Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
I. Armenrecht (Verhältnis zum Ausland) — II. Armenverwaltung 
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hörden jemals die Zurücknahme des Angehörigen 
eines dieser Länder wegen Ablaufs eines mehr als 
zweijährigen Zeitraums verweigert wird. Die von 
dem Verfasser in Uebereinstimmung mit Kelch und 
Olshausen vertretene Auffassung ist übrigens durch 
das preußische Ministerium des Innern gebilligt 
worden (vgl. den Erl v. 18. 4. 86), während das 
bayer. Min sich in einem Erl v. 7. 5. 00 auf den 
entgegengesetzten Standpunkt stellt. Ueber den 
Stand der Frage zu vergl.: Tourbié, Kol- 
lision der AFürsorgerechte, Arch OeffR 1887, 139 
und 407 ff. und Olshausen a. a. O. 48 ff. 
5. Berhältuis zum Ausland 
5 12. Vorbehaltlich der vorläufigen Fürsorge- 
pflicht für Ausländer (s. oben & 5) und des völker- 
rechtlich unbestrittenen Rechtes jedes Staates, 
Ausländer jederzeit aus seinem Gebiete fortzu- 
weisen, sind seitens des Deutschen Reichs mit fol- 
genden Staaten: Italien (Uebereinkunft v. 
8. 8. 73, ZBBl. 281), Belgien (Dekl. v. 7. 7. 77, 
ebenda 411), Dänemark (U. v. 11. 12. 73, 
Dekl. v. 25. 8. 81, Bek v. 17. 7. 84, ebenda 31, 
407, 201), Frankreich (Vereinb. v. 80), 
Oesterreich-Ungarn (Akk. v. 2. 9. 75), 
Rußland (Abk. v. 10. 2. 94), Schweiz (Nie- 
derlassungsvertr. v. 31. 5. 90), Niederlande 
(Niederlassungsvertr. v. 17.12.04), in Ansehung der 
armenpolizeilichen Fürsorge und Uebernahme be- 
sondere Abkommen getroffen. Der wesentliche 
Inhalt ist, daß der Aufenthaltsstaat zur 
U nach den in seinem Gebiet herrschenden Grund- 
sätzen, aber ohne Anspruch auf Erstattung, der Hei- 
matstaat dagegen zur Uebernahme auf vor- 
gängigen Antrag verpflichtet ist. Mit Italien, Däne- 
mark, Oesterreich (jedoch nicht Ungarn) wird hier- 
über direkt zwischen den beteiligten Behörden, mit 
den übrigen auf diplomatischem Wege korre- 
spondiert. — Oesterreich gegenüber ist noch 
im Verhältnis zu den einzelnen Bundesstaaten (nicht 
zum D. Reich als solchem), die Eisenacher (nicht 
die Gothaer) Konvention in Gültigkeit (5 11). — 
Der Vertrag mit der Schweiz und ebenso der 
mit den Niederlanden ist, abweichend von 
den übrigen Vereinbarungen, ein vollständiger 
Niederlassungsvertrag, der nicht nur die Frage der 
vorläufigen Fürsorge und der Uebernahme von 
Hilfsbedürftigen in den Hötaat, sondern auch 
die Niederlassungsverhältnisse regelt. Die Verein- 
barungen speziell in Bezug auf Hilfsbedürftige 
nehmen im Verhältnis zu dem Umfange der Ab- 
machungen mit Italien, Belgien und Dänemark 
einen sehr viel geringeren Raum ein, haben aber 
im wesentlichen den gleichen Inhalt. Der Satz, 
betr. die Zurücknahme, stellt die Voraussetzung auf, 
adaß die Rückkehr in die H ohne Nachteil für ihre 
und anderer Gesundheit geschehen kann“. — Das 
Abkommen mit Rußland enthält Bestimmun- 
gen über die vorläufige Fürsorge nicht, sondern 
regelt nur die Verpflichtung der beiden vertrag- 
schließenden Reiche, betr. Uebernahme ihrer An- 
gehörigen; die Verpflichtung hierzu wird aner- 
kannt auch für diejenigen, die ihre Staatsange- 
hörigkeit durch Abwesenheit im Ausland oder durch 
förmliche Entlassung oder auf andere Weise ver- 
loren haben, falls jene nicht eine andere Staats- 
