Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Armenwesen 
  
wonach die Ausweisung nicht früher erfolgen darf, 
als bis die Annahmeerklärung seitens des in An- 
spruch genommenen A# oder wenigstens eine vor- 
läufig vollstreckbare Entsch vorliegt. — Im übrigen 
ist auch hier für die praktische Handhabung zu be- 
merken, daß der Begriff einer nicht bloß vor- 
übergehenden Hilfsbedürftigkeit 
(65 F) ebenfalls kein ganz feststehender und die 
Frage, was unter „besonderen Härten und Nach- 
teilen“ zu verstehen ist, nicht ganz zweifelsfrei ist. — 
In Ansehung des Begriffs der dauernden Be- 
dürftigkeit ist hervorzuheben, daß durchweg das 
Vorhandensein einer gegen wärtigen, durch 
Mittel der öffentlichen Afflege zu behe- 
benden Bedürftigkeit vorausgesetzt wird, dagegen 
die Bedürftigkeit als solche, wenn ihr aus nicht 
öffentlichen Mitteln gesteuert wird oder wenn das 
Versiegen der Erwerbsfähigkeit, der privaten Hilfe 
usw. erst später, wenn auch mit Sicherheit, zu er- 
warten steht, keinen Ausweisungsgrund bildet. 
(E. 5 96; 15 105; 17 107 u. a. m.). Dagegen wird 
nicht notwendig eine auf Lebenszeit dauernde Be- 
dürftigkeit gefordert; es genügt, daß in absehbarer 
Zeit sich ein Ende dieses Zustandes nicht erwarten 
und auch, daß bei kurze Zeit unterbrochener U 
die Notwendigkeit des Wiedereintretens der öffent- 
lichen APpflege sich mit Bestimmtheit voraussehen 
läßt. (E. 5 94; 8 124, 125; 9 116; 13 107; 
18 97 u. a. m. swegen der Angehörigen s. ebenfalls 
u dl). Uebernahme, bezw. Ueberführung müssen 
setostverständlich ausdrücklich verlangt und zulässig 
sein. Zur Vermeidung von Schaden für den ver- 
pflichteten A# erklärt & 32 Abs 3 den vorläufig 
unterstützenden AV des Erstattungsanspruches für 
die Folgezeit bezw. für den betr. Zeitraum ver- 
lustig, sofern die Ueberführung durch seine Schuld 
unterbleibt oder verzögert wird. Die Kosten der 
Ueberführung bezw. des Transportes trägt der 
übernahmepflichtige Verband (§ 32 Abs 3, 558).— 
Zu den Kosten des Transports gehören auch die 
Kosten eines Begleiters (E. 32 141). Wegen der 
Frage, was unter schuldhafter Verzögerung zu 
verstehen vgl. E. 26 135; 29 105; 32 112; 36 113. 
Der Ueberführungsantrag muß den Erfordernissen 
der §§ 31, 32 in vollem Umfange entsprechen; 
er darf keine Einschränkung enthalten, muß vor- 
behaltlos sein und auf dem unzweideutigen An- 
erkenntnis der dauernden Hilfsbedürftigkeit der 
zu übernehmenden Person und der aus diesem 
Zustande sich ergebenden Pflicht zur Uebernahme 
beruhen. E. 24 166. 
4. Armenrechtliche Familienge- 
meinschaft. Der Zusammenhang der Ange- 
hörigen mit dem Familienhaupt wirkt so unbedingt, 
daß auch ein neu geschaffenes Verhältnis, wie die 
Wiederverehelichung einer Witwe mit Kindern 
dazu führt, daß diese sämtlich den UW des Mannes 
bezw. Stiefvaters teilen, weil die Ehefrau diesen 
UW durch Verehelichung, die Kinder aber den 
der Mutter durch Abstammung erwerben. Gegen- 
über den sich hieraus naturgemäß ergebenden 
Widersprüchen zwischen der rechtlichen Fa- 
milieneinheit und der tatsächlichen Fami- 
lientrennung im einzelnen Falle hatte das BM 
Grundsätze über die sogen. armenrechtliche 
Familiengemeinschaft aufgestellt (RZ- 
Bl 1883 S 83), an denen es bis zur Gegenwart im 
wesentlichen festgehalten hat. (Vgl. E 10, 139; 
16, 143; 18, 98; 20, 128; 28, 86; 27, 179; 
  
