Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Arzt (Gebühren, Standesorganisation) 
235 
  
III. Gebührenwesen 
5*13. Gebührenordnungen für Aerzte. Die 
Bestrebungen der A. nach einer einheitlichen ärzt- 
lichen Taxe für das ganze Deutsche Reich sind bis- 
her ohne Erfolg geblieben. Nach § 80 Abs 2 GewO 
bleibt die Bezahlung der approbierten A. der 
Vereinbarung überlassen; als Norm für streitige 
Fälle können jedoch Taxen von den ZBeh fest- 
gesetzt werden. Von dieser Befugnis ist fast in 
allen Bundesstaaten Gebrauch gemacht mit Aus- 
nahme von Baden, Elsaß-Lothringen, Bremen, 
Lübeck, Hamburg und Schwarzburg-Sonders- 
hausen. Die zur Zeit geltenden Gebührenordnun- 
gen sind für Preußen unter dem 19. 5. 96 
mit Abänderung v. 13. 3. 06, für Bayern 
unter dem 17. 10. u. 17. 12. 02, für Sachsen 
unter dem 28. 3. 89, für Württemberg 
unter dem 17. u. 25. 3. 94, in Hessen unter 
dem 30. 12. 99 erlassen; sie weichen in ihren Be- 
stimmungen, namentlich in den einzelnen Gebüh- 
rensätzen, mehr oder weniger von einander ab, 
aber nicht mehr in dem Maße wie früher. Ins- 
besondere sind fast überall bestimmte allgemeine 
Grundsätze eingehalten, z. B. Festsetzung von 
Mindest= und Höchstbeträgen mit der Bestimmung, 
daß die Abmessung der Gebühr zwischen diesen 
Grenzen nicht nur nach der Schwierigkeit der 
ärztlichen Leistung und der darauf verwendeten 
Zeit, sondern auch nach der Vermögenslage des 
Zahlungspflichtigen und den örtlichen Verhält- 
nissen zu erfolgen hat, und daß in gewissen Fällen 
— gegenüber Unbemittelten und Armenverbän- 
den sowie falls die Zahlung aus Staatsmitteln 
oder aus Mitteln einer milden Stiftung, Arbeiter- 
krankenkasse usw. zu leisten ist, — nur die Er- 
hebung der Mindestsätze erfolgen soll. Eine Ueber- 
schreitung der Taxen ist, auch wenn keine Verein- 
barung getroffen ist, weder unzulässig noch straf- 
bar. Die Spezial A. sind bei mangelnder Ver- 
einbarung nicht ohne weiteres berechtigt, bei 
ihren Honoraransprüchen über die Sätze der Ge- 
bührenordnung hinauszugehen (LG 1 Berlin 
VIII 3. K.) v. 15. 6. 06); von einzelnen Gerichten 
ist allerdings die Frage, ob ein A. von Ruf höhere 
als die tapmäßige Gebühr auch ohne zuvorige 
Vereinbarung verlangen kann, bejaht. Jeden- 
falls ist der A. verpflichtet, seine Rechnung auf 
Berlangen des Zahlungspflichtigen zu spezifizie- 
ren, und nicht berechtigt, diese dann nachträglich 
zu erhöhen. 
5# 14. Gebührenordunagen für gerichts= und 
Entsärztliche Geschäfte. Für die gerichtsärztliche 
Tätigkeit der A. gilt zwar im allgemeinen die 
Reichsgebührenordnung für Zeugen und Sach- 
verständige v. 30. 6.78; nach § 13 derselben kom- 
men aber, falls für gewisse Arten von Sachver- 
ständigen besondere landesgesetzliche Taxvorschrif- 
ten bestehen, lediglich diese zur Anwendung. 
Solche Vorschriften sind ausnahmslos in allen 
mndesstaaten getroffen, so daß die einschlägigen 
zestimmungen der Reichsgebührenordnung für 
die A. nur insoweit in Betracht kommen, als sie als 
Zeugen oder sachverständige Zeugen zugezogen 
werden. Die betreffenden Gebührenordnungen 
ind in Preußen durch G v. 14. 7. 09, in 
Bay ern durch die Kgl V v. 17. 11. 02 u. 22. 
2. 04, in Sachsen durch die V v. 9. 3. 00, in 
Württembertg durch die V v. 17. 3. 99, in 
  
