Abgeordnete
rufs geschehen, ob im Plenum oder in Kommissio-
nen, Abteilungen, Deputationen, durch schriftliche
Eingaben oder mündlich. Dagegen genießen den
Schutz nicht Mitteilungen an die Wähler, selbst
wenn sie die Wiederholung einer im Plenum ge-
haltenen Rede darstellen, ebensowenig Aeußerun-
gen in Fraktionssitzungen, Privatgesprächen usw.
Ausgeschlossen ist zunächst jede auf solche Ab-
stimmungen oder Aeußerungen gestützte strafge-
richtliche Verfolgung, auch das staatsanwaltliche
oder polizeiliche Ermittlungsverfahren, ferner die
Zivilklage, endlich jede disziplinarische Verfolgung.
Das gilt nicht nur von der Amtsdisziplin des
Staates, sondern von jeder öffentlich-rechtlichen
Disziplin engerer Kreise, Kommunen, Kirchen,
Anwalts-Aerztes # sw. Der Schutz des # 11
StGB geht hier, wie jetzt allgemein angenommen
wird, ebensoweit wie der des a 30 RV. Nicht da-
gegen ist nach der durchweg herrschenden Meinung
damit ein Recht des A. gegeben, sein Zeugnis zu
verweigern, wie es im Auslande (England, Frank-
reich, Belgien) zum Teil anerkannt wird. (Vgl.
Hubrich 371 ff. Für Freiheit von der Zeugnis-
pflicht Fuld, Arch OeffR 4, 344 ff, Annalen 1888,
6 ff. Weitere Literatur bei G. Meyer- An-
schütz 338 1½. Aus Anlaß des Falles Erzberger
1906 vgl. DFZ 1906, Laband 953 ff, Sontag
1011 f, Roth 1361, der irrigerweise die Zulässig-
keit der Zeugnishaft bestreitet.) Das Privileg der
AI ist selbstverständlich von Amts wegen zu berück-
sichtigen.
7) Die rechtliche Konstruktion
der Immunität aus dem Wesen der Re-
präsentativ Verf, wie die sog. konstitutionelle Dok-
trin es verstand, war in der deutschen Staatslehre
bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts herrschend
(vgl. K. S. Zachariage in Archiv f. zivil. Pra-
xis, 1834, 17, 173 ff. Welcker im Staatslexikon
unter „Berantwortlichkeit der Landstände“"). Man
stand unter dem Einfluß der erwähnten französi-
schen Auffassung von der „Heiligkeit und Unver-
letzlichkeit“ der Volksvertreter als Teilnehmer an
der Souveränität (Hubrich 248 ff). Dem-
egenüber hat sich in der deutschen Theorie und
raxis nun allgemein die Lehre durchgesetzt, daß
die Unverantwortlichkeit der Abgeordneten rein
positivrechtlich begründet sei, und daß die ratio
legis in dem Schaffen genügender Voraussetzun-
gen für ein gedeihliches Funktionieren des Staats-
organs sich erschöpfe. Daraus ergibt sich, daß die
an sich den Tatbestand einer Straftat enthaltenden
Aeußerungen durch das A. Privileg nicht zu er-
laubten Handlungen werden. Soweit das Straf-
recht in Frage steht, handelt es sich um Straf-
ausschließungsgründe, und im übrigen sollen
Rechtsnachteile aus einem zur Verantwortung
ziehen den A. nicht treffen. Daher sind dritte, wie
Anstifter, Gehilfen nicht geschützt. Auch ist im Straf-
wie im Zivilprozeß das Gericht nicht gehindert,
die Rechtswidrigkeit einer parlamentarischen Be-
rufsäußerung festzustellen, soweit dadurch nicht
ein direkter Pechtsnachteil für den W. sich ergibt.
Weiter geht das Reichsgericht, wenn es dem Straf-
richter überhaupt verbietet, ein gerichtliches Ur-
teil über die durch das Privileg geschützte Handlung
abzugeben. (Verbot der Kompensation zwischen
einer beleidigenden Aeußerung des A. und der
Erwiderung eines Außenstehenden, §199 StG;
dagegen für anwendbar erklärt 5 193 zugunsten
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. 1.
