Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Armenwesen 
  
bezw. des Deutschen Reiches standen die Ange- 
hörigen jedes Bundesstaates dem anderen als Aus- 
länder gegenüber, die ohne weiteres aus dem 
fremden Staate ausgewiesen werden konnten. 
Von dieser Befugnis wurde ein vielfach sowohl für 
die Staaten selbst wie für die betroffenen Personen 
sehr lästiger Gebrauch gemacht. Um daher einer- 
seits die Staaten gegen die ohne ihr Zutun be- 
wirkte Abschiebung, sowie die Einwohner gegen 
willkürliche Störungen ihrer wirtschaftlichen Exi- 
stenz möglichst sicher zu stellen, wurden zwischen 
einigen Staaten Vereinbarungen getroffen, die 
nach dem Orte ihres Abschlusses unter dem Namen 
der Gothaer und Eisenacher Konvention bekannt 
sind. Ersterer (festgestellt bezw. ergänzt durch die 
Schlußprotokolle v. 16. 7. 51, 25. 7. 54, 29. 7. 58) 
sind sämtliche vormalige Bundesstaaten mit Aus- 
nahme von Oesterreich, Holstein, Lauenburg und 
Lichtenstein, letzterer (v. 11. 7. 53) sämtliche ein- 
schließlich Oesterreich beigetreten. Gegenwärtig 
sind beide für die zum Geltungsgebiet des UW 
gehörigen Staaten aufgehoben (K 1 d. G und 
gelten daher nur noch im Verhältnis der Bundes- 
staaten zu Bayern und zu Elsaß--Loth- 
ringen) für Els.-Lothr. jedoch modifiziert durch 
die zuvor (5 10) genannten Abkommen mit Baden, 
Hessen, Württemberg und Preußen, und, soweit 
die Eisenacher Konvention in Betracht kommt, zu 
Oesterreich. (§5 7 FG, wozu für Bayern Schluß- 
Prot v. 23. 11. 70 Nr. III, für Els.-Lothr. Rö 
v. 8. 3. 71 zu vergleichen). — Die wesentlichsten 
Bestimmungen der Gothaer Konvention sind: 
1. Jeder der beteiligten Staaten ist zur Ueber- 
nahme ausgewiesener Personen verpflichtet: 
a) sofern sie noch fortdauernd seine Angehörigen 
sind, b) sofern sie ihm angehörig gewesen sind, 
jedoch die Angehörigkeit verloren haben, ohne 
gleichzeitig dieienige zu einem anderen Staate er- 
worben zu haben, c) mangels der Voraussetzungen 
zu a) und b), sofern der Auszuweisende o#) nach 
zurückgelegtem 21. Lebensjahre zuletzt 5 Jahre 
hindurch in seinem Gebiet sich aufgehalten, pP) sich 
verheiratet und nach der Eheschließung mit seiner 
Ehefrau mindestens 6 Wochen in seinem Gebiet 
eine Wohnung gehabt, 7J) in seinem Gebiet ge- 
boren ist, 2) mangels jeder dieser Voraussetzungen 
muß der Aufenthaltsstaat die betr. Person be- 
halten. Ehefrauen und Kinder folgen ihrem Ehe- 
gatten und Eltern in ähnlicher Weise, wie gemäß 
UW. — Die Zuführung darf ohne Zustimmung 
der betr. Staatsbehörde nicht erfolgen, außer, 
wenn der Rückkehrende sich im Besitze eines von 
der Behörde seines Wohnortes ausgestellten Pas- 
ses befindet, seit dessen Ausstellung noch nicht 
1 Jahr verstrichen, oder wenn der Ausgewiesene 
nicht wohl anders als durch das Gebiet eines frem- 
den Staates dem Uebernahmepflichtigen zuge- 
führt werden kann. — Die Regelung der vor- 
läufigen Fürsorgepflicht war durch die Eise- 
nacher Konvention, jedoch nur in Ansehung er- 
krankter Personen erfolgt, wonach diese von 
dem Aufenthaltsstaate nach denselben Grundsätzen 
wie seine eigenen Untertanen und zwar bis zu dem 
Zeitpunkte zu verpflegen sein sollten, wo die 
Uebernahme ohne Nachteil für ihre oder anderer 
Gesundheit erfolgen konnte; ein Ersatz der hier- 
1) Vgl. oben zu 3 (z 10). Sceit 1. 4. 10 kommt nur noch 
Bayern in Betracht. 
  
