Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Arzt 
  
Staat auch indirekt ein gewisses Aufsichtsrecht aus, 
indem ein Vertreter der Aufsichtsbehörde in der 
Regel die Anklage vertritt. Endlich ist die auf- 
sichtführende Staatsbehörde in der Lage, durch 
entsprechende Einwirkung auf die zuständigen un- 
teren Verw Behörden die Anstellung von unzuver- 
lässigen A. als Impf-, Schul-, Armen= usw. A. zu 
verhindern. In Bayern wurde früher eine Liste 
über die Qualifikation sämtlicher A. ge- 
führt (Min E v. 1. 11. 80); durch Min E v. 8. 1. 09 
ist diese aber nur noch auf die staatsärztlich ge- 
prüften A. beschränkt und auch auf dicse nur, so- 
weit sie das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten 
aben. 
#§ 10. Vorrechte. 5 29 Gew) schützt den Arzt 
nicht nur gegen die unbefugte Führung von ärztli- 
chen oder arztähnlichen Titeln (s. § 9), sondern er ge- 
währt ihm vor allem eine bevorzugte Stel- 
lung den Behörden gegenüber, indem nur ap- 
probierte A. mit amtlichen Funktionen für 
Staat oder Kommunalverbände betraut werden 
dürfen. Ist also in irgend einem Gesetz von der 
Zuziehung, Mitwirkung oder Bestellung eines 
„A.“, von „ärztlicher“ Behandlung, „ärztlichen“ 
Zeugnissen usw. gesprochen, so ist darunter nur 
die Zuziehung usw. von „approbierten“ A. ver- 
standen. Dieses Recht ist zwar nicht durch Straf- 
bestimmungen geschützt; es genießt aber trotzdem 
dadurch einen wirksamen Schutz, daß einmal die 
Aufsichtsbehörden verpflichtet sind, die ihnen un- 
terstellten Gemeinden, Behörden zur Beachtung 
der einschlägigen Vorschriften anzuhalten, und 
daß anderseits nur den vorschriftsmäßig durch „A.“ 
ausgeführten Handlungen, ausgestellten Zeug- 
nissen usw. einc rechtliche Bedeutung beigemessen 
wird. Ist schon durch § 29 GewO den A. ein sehr 
großes Arbeitsfeld auf dem Gebiete der Heilkunde 
und ihnen z. B. die Stellung als Armen-, Kran- 
kenhaus-, Gefängnis-, Post-, Bahn-, 
Schul= usw. A. ausschließlich vorbehalten, so 
ist diese Domäne noch durch eine Reihe besonderer 
gesetzlicher Bestimmungen wesentlich erweitert. 
So können nach dem Krank WG nur A. als Kran- 
kenkassenärzte bestellt, nach der Straf- 
und Zivilprozeßordnung sowie nach 
der Unfall= und Invalidenversiche- 
rungsgesetzgebung nur A. als Sachver- 
ständige zugelassen werden. Desgleichen ist nach 
8 des Reichsimpfgesetzes nur der A. 
zur Vornahme von Impfungen berechtigt; ebenso 
darf nur ein solcher als Fabrikarzt mit der 
ärztlichen Ueberwachung bestimmter Gewerbe- 
betriche betraut und zur Ausstellung von Ges- 
Zeugnissen für gewerbliche Arbeiter ermächtigt 
werden (mehrere Bek des RK). Als Schiffs- 
arzt darf ebenfalls nur ein „approbierter A.“ 
Verwendung finden (Bekl des R#K betreffend die 
Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen v. 3. 7. 
05); desgleichen kann nur ein solcher an Stelle 
der beamteten A. zur Ermittelung bei Bekämpfung 
der Infektionskrankheiten herange- 
zogen werden (§ 36 Abs 2 Reichsseuchen G v. 
50 6. 00 und § 13 des preuß. Seuchen G. v. 28. 8. 
5). 
Außer diesen Vorrechten „positiver Art“, durch 
welche die A. ausschließlich zur Vornahme von 
bestimmten Handlungen befugt werden, sind 
ihnen durch die Gesetzgebung noch einige andere 
Rechte „negativer Art“ gewährt, durch die sie von 
  