  
dagegen: 19, 168; 20, 187 u. a. m.) Aus den 
Grundsätzen sei als wichtig hervorgehoben: Die 
U, welche einem landarmen Familien- 
haupte gewährt wird, bestimmt, solange sie 
andauert, den fürsorgepflichtigen L#A# für alle 
Familienmitglieder, wenngleich diese in einem 
anderen LAb hilfsbedürftig werden. Die Ueber- 
nahme der Familienglieder kann nicht ohne die 
des Familienhauptes verlangt werden, falls auch 
letzteres sich im Bezirk des vorläufig unterstützenden 
A# befindet. — Nur in Ansehung der von ihrem 
Ehemann gemäß 5 17 befugt getrennt lebenden 
Ehefrau und der bei ihr lebenden Kinder hat das 
Blseine frühere Meinung ausdrücklich aufgegeben 
und die armenrechtliche Selbständigkeit bieser 
Familienangehörigen anerkannt. (Vgl. E 26, 31; 
27, 67; 39, 117.) 
5. Beihilfen an unvermögende 
OA#. Während die oben erwähnte Beihilfe an 
unvermögende A# auf Grund des 5 59 eine armen- 
rechtliche Verpflichtung auch in dem Sinne dar- 
stellt, daß unter den dortigen Voraussetzungen der 
betr. Bundesstaat direkt passiv legitimiert ist, bleibt 
die im Interesse guter APPflege und gerechter 
Lastenverteilung wünschenswerte Anordnung von 
Beihilfe an OAu# der Landes Ggebung überlassen 
(5 8); doch wird durch ihre Gewährung in den. 
armenrechtlichen Verpflichtungen nach außen hin 
nichts geändert, so daß der im übrigen durch UW 
verpflichtete OAu dem dritten A# gegenüber 
allein passiv legitimiert ist. Beihilfen sind in 
direkter und indirekter Weise möglich, di rekt 
durch Gewährung barer Zuschüsse, in direkt 
durch Uebernahme einzelner ApPflegefälle 
oder ganzer Kategorien der Armenpflege auf 
eigene Kosten. Beiden Möglichkeiten ist in den 
Landes G Rechnung getragen, jedoch mit dem 
Unterschiede, daß die direkte Beihilfe in allen 
Staaten obligatorisch, die indirekte fast 
durchweg fakultativ ist; auch ist die erstere 
durchweg den LAV auferlegt, während die letztere 
auch anderen Verbänden freigestellt ist. — Die 
Beihilfe durch Zuschüsse wird durchweg an 
die Voraussetzung des Unvermögens ge- 
knüpft; doch findet sich nur für Birkenfeld — 
à 9f — ein Maßstab hierfür angegeben, welcher 
in derartiger Höhe der APPflegekosten besteht, daß 
diese 300 der Gesamtsteuer sämtlicher zum A- 
distrikt gehörenden Gemeinden übersteigen. In 
den übrigen Gebietsteilen — Preußen 7 36, 
Württemberg a 26, S.--Weimar #7v, 
Oldenburg ##2u. a. m. — ist lediglich die Vor- 
aussetzung des aus den Umständen festzustellenden 
Unvermögens gefordert, über deren Vor- 
handensein die höheren VerwBehörden (Preußen: 
Provinzialrat, Württemberg: Min Inn. usw.) zu 
entscheiden haben, falls der grundsätzlich in das 
Ermessen des LAu## gestellte Betrag der Beihilfe 
dem O# nicht genügt oder sie überhaupt ab- 
gelehnt wird. — Die Uebernahmee in ei- 
gene Fürsorge ist in Ansehung der Gebrech- 
lichenpflege (Geisteskranke, Blinde, Taub- 
stumme, Sieche, Epileptische) den LAV durchweg 
gestattet, in einigen Gebietsteilen (Anhalt 5 23 
wegen aller genannten Kategorien, Olden- 
burg a 85 desgl., Birkenfeld a 9 Geisteskranke, 
Unterricht taubstummer und blinder Kinder, Frstt. 
Lübeck a 74 desgl., sofern Anstaltspflege erforder- 
lich ist) vorgeschrieben; auch ist eine derartige Ueber- 
 
	        
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