Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Arzt (Rechte und Pflichten) 
231 
  
bierten A. innerhalb des Deutschen Reiches in der 
Wahl ihrer Niederlassung nicht beschränkt; 
es besteht für sie volle Freizügigkeit, ein 
Recht, wie es allerdings auch die nicht approbierten, 
die Heilkunde gewerbsmäßig ausübenden Personen 
besitzen. Desgleichen kann ihnen nach § 144 Abs 2 
GewO nicht mehr ein Zwang zur ärztli- 
chen Hilfeleistung durch Androhung von 
Strafen auferlegt werden; die Freiwillig- 
keit ihrer Berufstätigkeit erfährt 
nur insofern eine Einschränkung, als sie ebenso 
wie alle Staatsbürger in Notfällen Bei- 
stand leisten müssen, wenn sie von der Pol Behörde 
zur Hilfe aufgefordert werden, widrigenfalls sie 
nach § 360 Nr. 10 St GB in eine Geldstrafe bis 
150 Mark verfallen. In den Bundesstaaten, in 
denen ärztliche EG bestehen, wird außerdem die 
unbegründete Verweigerung ärztlicher Hilfe in 
Fällen dringender Lebensgefahr als Verstoß ge- 
gen die ärztlichen Standespflichten im ehren- 
gerichtlichen Verfahren geahndet (Urt. des ärztl. 
EG# Hofes für Preußen v. 1. 12. 02 u. 14. 5. 06). 
Die in §+ 14 GewoO vorgeschriebene Anzeige- 
pflicht bei Beginn eines stehenden Gewerbes gilt 
nicht für A.; in allen Bundesstaaten ist aber gleich- 
wohl den A. bei Niederlassung, Um- und Wegzug 
die Pflicht zur An= und Abmeldun 
auferlegt, in Preußen durch Bezirks Pol 
(Rechtsgültigkeit bejiaht Kc), in Bayern 
durch Allerh V v. 11. 8. 73, in Sachsen 
durch V v. 21. 10. 69 u. 31. 1. 08, in Würt- 
temberg durch Min Vsg v. 8. 4. 72, in Ba- 
den durch V v. 11. 12. 83, in Hessen durch 
V v. 28. 12. 76, in Elsaß--Lothringen 
durch Bezirks Pol V v. 2. 3. u. 4. 9. O3. Die Mel- 
dung hat unter Vorlegung der Appr und des 
Doktordiploms sowie unter Angabe der sonstigen 
Personalien bei dem zuständigen Med Beamten 
zu erfolgen, nur in Bayern bei den Distriktsver- 
waltungsbehörden; sie ist auch beim Wohnungs- 
wechsel zu erstatten und beim Wegzug sowohl dem 
Med Beamten des bisherigen als des künftigen 
Wohnsitzes 1). Dasselbe gilt, wenn A. außerhalb 
ihres Wohnortes an einem anderen Orte vorüber- 
gehend (z. B. als Bade A.) praktizieren oder 
dauernd ein Sprechzimmer unterhalten oder 
wenn sie die Stellvertretung eines A. 
für längere Zeit (mehr als 8 Tage) übernehmen 
(Urt. des Bayr. OL#G v. 22. 5. 01). Die bei A. 
vielfach übliche Sitte, sich durch noch nicht appro- 
bierte Kandidaten der Med oder Praktikanten 
vertreten zu lassen, ist wiederholt als ordnungs- 
widrig (in Preußen durch die Min E v. 20. 4 93 
u. 25. 3. O4, in Bayern durch Min E v. 25. 6. 94) 
bezeichnet: in Baden ist durch Min E v. 7. 9. 05 
angeordnet, gegen solche A. im ehrengerichtlichen 
Verfahren wegen Verstoßes gegen die ärztlichen Be- 
rufspflichten vorzugehen. Da der A. außerdem 
für etwaiges Verschulden seines Stellvertreters 
haftbar ist, so liegt es in seinem eigenen Interesse, 
nur einen approbierten A. als solchen zu bestellen, 
zumal er dann auch Anspruch auf das Honorar 
in voller Höhe hat, sobald der Kranke die Dienste 
des Stellvertreters widerspruchslos angenom- 
men hat. 
1) Mlitär A., Professoren, Assistenten 
an Universitätsin stituten sind nur dann zur An- 
und Abmeldung verpflichtet, wenn sie private Praxis treiben. 