durch oder durch die Beerdigung erwachsenen 
Kosten sollte gegen öffentliche Kassen nicht bean- 
sprucht werden dürfen. — Hierzu tritt § 7 Abs 12 
J#, wonach ganz allgemein jeder Staat zur vor- 
läufigen AFürsorge nach den in seinem Gebiet 
geltenden Grundsätzen verpflichtet sein und ein 
Ersatzanspruch nur insoweit stattfinden soll, als die 
Fürsorge für den Auszuweisenden nicht länger 
als 3 Monate gedauert hat. — Die Korrespondenz 
ist nicht durch die A##selbst, sondern durch die be- 
teiligten Regierungen zu führen. Die Frage der 
H oder des UW wird durch die Konvention nicht 
berührt; dies zu regeln ist vielmehr innere An- 
gelegenheit der übernehmenden Staaten. 
Es besteht der Zweifel, ob für das Verhältnis 
des Geltungsgebiets des UW G zu Bayern (früher 
auch Elsaß-Lothringen) lediglich die G. und E. K. 
maßgebend sind, oder ob das für ganz Deutschland 
geltende FG# auch auf die armenrechtlichen Ver- 
hältnisse ausschlaggebend zurückwirkt. Die Frage 
ist wiederholt, namentlich aus Anlaß der Novelle 
v. 94 Gegenstand der Erörterungen geworden. 
Kelch (derzeitiger Präsident des Ba) vertritt in 
seinem Kommentar und ebenso Olshausen 
in der Schrift: „Die Fürsorge für Ausländer“ im 
Gegensatz zu Eger und Krech die Auffassung, 
daß jeder Bayer und Elsaß-Lothringer auf Grund 
des G über den Erwerb der Bundes- und Staats- 
angehörigkeit und des FG in der Lage sei, nach 
Maßgabe des UW in dessen Geltungsgebiet den 
U zu erwerben, während umgekehrt ein diesem 
Geltungsgebiet angehöriger Deutscher die H in 
Bayern nur nach dortigem Recht erwerben könne 
(und die armenrechtliche Angehörigkeit in Elsaß- 
Lothr. überhaupt nicht von ihm erworben werden 
könne, da es dort keine gesetzliche öffentliche A- 
Pflege gäbe). Der Auffassung der anderen Kom- 
mentatoren, daß im Verhältnis zu Bayern (und 
Els.-Lothr.) lediglich die Konvention Geltung habe, 
entsprächen allerdings § 69 des preuß. A, sowie 
die AG der meisten übrigen Bundesstaaten, welche 
ausdrücklich bemerken, daß unter einem deutschen 
A# im Sinne des UW nur solche zu verstehen 
seien, welche dem Geltungsgebiet dieses G an- 
gehörten; auch könne man sich für die entgegen- 
gesetzte Meinung nicht auf #& 64 berufen, da hier 
nicht dieses Verhältnis als solches, sondern nur 
die Verteilung der ALast für die Dauer der ge- 
duldeten Anwesenheit geregelt werden soll. Die 
Schlußfolgerung könne immer nur indirekt so ge- 
zogen werden, daß die Ausweisung von Deutschen 
nach §# 5, 7 und 11 des F zu beurteilen ist, 
und daß, wenn ein Deutscher sich 2 Jahre in einer 
Gemeinde aufgehalten hat, welche dem Geltungs- 
gebiete des UW G angehört, er in ihr den UW 
erworben hat. Der Verfasser neigt selbst dieser 
Auffassung zu, muß aber allerdings auf Grund 
langjähriger praktischer Erfahrung bezeugen, daß 
in dem Verkehr der deutschen A#V mit Bayern und 
Els.-Lothr. (abgesehen von den durch die neueren 
Abkommen geregelten Fällen) regelmäßig von 
der Voraussetzung ausgegangen wird, die beider- 
seitigen Staatsangehörigen hätten einen UW oder 
eine H nicht erwerben können, solange sie nicht die 
Staatsangehörigkeit des in Frage kommenden 
Bundesstaats besitzen, und daß daher die Konven- 
tion in allen diesen Fällen in Anwendung käme 
und daß tatsächlich dieser Auffassung gemäß weder 
von bayerischen noch von elsaß-lothringischen Be-
	        
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