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Auslieferung
genen Staates anregen und mit den erforder-
lichen Belegen ausstatten. Ob sie die An-
regung geben müssen, beurteilt sich nach
innerstaatlichem Recht. Unter der Herrschaft der
Legalitätsmaxime ist die Frage zu bejahen;
gleichwohl läßt in Deutschland die Praxis Zweck-
mäßigkeitserwägungen (z. B. wegen der Kosten)
zu. Die wesentlichsten Bestandteile des Ersuchens
sind regelmäßig: Bezeichnung und Beschreibung
der auszuliefernden Person und Begründung des
Verdachts, daß sie sich im Gebiete des ersuchten
Staats aufhalte — Angabe des Delikts, wegen
dessen die A. stattfinden soll, unter Mitteilung des
konkreten Tatbestands — Begründung des Schuld-
verdachts durch Beifügung des Eröffnungsbe-
schlusses, des richterlichen Haftbefehls oder des
Urteils. Im Verkehr mit England und den Ver-
einigten Staaten von Amerika sind die Beweis-
stücke (hier grundsätzlich gerichtlich beeidigte Aus-
sagen) beizufügen.
Stellt sich das A.Gesuch nicht von vornherein
als unbegründet dar, so wird auf den Verfolgten
gefahndet und seine Verbringung in polizeilichen
Gewahrsamverfügt Auslieferungshaft).
Zu einem richterlichen Haftbefehl kommt
es in Deutschland nur, soweit es der Grundsatz
der Gegenseitigkeit erfordert, nämlich im Verkehr
mit England und den Vereinigten Staaten von
Amerika. Vielfach hat sich ein Antrag auf
vorläufige Festnahme herausgebildet,
welcher der Einreichung des A.Gesuches vorausgeht
und zuweilen auch unter Umgehung des diploma-
tischen Weges direkt an die Polizei= oder Justiz-
behörden des Zufluchtsstaates gerichtet werden
kann. Die schleunige Nachholung des förmlichen
Gesuches ist aber deshalb geboten, weil andernfalls
der Verhaftete wieder in Freiheit gesetzt wird.
Welche Behörden bei dem Prüfungs-
verfahren, d. h. bei der Erledigung des
A.Gesuchs mitwirken, bestimmt sich nach dem
Rechte des ersuchten Staates. In Preußen:
die Ministerien des Innern und der Justiz; in
Bayernn: das Ministerium des Kgl Hauses und
des Aeußern: in Sachsen: das Justizministe-
rium; in Württemberg: die Ministerien
der Justiz, der auswärtigen Angelegenheiten und
des Aeußern, in Baden das Ministerium des
Großh. Hauses und der auswärtigen Angelegen-
heiten, in Hessen das Staatsministerium,
in Elsaß-Lothringen das Ministerium
Abtlg. für Justiz und Kultus. Allgemein hat in
Deutschland seit den 20er oder 30er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts das preußische
oder französische System den Sieg
davon getragen, dessen Wesen in einer fast
völligen Ausschaltung der Gerichte besteht. Zwar
vollziehen sie im Verkehr mit England und den
Vereinigten Staaten von Amerika (hier und
da, wie z. B. in Bayern, auch allgemein) die
erforderlichen Vernehmungen, entscheidende
Funktionen aber haben sie lediglich insoweit,
als es der Grundsatz der Gegenseitigkeit un-
bedingt erfordert. Dies gilt für den Verkehr
mit Großbritannien und den Vereinigten Staa-
ten von Amerika, insofern sie hier darüber zu
erkennen haben, ob die Beweise genügen.
Während aber die Regierungen dieser Staaten
eine A., die ihre Gerichte für unzulässig erklärt
haben, nicht bewilligen dürfen, werden in
r
Deutschland die Regierungen durch die Entschei-
dung der Gerichte niemals gebunden. In dieser
Beziehung stimmt mit dem deutschen Recht das
belgische überein. Immerhin aber besteht der
wesentliche Unterschied, daß in Deutschland die
Gerichte nur in ganz seltenen Fällen zum Worte
kommen, während sie in Belgien in allen Fällen
gutachtlich gehört werden. In den Niederlanden
kann die gerichtliche Entscheidung die A. jedenfalls
dann verhindern, wenn sie dem Verfolgten die
niederländische Staatsangehörigkeit zuspricht, und
für Oesterreich-Ungarn nimmt Lammasch an,
daß das Ministerium nicht gegen einen Beschl.
des OL, der mit dem Antrag der Ratskammer
übereinstimmt, die A. bewilligen dürfe. Den Vorzug
verdient das schweizerische System. Nach
diesem wirkt das Gericht (das Bundesgericht) nur
dann mit, wenn der Verfolgte Einsprache gegen
seine A. erhebt, entscheidet aber alsdann endgültig
darüber, ob die A. gewährt oder verweigert wird.
Das Prüfungsverfahren endigt entweder mit
der Ablehnung des Ersuchens oder mit dem Erlaß
des Auslieferungsdekrets, an das
sich dann der Vollzug der A. anschließt. Diese
wird regelmäßig in der Art bewirkt, daß der Aus-
zuliefernde an die Grenze gebracht, und dort den
Beamten des ersuchenden Staates übergeben
wird. Soll bei dem Transport das Gebiet eines
dritten Staates passiert werden (Durchlie-
ferung)) so bedarf es einer besonderen Ermäch-
tigung, die zuweilen in dem generellen A. Vertrag
vorgesehen ist, aber versagt wird, wenn es sich
um die Durchlieferung eines eigenen Untertans
handelt.
Um ein langwieriges Prüfungsverfahren und
die damit regelmäßig verbundene A.Haft zu ver-
meiden, kann der Verfolgte nach dem Rechte
vieler Staaten seine A. selbst beantragen (extra-
dition volontaire).
6# 9. Stellung des Ausgelieferten vor Gericht.
Die A. hat regelmäßig nicht die Bedeutung, daß
der Ausgelieferte wegen aller Delikte, die er vor
seiner A. begangen hat, abgeurteilt werden könnte:
vielmehr soll sie nur die Aburteilung wegen be-
stimmter Delikte ermöglichen. Dies ist der
Grundsatz der Spezialität. In sei-
ner schärfsten Ausbildung bedeutet er die Be-
schränkung der Verurteilung auf das der A. zu
Grunde liegende Delikt. Diese „strikte Speziali-
tät“ gilt z. B. im Verkehr zwischen Deutschland
und Großbritannien. Das Reichsgericht versteht
sie nicht in dem Sinne, daß die Tat nur in derjeni-
gen rechtlichen Qualifizirrung abgeurteilt werden
dürfe, welche der A. Bewilligung zu Grunde liegt,
sondern so, daß das historische Ereignis dasselbe
bleiben und sich seiner rechtlichen Qualifizierung
nach als irgend ein A.Delikt darstellen muß
(RG#t 20, 413; 30, 440; 34, 68, 380).
Abschwächungen der Spezialität finden sich
vielfach. So wird z. B. im deutsch-niederländischen
Vertrag die Verurteilung auch wegen ciner andern
Tat erlaubt, sofern nach der A. die Regierung des
ausliefernden Staates ihre Zustimmung erteilt.
Anderwärts, wie in den Verträgen zwischen dem
Reich einerseits, Italien und der Schweiz anderer-
seits, wird auch ohne Genehmigung des auslie-
fernden Staates eine Aburteilung wegen eines
andern Delikts erlaubt, sofern es nur zu den
A. Delikten gehört (Verfolgungsverjährung in dem