17
des die Beleidigung erwidernden Nichtparlamen-
tariers; Ausschluß des Wahrheitsbeweises seitens
des Beleidigers, der dem A. vorgeworfen, daß er
durch seine geschützte Aeußerung eine strafbare
Handlung begangen. Urteile v. 5. 3. 81; 22. 2. 82
St RG 1IV, 15 ff, 183 ff. Literatur gegen diese
Auffassung bei Meyer-Anschütz 336 10.)
2) Straffreie Berichterstattung
(Hubrich 469 ff; ders. in Annalen 1897, 1 ff).
Hier ist als eine Ergänzung der Redefreiheit auch die
freie Berichterstattung über parlamentarische Ver-
handlungen zu erwähnen, die freilich auch aus der
Oeffentlichkeit der parlamentarischen Vhdl sich
entwickelt hat. Das englische Parlamentsrecht
(Hatschek, Englisches Staatsrecht 1, 418 ff) kannte
bis in die neuere Zeit grundsätzlich nur geheime
Sitzungen. Auch heute noch sind die Zuhörer nur
tatsächlich geduldet. Daher wurde es auch erst zu
Ende des 18. Jahrhunderts grundsätzlich gestattet,
über parlamentarische Verhandlungen zu berichten.
Aber selbst den auf Anordnung des Parlaments
geschehenen Veröffentlichungen wurde erst 1840
durch ein G die Unverantwortlichkeit zuerkannt.
Heute werden getreue und redliche Berichte über
eine ganze Parlaments Verhdl durch die Gerichte
geschützt. In Frankreich tagte schon die National-
versammlung von 1789 öffentlich und wiederholt
wurden durch G ausdrücklich getreue und
gutgläubige Zeitungsberichte über die öffentlichen
Sitzungen für straffrei erklärt. So durch das jetzt
geltende Gv. 29. 7. 81 a 41.
In Deutschland wurde die seit dem 18. Jahr-
hundert übliche Heimlichkeit der landständischen
Versammlungen als ein schwerer Schaden empfun-
den. Aber auch die ersten Repräsentativ Verf ge-
währten nur beschränkte Oeffentlichkeit. Am wei-
testen ging die badische Verf v. 22. 8. 1818. Be-
richte über die Vhdl waren im allgemeinen ge-
stattet. Erst seit 1848 wurde die volle parlamen-
tarische Oeffentlichkeit durchgesetzt und die Be-
richterstattung erleichtert (uvgl. Preuß. Gv. 12. 5.
50 § 38). Die volle Konsequenz zog a 22 der
Nordd. Bund. Verf und deutschen RV. „Die Vhdl
des RT sind öffentlich. Wahrheitsgetreue Be-
richte über Vhdl in den öffentlichen Sitzungen des
R bleiben von jeder Verantwortung frei.“ Die-
ser Grundsatz der Freiheit wahrheitsgetreuer Be-
richterstattung ist dann auf die einzelstaatlichen LT
und K durch §& 12 des RSteh ausgedehnt worden.
Danach ist diese Freiheit in Deutschland eine wei-
tergehende als in England und Frankreich, wo zu
dem Erfordernis der Wahrheitstreue noch das des
uten Glaubens hinzutritt. Geschützt sind nur die
erichte über Plenar Vhdl (nicht Kommissions-
sitzungen) des RT und der einzelstaatlichen Volks-
vertretungen, nicht aber kommunaler LT. Das
gilt von allen, auch den nicht öffentlichen Sitzun-
gen der Landtage (z. B. Preuß. V a 7 9). Durch
à 22 RV sind die Vhdl des RT öffentlich, doch
sieht § 36 der GeschO auch geheime Sitzungen
vor (dagegen Laband 1, 321 f). Jedenfalls
sind nach dem Wortlaut des a 22 RV Berichte
über geheime Ritzungen nicht geschützt.
Die Form des Berichts (mündlich, schriftlich) ist
gleichgültig, doch muß er wahrheitsgetreu sein,
d. h. eine „Verhandlung“, einen innerlich und äußer-
lich zusammenhängenden Teilder parlamentarischen
Aeußerungen, wenn auch im Auszuge, umfassen,
nicht eine einzelne Rede, oder aus dem Zusam-
2