  
  
In der Ausübung der Heilkunde 
im Umherziehen unterliegen die appro- 
bierten A. keinerlei Beschränkungen, während 
diese den nicht approbierten Personen nach §& 56a# 
Gewo untersagt ist. Abhalten ärztlicher 
Sprechstunden außerhalb des Wohnsitzes 
im Praxisgebiet benachbarter Kollegen ist jedoch 
nach ständiger Rechtsprechung der ärztlichen Ec- 
Höfe mit der Kollegialität und den Gepflogen- 
heiten des ärztlichen Standes nicht vereinbar und 
unterliegt, falls nicht ausnahmsweise in Anbetracht 
besonderer Verhältnisse ein Bedürfnis dafür vor- 
liegt, der ehrengerichtlichen Ahndung (Urt. des 
preuß. EGHofes v. 30. 5. 02, 7. 5. 04, 14. 4. und 
2. 12. 05). Dasselbe gilt im allgemeinen betreffs 
der brieflichen, sog. Fernbehand- 
lung (urt. des preuß. EGofes v. 7. 1. 07). 
Ebenso wie ausländische A. nur dann im Deut- 
schen Reiche sich als A. bezeichnen und ihre Be- 
rufstätigkeit ausüben dürfen, wenn sie, von Aus- 
nahmen abgesehen (s. 5#26e), sich hier nachträglich 
den Befähigungsausweis nach den geltenden 
Bestimmungen erworben haben, gilt dies im all- 
gemeinen auch für die in Deutschland approbierten, 
im Ausland sich niederlassenden A. Eine 
Ausnahme davon macht nur die Ausübung 
der Heilkunde in den Grenzgebie- 
ten der Nachbarstaaten, soweit mit die- 
sen besondere Staatsverträge abgeschlossen sind, 
nach denen es den hier ansässigen A. gestattet ist, 
ihre Berufstätigkeit in den der Grenze nahege- 
legenen Orten des Nachbarstaates in gleichem 
Maße auszuüben wie in der Heimat, vorausge- 
setzt, daß sie die in dem Nachbarstaate bezüglich 
der Ausübung der Heilkundce erlassenen besonderen 
Vorschriften befolgen. Solche Verträge sind ver- 
einbart mit Oesterreich-Ungarn (30. 9. 82), mit 
der Schweiz (29. 2. 84), mit den Niederlanden 
(11. 12. 73) — hier müssen die betreffenden A. 
jedoch 10 M. Gewerbesteuer entrichten —, mit 
Luxemburg (4. 6. 83) und Belgien (7. 2.73). Zur 
Selbstverabreichung von Arzneien sind die Aerzte 
jedoch, abgesehen bei drohender Lebensgefahr, 
nicht befugt, auch wenn ihnen im Heimatlande 
das Halten einer Hausapotheke gestattet ist. 
2. Der Staat besitzt den A. gegenüber im allge- 
meinen kein Aufsichtsrecht (O### 27. 3. 
97); er ist aber berechtigt, Anordnungen zu tref- 
feen, durch die ihnen gewisse Berufspflich- 
ten auferlegt werden können, vorausgesetzt, daß 
diese Anordnungen mit den Bestimmungen der 
GewO nicht in Widerspruch stehen. Es ist das 
mehrfach sowohl auf reichs-, als landesgesetz- 
lichem Wege geschehen, z. B. in Bezug auf die 
Beurkundung von Geburten in Er- 
mangelung des ehelichen Vaters oder der Heb- 
amme (5 18 Nr. 3 R v. 6. 2. 70), Anzeige 
bei gemeinge fährlichen und über- 
tragbaren Krankheiten (R v. 30. 
6. 00 und die verschiedenen landesgesetzlichen Be- 
stimmungen, z. B. preuß. G v. 28. 8. 05), Aus- 
führung der Impfung (Rv. 8.4. 74 nebst 
Bheschl v. 28. 6. 99), Ausstellung von 
Todesbescheinigungen (landezgesetzl. 
Vorschriften), An= und Abmeldepflicht 
bei Niederlassung und Wegzug, ganz abgesehen 
von den ihnen sonst durch das StGB (s. später) 
auferlegten Pflichten. In denjenigen Bundes- 
staaten, in denen ärztliche E bestehen, übt der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.