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Auswanderung
[(Fortsetzung von Seite 267
(Reichs-Abschied 1555 5 24). Das Naturrecht tritt
energisch für die Freiheit der A. ein; vgl. übrigens
preuß. AL II 17 # 127 fg. Die deutsche
Bundesakte (Art. 18) gewährte diese Freiheit
wenigstens für das Bundesgebiet. Weiter gehen
die Einzelstaaten in ihren Verfassungen (Preußen
à 11, Sachsen § 29, Württemberg § ## 24, 32—35,
noch nicht Bayern Tit IV 14). Heute ist sie,
von bestimmten Spezialvorschriften abgesehen
(unten # 4), allgemein anerkannt (St. Ang.G 17).
[I[V#awesenl.
Die Gesamtzahl der deutschen Auswanderer
betrug 1907: 31 696; 1908: 19 883; 1909:24 921
— 5, 10%; 3,20%0%; 3,900 auf 10000 Einwohner.
# 2. Rechtsquellen. Zuständig zur Regelung
der A. ist das Reich gemäß RV a 4 Nr. 1. Das
Reich (der Nordd. Bund) machte jedoch zunächst
lediglich von seinem Aufsichtsrechte Ge-
brauch. Durch Beschl v. 11. 7. 68 wurde ein
Reichskommissar für das A.Wesen mit dem Sitz
in Hamburg bestellt. Seine Aufgabe war, das
A.Wesen zu überwachen, die Ausführung der Lo-
kalgesetze und die Tätigkeit der Lokalbehörden zu
kontrollieren und auf Abstellung von Mißständen
hinzuwirken. Später wurde ein zweiter Kom-
missar für Bremen und die Weserhäfen bestellt.
Die ersten Bestrebungen zur gesetzlichen
Regelung der Materie machten sich gleichfalls
schon bald bemerkbar, gelangten aber erst sehr
spät, nämlich in dem heute die Grundlage bilden-
den R# über das A. Wesen v. 9. 6. 97 (RBl 463)
zum Abschluß (Entstehungsgeschichte bei Goetsch,
Das R über d. A., 1907, 4 ff). Zur Ausfüh-
rung dieses G ergingen die RK Bek v. 14. 3. 98
über den Geschäftsbetrieb der Auswanderungs-
unternehmer und Agenten (Ro#l 39) nebst einer
Ergänzung v. 23. 8. 03 (Rl 274), ferner die
Bek über Auswandererschiffe v. 14. 3. 98 (Rhl
57), 26. 2. 04 (RZBl 136), 1. 3. 04 (RZ3Bl 138),
20. 12. 05 (RöBl 779) und 3. 8. 09 (RZB1 904),
endlich ein Regl betr. die Organisation des Bei-
rats für das A.-Wesen v. 26. 1. 98. Neben den
(Straf-) Bestimmungen des A.G ist in Kraft ge-
blieben § 144 StG, welcher geschäftsmäßige
Verleitung Deutscher zur A. „unter Vorspiegelung
falscher Tatsachen oder wissentlich mit unbegrün-
deten Angaben oder durch andere auf Täuschung
berechnete Mittel“ mit Gefängnisstrafe von 1 Monat
bis zu 2 Jahren bedroht. — Durch das R sind
landesrechtliche Beschränkungen der A., wie in
Preußen das Reskript des Handelsministers
(v. d. Heydt) v. 3. 11. 1859 bezüglich Brasiliens
hinfällig geworden.
5 3. Organisation des Auswanderungswesens.
1) Der Geschäftsbetrieb derjenigen Per-
sonen, welche sich mit der Beförderung von Aus-
wanderern oder mit der Vermittelung der Be-
förderung befassen, ist in den Abschnitten 1—3
des R v. 9. 6. 97 geregelt. Das G unterscheidet
Unternehmer (Verzeichnis im R3ZBl) und Agenten.
