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Arzt
lichen Disziplinarverfahren unterstellten A. (z. B.
Universitätsprofessoren) fallen nicht darunter.
In Preußen beruht die ärztliche Standes-
organisation auf der Kgl V v. 25. 5. 87 betreffend
die Errichtung einer ärztlichen Standesvertretung
(Abänderungen 21. 7. 92, 6. 1. 96, 20. 5. 98,
23. 1. 99 u. 8. 7. 07) und auf dem G v. 25. 11. 99
betreffend die ärztlichen EG, das Umlagerecht
und die Kosten der AK (Abänderung 27. 7. 04).
Danach ist für jede Provinz eine Acrztekam-
mer gebildet, deren Mitglieder von sämtlichen in
der Provinz ansässigen und die bürgerlichen Ehren-
rechte besitzenden A. gewählt werden; nicht
wahlberechtigt und wählbar sind nur die Militär-
und Marine A. Aus Delegierten der AK (ije
einen aus jeder Kammer) wird der Aerzte-
kammerausschuß mit dem Sitze in Berlin
gebildet. Jede AK hat je 2 Vertreter und
Stellvertreter zu den Prov Med Kollegien und je
einen Vertreter und Stellvertreter zu der Wis-
senschaftlichen Deputation für das Med Wesen zu
wählen, die auf Erfordern zu deren Sitzungen, in
denen allgemeine Fragen oder besonders wichtige
Gegenstände der öffentlichen GesPPflege oder An-
träge der AK zur Beratung stehen, mit vollem
Stimmrecht zugezogen werden können. Die all-
gemeine Staatsaufsicht wird über die A##
von den Oberpräsidenten, über den An Ausschuß
vom Kultus Min geführt, denen demzufolge auch
das Recht zusteht, an den Sitzungen der AK usw.
teilzunehmen oder Vertreter zu entsenden, die
jederzeit gehört werden müssen. Der Geschäfts-
kreis der AK umfaßt die Erörterung aller Fra-
gen und Angelegenheiten, welche den ärztlichen
Beruf oder das Interesse der öffentlichen Ges-
Pflege betreffen oder auf die Wahrnehmung und
Vertretung der ärztlichen Standesinteressen ge-
richtet sind. Desgleichen sind die AK befugt, inner-
halb ihres Geschäftskreises Vorstellungen und An-
träge an die Staatsbehörden zu richten, die ihrer-
seits wiederum geeigneten Falls den AK Gelegen-
heit zur gutachtlichen Aeußerung über einschlägige
Fragen geben sollen. Der durch V v. 6. 1. 96
gebildete Al Ausschuß soll innerhalb der den AK#
zugewiesenen Tätigkeit eine vermittelnde Tätig-
keit zwischen ihnen und der ZBeh sowie zwischen
ihnen untereinander bilden, und jährlich minde-
stens einmal zusammentreten. Durch die im Jahre
1899 durch Gesetz erfolgte Einrichtung von Ehren-
gerichten bei jeder AßrK ist das ihnen bereits
früher gewährte Disziplinarrecht we-
sentlich erweitert worden; ausgenommen davon
sind, wic schon erwähnt, außer den Militär= und
Marine A. auch alle andere A., für die ein
staatliches Disziplinarverfahren besteht, z. B. die
Med Beamten. Ein A., der die ihm obliegenden
Standespflichten verletzt, d. h. seine Berufstätig-
keit nicht gewissenhaft ausübt und durch sein Ver-
halten in Ausübung des Berufes sowie außer-
halb desselben sich der Achtung, dic dieser erfor-
dert, unwürdig zeigt, hat die ehrengerichtliche Be-
strafung verwirkt. Politische, wissenschaftliche und
religiöse Ansichten oder Handlungen eines A
können dagegen als solche niemals den Gegenstand
eines ehrengerichtlichen Verfahrens bilden. Das
E hat nicht bloß über Verstöße gegen die Stan-
desehre und die Berufspflichten des A. zu
entscheiden, sondern auch als vermittelndes Organ
bei Streitigkeiten zwischen A. oder zwischen anderen
Personen und A., soweit die Streitigkeiten ihre Be-
rufserfüllung betreffen, zu verhandeln; in ersterem
Falle auf Antrag oder von Amts wegen, in letzterm
Falle nur auf Antrag. Es wird von der AKt gewählt
und besteht aus einem Vorsitzenden, drei Mitglie-
dern der AK und einem von dem Vorstande der
AKS gewählten richterlichen Mitgliede eines ordent-
lichen Gerichts; die Anklage wird durch einen Be-
auftragten des Oberpräsidenten vertreten. Die
ehrengerichtlichen Strafen sind:
Warnung, Verweis, Geldstrafe bis 3000 Mark und
dauernde oder auf Zeit beschränkte Entziehung des
aktiven und passiven Wahlrechts. Gegen die Be-
schlüsse bezw. Entsch des E ist Beschwerde bezw.
