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Armenwesen
Das Bundesamt für das Heimat-
wesen (§§8 42—52) ist eine ständige, aus min-
destens 4 Mitgliedern und 1 Vorsitzenden bestehende
Behörde mit dem Sitz in Berlin, dessen Mitglieder
auf Lebenszeit ernannt werden und deren Vor-
sitzender und mindestens die Hälfte der Mitglieder
zum höheren Richteramt gqualifiziert sein müssen.
Die Berufung muß binnen 14tägiger Prä-
klusiofrist von der Behändigung der Vorentsch
an gerechnet bei dem BA schriftlich ange-
meldet werden. Die Entsch, bei welcher min-
destens 3 Mitglieder — 1 mit richterlicher Quali-
fikation — mitzuwirken haben, erfolgt gebühren-
frei in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Anhörung
der Parteien, nötigenfalls nach vorgängigem Be-
weisverfahren. Das Erkenntnis wird schrift-
lich mit Gründen durch Vermittelung der Vor-
instanz den Parteien zugestellt. Weitere Rechts-
mittel sind dagegen nicht zulässig; selbst die Re-
stitution wegen Auffindung neuer Beweismittel
ist ausgeschlossen. (Vgl. E. 14 123.) — Das Nähere
über die Ordnung des Geschäfts ganges ist in
dem Regl v. 6. 1. 73 festgesetzt (R.Z Bl 73, 4 ff.).
c) Ordnungdes Verfahrens. Wo das A-
Streitverfahren einen der Gegenstände der allge-
meinen Verwerichtsbarkeit bildet, sind die Bestim-
mungen über die geschäftliche und prozessuale Be-
handlung aller Verw Streitsachen maßgebend. Wo
dies nicht der Fall, ist in den betr. AG das Verfahren
geordnet, welches durchweg ein summarisches, auf
Anhörung beider Teile gegründetes ist und dessen
Ergebnis der freien Würdigung unterliegt. Von
reichsgesetzlichen Bestimmungen ist hervorzuheben,
daß jeder vorläufig unterstützende OAV zur
vollständigen Vernehmung des Unterstütz-
ten über seine H., Familien- und Aufenthaltsver-
hältnisse und zur Anmeldung seines An-
spruchs (s. oben zu b 2) verpflichtet ist; Nichtant-
wort seitens des in Anspruch genommenen A#
binnen 14 Tagen gilt der Ablehnung gleich (§8# 34,
35). Diese Bestimmungen sind mit Ausnahme der
Anmeldepflicht nur instruktionell; doch kann die
unterlassene oder die ungenügende Vernehmung
sehr leicht die materielle Folge haben, daß der nicht
genügend bewiesene Anspruch verloren geht. Durch
§6I 39 ist den Spruchbehörden die Befugnis gewährt,
den Beweis in vollem Umfange auch durch Unter-
suchungen an Ort und Stelle und eidliche Verneh-
mung von Zeugen und Sachverständigen zu er-
heben; für die Entsch ist vorgeschrieben, daß sie
durch schriftlichen, mit Gründen versehenen
Bescheid erfolgen muß, in welchem eine etwaige
Verpflichtung zur Uebernahme ausdrücklich auszu-
sprechen ist (§ 40). — Eine Besonderheit bildet
in einigen Staaten das Sühneverfahren,
das entweder auf Anrufen beider Teile er-
folgt (Preußen #s 60, Anhalt, Schaumburg) oder
von Amtswegen eintreten kann (Braunschweig,
Reuß ä. L.) oder muß (S. Kob.-Gotha § 35,
beide Schwarzburg). Praktisch wird in Preu-
ßen sehr selten davon Gebrauch gemacht.
d) Kosten, Stempel und Gebüh-
ren. Das Verfahren ist durchweg von Stempel
und zum Teil auch von gerichtlichen Kosten frei;
wo, wie in Preußen (1 106 d. Gv. 30. 7. 88);
Württemberg (G v. 16. 12. 76 a 40, 41 u. a.)
letztere erhoben werden, kommt ein Pauschauan-
tum zum Ansatz, welches einen gewissen Höchst-
betrag für jede Instanz nicht überschreiten darf.
Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten (des
Sachwalters) und anderer Auslagen liegt nach allen
Landes G der besiegten Partei ob, wobei die reichs-
gesetzliche Vorschrift (§ 59) wegen Erstattung durch
den betr. Bundesstaat oder dessen Organe bei nach-
gewiesenem Unvermögen des A## zu beachten ist.
e) Vollstreckung. Die Vollstreckung findet
auf Grund eines Anerkenntnisses und
einer endgültigen Entsch statt: doch ist auch
die erstinstanzliche Entsch sofort voll-
streckbar, falls nicht noch das Verfahren betr. den
Versuch einer Einigung schwebt (5§8 53, 57). Die
Vollstreckung liegt der in erster Instanz zuständigen
Behörde des verpflichteten A#V ob und ist von
dieser nach den allgemeinen Grundsätzen betr. das
Verw Zwangsverfahren durchzufüh-
ren; auch entscheidet sie endgültig im Falle der
Ausweisung über die etwaige Notwendigkeit und
die Art eines Transportes (§ 58).
2.n
n Susmeecn
89. J. Im allgemeinen.
Das bayer. Mecht beruht auf dem Gesetz
über Heimat, Verehelichung und Auf-
enthalt v. 16. 4. 68 und dem G über
die öffentl. A und Krankenpflege
v. 29. 4. 69, ergänzt durch die Novel-
len v. 23. 2. 72, 3. 2. 88 und 17. 6. 96. (Das G
ist in seiner neuen Fassung durch Ministerialbek.
v. 30. 7. 99 /GVBl 489) veröffentlicht. Einige
Aenderungen auch durch AG zum BGB a 1860.)
In dem ersten finden sich die Vorschriften über die
armenrechtliche Zugehörigkeit (H), in letzterem die
über die Organe der APflege sowie über den In-
halt der armenrechtlichen Verpflichtung. Im Ge-
gensatz zu dem Prinzip des UW wird die bayer.
Ggebung durch das Prinzip der H beherrscht, wel-
cher jedes Individuum nach bestimmten Maßgaben
zugehören bezw. zugewiesen werden muß und
deren Verlust nur durch Erwerb einer anderen
H eintreten kann. Doch ist die Absicht, in der H
eine Gesamtheit persönlicher, jedes Individuum
mit einer Gemeinde verbindender Beziehungen zu
schaffen und nun unter anderem auch an sie den
UAnspruch anzuschließen, durch die neuere Ent-
wicklung des Reichsgedankens, namentlich die
durch das Reichsindigenat und das Freizügig-
keitsgesetz v. 1. 11. 1867 (FGG) gewährleistete
Aufenthaltsfreiheit erheblich durchkreuzt und
der Inhalt der H im wesentlichen auf das zurück-
geführt, was im übrigen Reichsgebiet der UW ist;
sie ist m. a. W. ein Merkmal, nach welchem sich die
öffentlich-rechtliche Verpflichtung der H zur AFür-
sorge im einzelnen Falle bemißt, ohne daß dem
HBerechtigten selbst ein klagbarer Anspruch gegen
die HGemeinde zuerkannt wird. Auch im übrigen
sind die Verschiedenheiten des reichsrechtlichen und
des bayer. Systems geringere, als im allgemeinen
angenommen zu werden pflegt. Fast genau über-
einstimmend sind die Vorschriften über die vor-
läufige Fürsorge, über Art und Maß der U, über
Erstattungsansprüche und Atrcitverfahren. Diese
oben (§ 2) dargelegten Umstände, die im Geltungs-
gebiete des UWG zu einer noch stärkeren Los-
lösung des Individuums von der Abzugsgemeinde
drängten, übten auch in Bayern ihre Wirkung;
dort wurden die Klagen über lange dauernde Be-