gewissen anderen Staatsbürgern obliegenden Ver- 
bindlichkeiten und Verpflichtungen ganz oder zum 
Teil befreit sind oder durch die ihnen gegenüber je- 
nen ein Vorzugsrecht eingeräumt ist. Dahin gehö- 
ren: Berechtigung der zumeinjährigen Mili- 
tärdienst Befähigten, die Hälfte dieser Zeit 
erst nach der Appr als einjährig-freiw'llige A. zu 
dienen, Befreiung derim Besitz von Wagen und 
Pferden befindlichen A. von Naturalleistungen 
(Vorspann und Fourage) und von der Ueber- 
lassung der Pferde zu Mobilmachungs- 
zwecken, soweit sie diese zur Ausübung ihres 
Berufes bedürfen (§ 3 des G über die Naturallei- 
stungen im Frieden v. 24. 5. 98 und §25 des G 
über die Kriegsleistungen v. 13.6.73), Berechtigung 
zur Ablehnung des Amtes eines Schöffen 
oder Geschworenen (§ 35 u. 85 GV) und 
eines Schiedsmannes (§ 88 der Schieds- 
mannsO), während sie in Bezug auf die Ueber- 
nahme einer Vormundschaft und in Be- 
zug auf das Amt eines Beisitzers beim Schieds- 
gericht der Arbeiterversicherung ein solches Ab- 
lehnungsrecht nicht besitzen. Auch zur Annahme 
von unbesoldeten Gemeindeäm- 
tern (Magistratsmitglied, Stadtverordneter, Ge- 
meindevorsteher, Waisenrat usw.) ist der A. nicht 
verpflichtet, abgesehen von dem Amte eines Mit- 
gliedes der Gesommission, das er in Preußen 
nicht ablehnen kann (KreisarztG v. 16. 9. 99 
#§# 10 Abs 5); desgleichen ist er von der Vor- 
spannleistung in Fällen eines 
Brandes oder von der Dienstleistung 
bei der Feuerwehr befreit. Ferner ist durch 
8 811 Nr. 7 ZPO das Pfändungsrecht 
gegenüber den A. beschränkt, indem die zur 
Ausübung ihres Berufes erforderlichen Gegen- 
stände sowie anständige Kleidung der Pfändung 
nicht unterworfen sind; anderseits genießen nach 
61 Nr. 4 der Konkursordnung iihre For- 
derungen wegen Kur- und Pflegeleistung für 
Leistungen aus dem letzten Jahre bis zur Höhe 
des taxmäßigen Honorars den Vorrang vor ande- 
ren Forderungen. Weiterhin sichert § 209 StGB 
dem A. Straflosigkeit bei Zuziehung 
zum Zweikamps, soweit diese zum Zwecke 
ärztlicher Hilfeleistung erfolgt. Nach dem AG zum 
Schlachtvieh= und Fleischbeschau## v. 3. 6. 00 
können A. ohne besondere Pr als Trichinen- 
schauer zugelassen werden; nach den Vor- 
schriften über die Abgabe scharfwirken- 
der Arzneimittel (BBeschl v. 15. 5. 96, 
in allen Staaten landesgesetzlich eingeführt) dür- 
fen diese nur auf schriftliche, mit Datum und Un- 
terschrift versehene Anw eines A. als Heilmittel 
in den Apotheken abgegeben werden. Im übrigen 
hat der A., abgesehen von Notfällen, kein Dis- 
pensierrecht, soweit ihm nicht das Halten 
einer ärztlichen Hausapotheke gestattet ist#Apo- 
thekenwesen 3121. Dieses Verbot bezieht sich 
jedoch nur auf die dem freien Verkehr nicht über- 
lassenen Arzneimittel; soweit die letzteren frei- 
gegeben sind, hat der A. die gleichen Rechte wie 
jeder Drogist, falls er sich den für diese geltenden 
Voricheiften unterwirft [UArzneimittel, 
⅜W 31. 
Ueber Gewerbesteuerfreiheit und Ausübung der 
Heilkunde im Umherziehen vgl. § 8 Ziff. 1 u. 9#9; 
über Zeugnisverweigerung vgl. §& 11. 
5s# 11. Der Arzt als Zeuge und Sachverstän-
	        
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