Berufung an den Ehrengerichtshof zu-
lässig, der aus dem Leiter der Med Abteilung des
Kultus Min als Vorsitzenden, vier vom A# Aus-
schuß gewählten Mitgliedern desselben und zwei
anderen A., die vom König ernannt werden, zu-
sammengesetzt ist. Zur Bejahung der Schuldfrage
ist volle Besetzung erforderlich und beim E eine
Mehrbeit von vier Fünftel, beim Ec Hof eine solche
von fünf Siebentel der Stimmen erforderlich.
Den A# ist durch das Gv. 25. 11. 99 das Um-
lagerecht eingeräumt: sie sind demzufolge
befugt, von den wahlberechtigten A. des Kammer-
bezirks einen von ihr festzusetzenden jährlichen Bei-
trag zur Deckung ihres Kostenbedarfs zu erheben,
der erforderlichenfalls im Verw Zwangsverfahren
eingezegen werden kann. Zum Kostenbedarf kön-
nen auf Beschl der AK auch Ausgaben zu Unter-
stützungszwecken gerechnet werden. Nicht beitrags-
pflichtig sind A., die ärztliche Praxis oder
andere auf der ärztlichen Wissenschaft beruhende
Tätigkeit nicht mehr ausüben; A., die dem Dis-
ziplinarrecht der AK nicht unterstehen, können zu
den Kosten der El nicht herangezogen werden.
Die Höhe des Beitragssatzes wird von der AK
sestgesetzt, bedarf jedoch der Genehmigung des
Oberpräsidenten; ihre Bemessung nach der Ein-
kommensteuer ist zulässig, aber höchstens bis zu
einem fünfprozentigen Zuschlage.
Im Königreich Sachsern bestehen ärzt-
liche Bezirksvereine mit obligatorischem
Beitritt, die (für jede Kreishauptmannschaft)
einen Kreis verein bilden, deren Angelegen-
heiten von AK besorgt werden. Die maßgeben-
den Bestiunmungen dafür sind durch das G v.
15. 8. 04, betreffend Aerzteordnung, und
der dazu unter demselben Datum erlassenen Aus-
führungs V gegeben. Sie entsprechen im allge-
meinen den für Preußen geltenden; unter-
scheiden sich von diesen jedoch hauptsächlich in
dem Punkte, daß für die ehrengerichtliche Beur-
teilung etwaiger Verstöße gegen die ärztliche
Standesehre oder gegen die ärztlichen Berufs-
pflichten die vom Min Inn erlassene Stan-
desordnung die Grundlage bildet 1), wäh-
1) Nach dieser Standesordnung gilt z. B. als standesun-
würdig: Reklamcartige Ankündigungen, Kauf und Verkauf der
ärztlichen Praxis, mißbräuchlicher Gebrauch der Bezeichnung
„ Spezialist“, ausschließlich briefliche Behandlung von Kran-
ken, Ausstellung von Zeugnissen über die Wirksamkeit von
Geheimmitteln, gemeinsame Behandlung von Kranken mit
Nichtärzten, Uebernahme von Kranken aus der Behandlung
eines anderen A. ohne dessen rechtzeitige Benachrichtigung,
Ablehnung von Konsultationen, Verweigerung der ärztlichen
Hilfe in dringenden Fällen, Unterbietungen und abfällige