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Armenwesen
und über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzten
Pflegefälle. Bei seinen Entsch geht das BA davon
aus, daß der Aufenthalt oder die Abwesenheit,
welche für Erwerb und Verlust maßgebend sind,
zur Zeit des Inkrafttretens der Novelle noch be-
standen habe, da sonst die Rechtswirkung des G
unter Umständen an Tatsachen geknüpft sein würde,
welche bei seinem Geltungsbeginn überhaupt nicht
mehr vorhanden, vielmehr vorher schon ganz be-
seitigt waren. Eine derartige Rückwirkung könnte
aber nur dann angenommen werden, wenn be-
sondere Umstände dazu nötigten, eine dahin ge-
richtete Absicht des Ggebers vorauszusetzen, was
nicht der Fall sei und wogegen auch die praktischen
Folgen sprechen, welche bei solcher Anwendung
des G sich ergeben würden. — Praktisch
wichtig ist die Frage namentlich im Hinblick auf die
zahlreichen Fälle, in denen es sich um fortdauernd
Unterstützte handelt, und in denen in der Tat eine
große Zahl von A## zunächst den Versuch machte,
die ALast mit der Begründung von sich auf einen
andern A# abzuwälzen, daß dieser verpflichtet sein
würde, wenn die Novelle schon früher in Kraft getre-
ten wäre. Die Dauer dieser U kann sich selbstverständ-
lich noch weit ins neue Jahrhundert hinaus fort-
setzen; man denke z. B. an einen Geisteskranken,
der etwa im Jahre 1893 als 21jähriger Mensch in
eine Irrenanstalt gekommen ist und dort 70—80
Jahre alt wird, also noch 1950 am Leben sein kann.
In solchen Fällen trifft die aus dem Zusammen-
hang sich eigentlich von selbst ergebende, aber vom
B besonders ausdrücklich festgestellte Voraus-
setzung zu, daß bestehende Verhältnisse unberührt
bleiben, insoweit das fragliche Rechtsverhältnis
einmal unter der Herrschaft des alten G begonnen
und bis über den 1. 4. hinaus fortgedauert hat.
Hieraus folgt namentlich, daß bei allen am 1.4. 94
laufenden UFällen eine Aenderung des UW auf
Grund der neuen Bestimmungen vor der Beendi-
gung des Pflegefalles überhaupt nicht cintreten
kann, daß mithin bezüglich aller dieser Pflegefälle
und der daraus entstehenden Ansprüche der AV
das frühere Recht ausschließlich zur Anwendung
kommt. Dieselben rechtlichen Gesichtspunkte kom-
men für die durch die Novelle von 1908 geschaffenen
Veränderungen in Betracht.
Der OA## muß als solcher in seinen Grenzen
während des Fristenlaufs nicht verändert sein. Da
die in früheren einzelstaatlichen Systemen erfor-
derten Qualifikationen des Aufenthalts, wie Steuer-
zahlung, Erwerb des Bürgerrechts, des zivil-
rechtlichen W, polizeiliche Anmeldung, der Besitz
eigener Wohnung usw. in Fortfall gekommen sind,
so ist lediglich der gewöhnliche, tatsächlich
fortgesetzte Aufenthalt entscheidend. Die Fest-
stellung ist im einzelnen Falle nicht immer ganz
leicht, namentlich bei zeitweiliger Abwesenheit in-
folge der Berufstätigkeit. Jedenfalls kommt es
weder auf die ursprüngliche Absicht dauernden Ver-
weilens, noch auf die Befugnis hierzu an, so daß
selbst polizeilich ausgewiesene Personen, wenn sie
unbemerkt zurückkehren und die gesetzliche Frist ver-
weilen, den UW durch Aufenthalt erwerben (E.
11 3, 19 17).
Infolge der Berehelichung teilt die Ehefrau
den UW des Mannes (7 15); sie erwirbt ihn nicht,
sondern teilt ihn dergestalt, daß auch der Ver-
lust des UW bei bestehender Ehe sie mitbetrifft.