Unternehmer ist, wer die Beförderung
von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern
betreibt. Das Gewerbe der A. Unternehmer ist
konzessionspflichtig (§5 1); es fällt aber nicht unter
die GewO (§ 6 das.). Die Konzession wird vom
RK unter Zustimmung des B erteilt oder ver-
sagt (§ 2). Sie ist in der Regel nur zu erteilen an
Reichsangehörige, welche ihre gewerbliche Nie-
derlassung im Reichsgebiet haben, oder an reichs-
inländische Handelsgesellschaften, eingetragene Ge-
nossenschaften und jur. Personen; an offene Han-
dels-, Kommandit- und Kommanditaktien-Gesell-
schaften nur, wenn ihre persönlich haftenden Ge-
sellschafter sämtlich Reichsangehörige sind; aus-
ländischen Personen oder Gesellschaften sowie sol-
chen Reichsangehörigen, deren gewerbliche Nie-
derlassung nicht im Reichsgebiet liegt, darf die Er-
laubnis nur erteilt werden unter den beiden Vor-
aussetzungen der Bestellung eines im Reichsgebiet
wohnenden reichsangehörigen Bevollmächtigten
und der Unterwerfung unter das deutsche Recht
und die deutschen Gerichte (§§ 3, 4). Vor Ertei-
lung der Erlaubnis ist in der Regel eine Sicherheit
von mindestens 50 000 M. zu bestellen (§5 5, 7).
Die Erlaubnis wird nur für bestimmte Länder,
Gebiete, Orte oder Einschiffungshäfen erteilt
(X§ 6), so für ausländische Unternehmer bis-
her nur nach den V. St. v. Amerika und Ka-
nada. Der Unternehmer muß sich außerhalb
des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Nieder-
lassung bezw. der Zweigniederlassungen bei
der Ausübung seines Geschäftsbetriebs der Vermitt-
lung seiner nach den gesetzlichen Vorschriften (S5 11 ff)
zugelassenen Agenten bedienen (§ 8); er kann mit
Genehmigung des RK Stellvertreter bestellen,
welche den Geschäftsbetrieb nach dem Tode des
Unternehmers 6 Monate fortsetzen dürfen: er muß
solche bestellen für Zweigniederlassungen (§9). Der
RéK kann diese Genehmigung jederzeit widerrufen,
unter Zustimmung des BR auch die Konzession
widerrufen oder beschränken (§ 10).
Agentti st, wer bei einem auf die Beförderung
von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern
gerichteten Betriebe durch Vorbercitung, Vermitt-
lung oder Abschluß des Beförderungs Bt gewerbs-
mäßig mitwirkt. Auch dieses Gewerbe ist kon-
zessionspflichtig (S 11); die Erlaubnis erteilt die
höhere VerwBehörde (5§#8 12, 49, in Preußen der
Reg Präs), und zwar nur an Reichsangehörige,
welche in deren Bezirk ihre gewerbliche Nieder-
lassung oder ihren Wohnsitz haben und von
einem zugelassenen Unternehmer bevollmächtigt
sind. In bestimmten Fällen muß die Erlaubnis
versagt werden (§ 13). Landesrechtlich wird für
die Genehmigung u. U. ein Stempel erhoben
(in Preußen G. 30. 6. 09 Tarif Nr. 22 i: 200 M).
Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt hier
mindestens 1500 M. (514). Die Erlaubnis ist örtlich
begrenzt (§ 15). Der Agent darf für andere als den
in der Erlaubnisurkunde namhaft gemachten Un-
ternehmer sowie auf eigene Rechnung nicht tätig
werden, auch seine Geschäfte nicht in Zweignieder-
lassungen, durch Stellvertreter oder im Umher-
ziehen betreiben (&8§ 16, 17). Die Erlaubnis kann
jederzeit beschränkt oder widerrufen werden; unter
bestimmten Voraussetzungen muß sie widerrufen
werden (5 18). Gegen solche Verfügungen ist
binnen 2 Wochen Beschwerde an die Aufsichts-
behörde zulässig (§ 19).
Die Kautionen der Unternehmer und Agenten
haften für alle anläßlich des Geschäftsbetriebs
gegenüber den Behörden und den Auswanderern
begründeten Verbindlichkeiten, für Geldstrafen
und Kosten (§ 20). Nähere Bestimmungen über
den Geschäftsbetrieb und die Beaufsichtigung er-
läßt der Bundesrat (5 21).
2) Vom Verhältnis der Unterneh-