch erscheint es nicht geboten, 
weil eine A., die in solchem Falle gleichwohl er- 
hoben würde, doch nicht aufhören würde, eine 
solche zu sein, noch weniger aber darum, weil heute 
der Fall der Zureichendheit der privatwirtschaft- 
lichen Einnahmen überhaupt nicht mehr (abge- 
sehen von ganz vereinzelten Kommunalwirtschaften) 
vorliegt. 
Die „Bevölkerung" wird zweckmäßig als abgaben- 
pflichtig bei der verwaltungsrechtlichen Begriffs- 
bestimmung bezeichnet, weil in der Tat sie — in 
ihren verschiedenen Erscheinungsformen — es ist, an 
welche die Finanzhoheit mit der Anforderung der 
StZahlung herantritt. Finanzwissenschaftlich mag 
man die Einzelwirtschaften als abgabenpflichtig be- 
trachten; denn sie sind es, welche zuletzt den aus 
den A.Leistungen erwachsenden Verlust tragen 
müssen. Aber die zunächst zur A.Entrichtung Ver- 
pflichteten sind keineswegs gerade die Einzelwirt- 
schaften des Staates; es kann vielmehr jeder aus 
der Bevölkerung — der rechtlichen wie der fak- 
tischen — und zwar in der Regel als Einzelpflich- 
tiger, ausnahmsweise als Kollektivpflichtiger (bei 
der A. Pflicht von Körperschaften aller Art) dazu 
berufen sein. 
#6. Gebühren, Beiträge und Stenern. Die kraft 
der Finanzhoheit ergehende Anforderung zur Zah- 
lung von Geldbeiträgen behufs Bestreitung des 
öffentlichen Aufwands kann im besonderen oder 
im allgemeinen erfolgen. Die wichtigste Gruppe 
der besonderen A. sind die Gebüh- 
ren, d. h. A., welche aus Anlaß spe- 
zieller Inanspruchnahme öffent- 
licher Organe oder Anstalten zu 
zahlen sind. Ob dem Beteiligten hieraus ein 
persönlicher Nutzen erwächst oder nicht, kommt 
nicht in Betracht. Die neuere Finanzwissenschaft 
hält den Begriff der Gebühren allgemein fest; 
doch bestehen über die Grenzbestimmung gegen- 
über den sonstigen Einnahmearten verschieden- 
artige Auffassungen. Auch verwaltungsrechtlich 
empfiehlt sich die Ausscheidung der Gebühren von 
den St, wenn auch in der Praxis zu einer selb- 
ständigen Behandlung der Einnahmen aus Ge- 
bühren noch wenig Neigung vorhanden ist. Nur 
im bayerischen Etat sind sie mit Stempel A. zu-
	        
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