Baden durch die Großh. B v. 23. 1. O9, in 
Hessen durch die V v. 22. 1. u. 30. 11. 00 
und in Elsaß-Lothringen durch das G 
v. 13. 1. 73 und Regl v. 17. 1. 75 mit den nachträgl. 
Abänderungen v. 20. 10. 80, 5. 5.91 u. 5. 9. 03 er- 
lassen. Diese Gesetze und V gelten nicht bloß für die 
beamteten, sondern auch für die nicht beamteten A.; 
eine Ausnahme davon macht nur Hessen; hier 
findet für die praktischen A. bei gerichtsärztlichen 
Geschäften die ärztliche Gebührenordnung v. 30. 
12. 99 Anwendung. Zwischen den einzelnen lan- 
desgesetzlichen Vorschriften macht sich ebenfalls 
ein Unterschied bemerkbar, der sogar erheblicher 
ist, als bei den ärztlichen Gebührenordnungen. 
Interessant ist dabei, daß gerade in dem Bundes- 
staate, in dem die Amts A. alle voll- und am 
höchsten besoldet sind, im Königreich Sachsen, 
auch die Gebühren für Gerichts= und amtsärztliche 
Geschäfte am höchsten bemessen sind. 
IV. Standesorganisation 
15. Staatlich anerkannte Vertretungen des 
ärztlichen Standes. Der von den A. schon seit 
Jahren ausgesprochene Wunsch nach einheitlicher 
Organisation ihres Standes durch Reichsgesetz 
(Erlaß einer deutschen Aerzteordnung 
und allgemeine Einführung von AsK mit Diszipli- 
nargewalt) ist bisher nicht erfüllt, sondern die Re- 
gelung dieser Frage der Landesgesetzgebung über- 
lassen. Auf Grund solcher landesgesetzlichen Be- 
stimmungen bestehen ärztliche Standesvertretun- 
gen sowohl in Preußen und Bayern, als in Sach- 
sen, Württemberg, Baden, Hessen und Elsaß- 
Lothringen. Im allgemeinen dienen diese aus 
freier Wahl der A. gebildeten Organisationen 
(Aerztekammern,ärztliche Landes- 
vereine oder Zentralausschüsse,) 
zur Wahrnehmung und Vertretung der ärztlichen 
Standesinteressen 1) sowie zur Mitwirkung auf 
dem Gebiete der öffentlichen GesPflege durch 
Entsendung von Vertretern in die betreffenden 
staatlichen medizinisch-technischen Behörden (Wis- 
senschaftliche Deputation für das Med Wesen, 
Provinzial-Med Kollegium in Preußen, Ober- 
Med Ausschuß in Bayern, LandeMed Kol- 
legium in Sachsen, Med Kollegium in 
Württemberg — Zuziehung von Fall zu Fall —, 
ärztlicher Zentralausschuß Hessen). Mehrfach 
steht ihnen ein Disziplinarrecht und 
Umlagerecht zur Aufbringung der Kosten 
bezw. zu Unterstützungszwecken zu (Preußen, 
Sachsen, Baden und Elsaß-Lothringen); in Preu- 
ßen, Sachsen und Baden sind auch ärztliche 
Ehrengerichte gebildet, deren Errichtung 
den Bestimmungen der Gewyd nicht widerspricht 
(RGer. 1. 5. 99). In denjenigen Bundesstaaten, 
in denen diesen Organisationen das Disziplinar- 
recht eingeräumt ist, sind alle ansässigen A. zum 
Beitritt verpflichtet, während sie in Bayern, 
Württemberg und Hessen dazu nur berechtigt sind. 
Das Disziplinarrecht erstreckt sich aber, abgesehen 
von Baden (s. nachstehend) überall nur auf die 
praktischen A.; alle beamteten A., Militär A. so- 
wie die sonst einem anderweit geordneten staat- 
  
  
1) Ueber Befugnis, Strafanträge wegen unlauteren 
Wettbewerbs bei Ausübung der Heilkunde zu stellen, val. 
oben 1 8 am Ende.
	        
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