Arzt (Rechte und Pflichten)
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bierten A. innerhalb des Deutschen Reiches in der
Wahl ihrer Niederlassung nicht beschränkt;
es besteht für sie volle Freizügigkeit, ein
Recht, wie es allerdings auch die nicht approbierten,
die Heilkunde gewerbsmäßig ausübenden Personen
besitzen. Desgleichen kann ihnen nach § 144 Abs 2
GewO nicht mehr ein Zwang zur ärztli-
chen Hilfeleistung durch Androhung von
Strafen auferlegt werden; die Freiwillig-
keit ihrer Berufstätigkeit erfährt
nur insofern eine Einschränkung, als sie ebenso
wie alle Staatsbürger in Notfällen Bei-
stand leisten müssen, wenn sie von der Pol Behörde
zur Hilfe aufgefordert werden, widrigenfalls sie
nach § 360 Nr. 10 St GB in eine Geldstrafe bis
150 Mark verfallen. In den Bundesstaaten, in
denen ärztliche EG bestehen, wird außerdem die
unbegründete Verweigerung ärztlicher Hilfe in
Fällen dringender Lebensgefahr als Verstoß ge-
gen die ärztlichen Standespflichten im ehren-
gerichtlichen Verfahren geahndet (Urt. des ärztl.
EG# Hofes für Preußen v. 1. 12. 02 u. 14. 5. 06).
Die in §+ 14 GewoO vorgeschriebene Anzeige-
pflicht bei Beginn eines stehenden Gewerbes gilt
nicht für A.; in allen Bundesstaaten ist aber gleich-
wohl den A. bei Niederlassung, Um- und Wegzug
die Pflicht zur An= und Abmeldun
auferlegt, in Preußen durch Bezirks Pol
(Rechtsgültigkeit bejiaht Kc), in Bayern
durch Allerh V v. 11. 8. 73, in Sachsen
durch V v. 21. 10. 69 u. 31. 1. 08, in Würt-
temberg durch Min Vsg v. 8. 4. 72, in Ba-
den durch V v. 11. 12. 83, in Hessen durch
V v. 28. 12. 76, in Elsaß--Lothringen
durch Bezirks Pol V v. 2. 3. u. 4. 9. O3. Die Mel-
dung hat unter Vorlegung der Appr und des
Doktordiploms sowie unter Angabe der sonstigen
Personalien bei dem zuständigen Med Beamten
zu erfolgen, nur in Bayern bei den Distriktsver-
waltungsbehörden; sie ist auch beim Wohnungs-
wechsel zu erstatten und beim Wegzug sowohl dem
Med Beamten des bisherigen als des künftigen
Wohnsitzes 1). Dasselbe gilt, wenn A. außerhalb
ihres Wohnortes an einem anderen Orte vorüber-
gehend (z. B. als Bade A.) praktizieren oder
dauernd ein Sprechzimmer unterhalten oder
wenn sie die Stellvertretung eines A.
für längere Zeit (mehr als 8 Tage) übernehmen
(Urt. des Bayr. OL#G v. 22. 5. 01). Die bei A.
vielfach übliche Sitte, sich durch noch nicht appro-
bierte Kandidaten der Med oder Praktikanten
vertreten zu lassen, ist wiederholt als ordnungs-
widrig (in Preußen durch die Min E v. 20. 4 93
u. 25. 3. O4, in Bayern durch Min E v. 25. 6. 94)
bezeichnet: in Baden ist durch Min E v. 7. 9. 05
angeordnet, gegen solche A. im ehrengerichtlichen
Verfahren wegen Verstoßes gegen die ärztlichen Be-
rufspflichten vorzugehen. Da der A. außerdem
für etwaiges Verschulden seines Stellvertreters
haftbar ist, so liegt es in seinem eigenen Interesse,
nur einen approbierten A. als solchen zu bestellen,
zumal er dann auch Anspruch auf das Honorar
in voller Höhe hat, sobald der Kranke die Dienste
des Stellvertreters widerspruchslos angenom-
men hat.
1) Mlitär A., Professoren, Assistenten
an Universitätsin stituten sind nur dann zur An-
und Abmeldung verpflichtet, wenn sie private Praxis treiben.
