Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Armenwesen 
  
ralverzeichnis gefertigt und zur Aus- 
kunftserteilung bereit gestellt. — Auf 
Privatvereine sind vorstehende Bestimmungen nicht 
anwendbar; auch bringt die zu strenge Handhabung 
die Gefahr mit sich, daß Zuwendungen zu wohl- 
tätigen Zwecken, deren Offenlegung den Gebern 
nicht erwünscht ist, sowie auch die U mancher sogen. 
verschämter A unterbleibt. Immerhin bezeichnen 
diese G den einzig richtigen Weg, da die Geheim- 
haltung in der Regel viel mehr die unverschämten, 
als die verschämten Awbegünstigt. — In Erkenntnis 
der Wichtigkeit derartiger Maßnahmen sind na- 
mentlich in großen Städten, so Berlin, Hamburg, 
Frankfurt a. M., Breslau, Magdeburg, Stettin, 
Dresden u. a., Auskunftsstellen einge- 
richtet, an welchen in leicht übersehbaren Registern 
alle öffentliche oder freiwillige U empfangenden 
Personen bezeichnet werden und aus denen alle 
beteiligten Behörden, Vereine und Stiftungen, 
in der Regel auch Privatpersonen Auskunft er- 
erhalten können. 
#*#5. Die Aussicht über die Armenverwaltung 
bewegt sich in dem allgemeinen Rahmen der Auf- 
sicht der Staatsbehörden über die Gemeinden; 
besondere Vorschriften in Ansehung der Apflege 
sind in keinem Staat ergangen, abgesehen von 
Bayern und Oldenburg, die durch eine 
gut geordnete fortlaufende jährliche Statistik 
über die Ergebnisse der APPflege der Staatsbehörde 
wenigstens ein regelmäßiges Material darbieten, 
welches geeignet ist, auf Mängel hinzuweisen und 
Maßregeln zu ihrer Abstellung hervorzurufen. Die 
württemberg. Gemeinde-Medizinaldisitatio- 
nen (Min E v. 20. 10. 75) gehören zum Teil hier- 
her. weil bei diesen in regelmäßig, mindestens in 
sechsjährigem Turnus wiederkehrenden örtlichen 
Untersuchungen gewissen Fragen, nament- 
lich dem Zustande der Apäuser, besondere Auf- 
merksamkeit zugewendet wird. — Indirekt wird 
eine gewisse Aufsicht durch die Rechtsprechung im 
Atreitverfahren geübt, namentlich soweit sie vom 
B/ ausgeht, dessen Urteile und Rechtsgrundsätze 
sehr wesentlich auf Art und Umfang der vorläu- 
sigen U zurückgewirkt haben [7 oben S 2041. 
— Endlich steht dem Bedürftigen selbst das Recht 
der Beschwerde bedi der vorgesetzten Behörde 
zu, wodurch im einzelnen Falle eine Sachprüfung 
im Aufsichtswege herbeigeführt wird. — Bei dem 
gegenwärtigen Zustande der AVerw, namentlich 
gu dem Lande und in kleinen Städten, muß die 
Schaffung besonderer ständiger Aufsichtsorgane, 
am besten in Verbindung mit den LMerw, als 
Bedürfnis bezeichnet werden. — Es darf darauf 
hingewiesen werden, daß von ausländischen 
Staaten England in seinem Local Government 
Board, Frankreich in der direction de Tassi- 
stance publique et l’hygiene, Italien in der 
direzione generale della pubblica beneficenza 
und zahlreiche amerikanische Staaten in den State 
Boards derartige Aufsichtsbehörden besitzen, von 
denen namentlich die englische Behörde eine sehr 
entscheidende, vielleicht sogar nicht immer nütz- 
liche Einwirkung auf die lokale APPflege geübt hat. 
  
III. Krmenpolizei 
* 1. Allgemeines,##2. Zwangsmaßregeln gegen arbeits- 
fähige Personen. § 3. Der Einfluß des Empfanges öffent- 
licher Armenunterstützung auf das Wahlrecht. 
  