Witwen und geschiedene Frauen be-
halten denjenigen UW, den der Ehemann z. Z.
des Todes bezw. der Scheidung besaß, und gelten
von diesem Zeitpunkt an als selbständig in
Ansehung des Erwerbes und Verlustes. Sie setzen
daher den UW des Mannes nicht fort, so daß auch
eine von diesem begonnene Erwerbsfrist nicht
weiterläuft. Besaß damals der Ehemann einen
U#W, so wird dieser behalten; besaß er ihn nicht,
so läuft für die nun selbständig gewordene Frau
die neue Erwerbsfrist aus § 10, sofern sie dessen
Voraussetzungen im übrigen erfüllt. Als selb-
ständig in Beziehung auf Erwerb und Verlust
des UW gilt auch die Ehefrau während der-
Dauer der Ehe, wenn und so lange der Ehemann
sie böslich verlassen hat, sowie wenn und
so lange sie während der Dauer einer Haft oder
infolge seiner ausdrücklichen Einwilligung
oder kraft landesgesetzlicher Befug-
nis vom Ehemanne getrennt lebt und
ohne dessen Beihilfe ihre Ernährung findet (5 17).
Beispiele: Aufenthalt des Mannes in einer Irren-
anstalt, Unkenntnis seines Aufenthaltes. (E. 15 16;
1641). Im übrigen muß die Trennung eine, wenn
auch nicht lebenslängliche, doch auf absehbare Zeit
dauernde sein. Wesentlich ist das Moment der Er-
nährung ohne Beihilfe seitens des Man-
nes; Beihilfen von privater Seite oder ganz
ungenügende Zuwendungen des Mannes kom-
men nicht in Betracht.
In neuerer Zeit hat das BA den Begriff der
befugten Trennung der Ehefrau von dem Ehe-
mann mehr eingeschränkt. Hervorzuheben ist na-
mentlich der Fall, daß der Mann die Frau ver-
lassen hat und sie tatsächlich von ihm getrennt lebt,
jedoch keine Bemühungen gemacht hat, seinen
Aufenthalt zu erfahren (E. 28 45); ebenso im Falle
angeblicher Verschollenheit (E. 37 23); ferner:
eine ehebrecherische Frau, der gegenüber der Ehe-
mann in dem Ehescheidungsverfahren bei Gelegen-
heit des Sühneversuchs ausdrücklich erklärt hatte,
daß er sie nie wieder bei sich aufnehmen werde,
gilt in armenrechtlicher Bezichung dennoch als
ohne Befugnis getrennt lebend, da die vorher aus-
geführte Trennung ohne Willen des Ehemannes
geschehen war (E. 28 44).
Dagegen wird die Befugnis zum Getrenntleben
anerkannt in Fällen, in denen der Mann durch
ehebrecherischen Umgang der Frau ein Recht zum
Antrag auf Scheidung gegeben hatte (E. 36 25) oder
wo die Forderung der Rückkehr der Frau infolge
dieses Lebenswandcls sich als ein Mißbrauch des
Rechts dargestellt hatte, die Herstellung der ehe-
lichen Gemeinschaft zu fordern (E. 35 36). Die
Frage, ob eine bösliche Verlassung vorliegt, ist
seit dem Inkrafttreten des BE# lediglich aus
&1567 zu beurteilen. Die Frau, der der Aufent-
halt des Mannes bekannt ist, kann diesen zur Her-
steluung der häuslichen Gemeinschaft auffordern
und lebt nicht befugt getrennt, wenn sie dies
unterläßt (E. 35 34; 39 11).
Abstammung. Eheliche, den ehelichen gleich-
stehende und uneheliche Kinder teilen den
U des Vaters bezw. der Mutter, im Falle des
Todes oder der Scheidung denjenigen der über-
lebenden, geschiedenen, getrennt lebenden Mutter,
sofern ihr das Erzichungsrecht zusteht bezw. sofern
die Kinder dem Haushalte der Mutter gefolgt sind
(5s 18—20). Sie behalten diesen UW so lange,
bis sie ihn nach Maßgabe der allgemeinen Vor-