In der Ausübung der Heilkunde
im Umherziehen unterliegen die appro-
bierten A. keinerlei Beschränkungen, während
diese den nicht approbierten Personen nach §& 56a#
Gewo untersagt ist. Abhalten ärztlicher
Sprechstunden außerhalb des Wohnsitzes
im Praxisgebiet benachbarter Kollegen ist jedoch
nach ständiger Rechtsprechung der ärztlichen Ec-
Höfe mit der Kollegialität und den Gepflogen-
heiten des ärztlichen Standes nicht vereinbar und
unterliegt, falls nicht ausnahmsweise in Anbetracht
besonderer Verhältnisse ein Bedürfnis dafür vor-
liegt, der ehrengerichtlichen Ahndung (Urt. des
preuß. EGHofes v. 30. 5. 02, 7. 5. 04, 14. 4. und
2. 12. 05). Dasselbe gilt im allgemeinen betreffs
der brieflichen, sog. Fernbehand-
lung (urt. des preuß. EGofes v. 7. 1. 07).
Ebenso wie ausländische A. nur dann im Deut-
schen Reiche sich als A. bezeichnen und ihre Be-
rufstätigkeit ausüben dürfen, wenn sie, von Aus-
nahmen abgesehen (s. 5#26e), sich hier nachträglich
den Befähigungsausweis nach den geltenden
Bestimmungen erworben haben, gilt dies im all-
gemeinen auch für die in Deutschland approbierten,
im Ausland sich niederlassenden A. Eine
Ausnahme davon macht nur die Ausübung
der Heilkunde in den Grenzgebie-
ten der Nachbarstaaten, soweit mit die-
sen besondere Staatsverträge abgeschlossen sind,
nach denen es den hier ansässigen A. gestattet ist,
ihre Berufstätigkeit in den der Grenze nahege-
legenen Orten des Nachbarstaates in gleichem
Maße auszuüben wie in der Heimat, vorausge-
setzt, daß sie die in dem Nachbarstaate bezüglich
der Ausübung der Heilkundce erlassenen besonderen
Vorschriften befolgen. Solche Verträge sind ver-
einbart mit Oesterreich-Ungarn (30. 9. 82), mit
der Schweiz (29. 2. 84), mit den Niederlanden
(11. 12. 73) — hier müssen die betreffenden A.
jedoch 10 M. Gewerbesteuer entrichten —, mit
Luxemburg (4. 6. 83) und Belgien (7. 2.73). Zur
Selbstverabreichung von Arzneien sind die Aerzte
jedoch, abgesehen bei drohender Lebensgefahr,
nicht befugt, auch wenn ihnen im Heimatlande
das Halten einer Hausapotheke gestattet ist.
2. Der Staat besitzt den A. gegenüber im allge-
meinen kein Aufsichtsrecht (O### 27. 3.
97); er ist aber berechtigt, Anordnungen zu tref-
feen, durch die ihnen gewisse Berufspflich-
ten auferlegt werden können, vorausgesetzt, daß
diese Anordnungen mit den Bestimmungen der
GewO nicht in Widerspruch stehen. Es ist das
mehrfach sowohl auf reichs-, als landesgesetz-
lichem Wege geschehen, z. B. in Bezug auf die
Beurkundung von Geburten in Er-
mangelung des ehelichen Vaters oder der Heb-
amme (5 18 Nr. 3 R v. 6. 2. 70), Anzeige
bei gemeinge fährlichen und über-
tragbaren Krankheiten (R v. 30.
6. 00 und die verschiedenen landesgesetzlichen Be-
stimmungen, z. B. preuß. G v. 28. 8. 05), Aus-
führung der Impfung (Rv. 8.4. 74 nebst
Bheschl v. 28. 6. 99), Ausstellung von
Todesbescheinigungen (landezgesetzl.
Vorschriften), An= und Abmeldepflicht
bei Niederlassung und Wegzug, ganz abgesehen
von den ihnen sonst durch das StGB (s. später)
auferlegten Pflichten. In denjenigen Bundes-
staaten, in denen ärztliche E bestehen, übt der