#s# 1. Allgemeines. Die Notwendigkeit der 
öffentlichen APflege wird aus verschiedenen Ge- 
sichtspunkten theoretisch begründet, aus mensch- 
lichen, aus wirtschafklichen und aus polizcilichen. 
Polizeiliche Gesichtspunkte sind in der Richtung 
von Bedeutung, daß die durch den Staat vertretene 
Gemeinschaft nicht dulden darf, daß einer ihrer 
Angehörigen an dem Notwendigsten Mangel leide, 
weil der durch den Mangel herbeigeführte Zustand 
das Individuum und die Gesellschaft schädigen 
würde. Entweder werde der Mangel leidende Be- 
dürftige in seinen körperlichen und geistigen Kräften 
herabgesetzt und so ein minderwertiges Glied der 
menschlichen Gesellschaft, das wiederum minder- 
wertige Nachkommen hervorbringe, oder es ent- 
ziehe sich dem Mangel durch Selbstvernichtung, 
oder, was der menschlichen Natur mehr entspre- 
chend ist, es versuche, dem mächtigen Trieb der 
Selbsterhaltung folgend, dem Mangel dadurch ab- 
zuhelfen, daß es durch Täuschung, List oder Ge- 
walt sich die zum Unterhalt für sich und seine An- 
gehörigen erforderlichen Mittel verschaffe. Der 
Staat hat ein sehr wesentliches Interesse daran, 
die nur unter Bruch der Rechtsordnung mögliche 
Anwendung von Täuschung, List und Gewalt zu 
verhüten. Er muß also dafür Sorge tragen, daß 
das wirklich bedürftige Individuum in ange- 
messener Weise unterstützt wird. Weil aber die U 
eine Leistung ohne Gegenleistung ist, so verführt 
sie leicht zum Mißbrauch. Jemand, der an sich 
arbeitsfähig aber nicht arbeitswillig ist, erbittet U, 
indem er den Schein der Bedürftigkeit erweckt oder 
wie der technische Ausdruck dafür lautet: er bettelt. 
Wer gewerbs= oder gewohnheitsmäßig oder unter 
beständigem Arbeitswechsel bettelt, wird zum ge- 
werbsmäßigen Bettler und Landstreicher und unter 
besonderen Umständen zum Dieb, zum Räuber, 
zum Mörder. Der Staat, der durch seine Sicher- 
heits- und Straf Pol derartige Zuwiderhandlungen. 
gegen die Rechts O zu verhüten oder wenn ein- 
getreten zu beseitigen hat, muß daher Maßregeln 
gegen den Mißbrauch der Apflege treffen. Der 
Zusammenhang zwischen APflege und Bettel- 
wesen ist so eng, daß in der älteren Zeit A- und 
Bettelwesen fast in einander übergehen und fast 
alle Maßregeln der APflege von der Bekämpfun 
des Bettelwesens ausgehen. Es ist charakteristis 
für die ältere Zeit, daß die Reichs Pol O v. 1530, 
1548, 1552 und 1577 sich vergeblich bemühen, dem 
Bettelwesen zu steuern, weil nicht gleichzeitig für 
die ausreichende Versorgung der A Sorge getragen 
wurde und so der zum Betteln, Landstreichen und 
zum Verbrechen führende Lebenstrieb nicht ge- 
hemmt wurde. Erst die neuere Zeit hat, wie im 
Eingange zu I dargelegt wurde, eine allgemeine 
öffentliche AVersorgung eingeführt und damit 
wenigstens theoretisch die Möglichkeit gegeben, den 
Einwand des Mangels abzuschneiden. Doch liegt 
es in der eigentümlichen Natur dieser Zustände, 
daß die praktische Beseitigung des Mißbrauchs der 
Apflege auch bis heute nicht in vollem Umfange 
gelungen ist und wohl kaum je gelingen wird, teils 
weil trotz der gesetzlichen Vorschrift über Uebung 
ausreichender APflege die praktische Apflege 
namentlich auf dem Lande tatsächlich vielfach ganz 
unzureichend ist und teils weil die Verlockung, sich 
ohne Gegenleistung Geld und Geldeswert durch 
List oder Gewalt anzueignen, allen G und poli- 
zeilichen Maßregeln zum Trotz noch starkt genug
	        
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