angehörigkeit erworben haben. Die Heimschaffung 
erfolgt ohne weiteres beim Vorhandensein noch 
  
  
ültiger oder erst seit einem Jahr abgelaufener 
apiere oder wenn kein Zweifel an dem Fort- 
bestehen der Staatsangehörigkeit obwaltet. Der 
Schriftwechsel findet zwischen den von den betei- 
ligten Reichen bestimmten Grenzbehörden direkt, 
im diplomatischen Wege jedoch nur dann statt, 
wenn die Grenzbehörden sich über die Heimschaf- 
fung nicht einigen können, oder wenn die Entsch 
der Grenzbehörden von den höheren Behörden des 
Hötaates nicht gebilligt wird. — England lehnt 
grundsätzlich die Uebernahme hilfsbedürftiger briti- 
scher Untertanen ab. Zwischen den Vereinigten Staa- 
ten von Nordamerika und einer Reihe anderer 
Staaten, in denen die Einwanderung aus Deutsch- 
land erheblich überwiegt und die ihrerseits eine 
Ausweisung nach Deutschland nicht vornehmen, 
wird in der Praxis zur Vermeidung der Wieder- 
vergeltung von der Ausweisung aus Deutschland 
(so in der Praxis von Berlin) abgesehen. Wo keine 
besonderen Abmachungen vorhanden sind, wie mit 
Norwegen und Schweden, werden die Angehö- 
rigen der beteiligten Staaten in der Regel ohne 
Schwierigkeit übernommen. Die Uebernahme- 
Vhdl erfolgen im diplomatischen Wege. Wegen 
der technischen Einzelheiten der Durchführung 
der Ausweisung vgl. Olshausen, Fürsorge für 
Ausländer in Deutschland 73 ff. 
H. Armenverwaltung 
1. I. Organe. 1 2. II. VBerwaltungsgrundsätze. 
5 3. Ersatzansprüche der Armenverbände a) gegenüber 
den Unterstützten, b) gegenüber dritten Personen. 
4. Berbindung der öffentlichen und privaten Armenpflege. 
55. Aussicht. 
8 1. 1. Drgaue. Für die öffentliche, auf der 
Grundlage der O- und LAub# beruhende A#erw 
gilt als allgemeinster Grundsatz, daß der dem A 
entsprechende politische Verband (Gemeinde, 
Gutsbezirk, Bürgermeisterei — Kreis, Provinz, 
Oberamt, Staat usw.) die AVerw als einen Teil 
der allgemeinen Verw durch die betreffenden Or- 
gane (Gemeinde-, Gutsvorstand, Bürgermeister, 
Landrat, Kreis-Landesdirektor, Ministerium usw.) 
zu führen hat. Im Rahmen dieser Verw andere 
Personen als Beisitzer (Bezirksvorsteher, APPfleger 
u. dgl.) heranzuziehen, ist gleichfalls nach allge- 
meinen Grundsätzen, wonach Gemeindemitglieder 
zur Uebernahme unbesoldeter Gemeindeämter ver- 
pflichtet sind, durchweg gestattet, in den meisten 
Landes Ggebungen sogar ausdrücklich vorgeschrie- 
ben. So ist in Preußen die Bildung beson- 
derer Adeputationen in das Ermessen der 
Gemeinde-Verw gestellt, während in Bayern, 
Württemberg, Baden, Oldenburg, 
Braunschweig, Hansestädten u. a. 
besondere ABehörden (ApPflegschaftsrat, ARat, 
AKKommission und dgl. m.) gebildet werden müssen, 
denen außer dem Gemeindevorstand die Geist- 
lichen jeder Konfession und meist auch die Bezirks- 
und Aerzte angehören sollen. In Sachsen 
soll „unter verständiger Berücksichtigung der ört- 
lichen Verhältnisse“ und unter Heranziehung der 
Geistlichen, Schullehrer, Vorsteher der milden 
Stiftungen, A-, Kranken= und Waisenhäuser die 
AßPflege verwaltet werden; wo mehrere Gemein- 
den einen H Bezirk bilden, ist aus den besonders ver- 
trauenswürdigen Personen des Bezirks ein #. 
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