Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
278 
Auswanderung 
  
[(Fortsetzung von Seite 267 
(Reichs-Abschied 1555 5 24). Das Naturrecht tritt 
energisch für die Freiheit der A. ein; vgl. übrigens 
preuß. AL II 17 # 127 fg. Die deutsche 
Bundesakte (Art. 18) gewährte diese Freiheit 
wenigstens für das Bundesgebiet. Weiter gehen 
die Einzelstaaten in ihren Verfassungen (Preußen 
à 11, Sachsen § 29, Württemberg § ## 24, 32—35, 
noch nicht Bayern Tit IV 14). Heute ist sie, 
von bestimmten Spezialvorschriften abgesehen 
(unten # 4), allgemein anerkannt (St. Ang.G 17). 
[I[V#awesenl. 
Die Gesamtzahl der deutschen Auswanderer 
betrug 1907: 31 696; 1908: 19 883; 1909:24 921 
— 5, 10%; 3,20%0%; 3,900 auf 10000 Einwohner. 
# 2. Rechtsquellen. Zuständig zur Regelung 
der A. ist das Reich gemäß RV a 4 Nr. 1. Das 
Reich (der Nordd. Bund) machte jedoch zunächst 
lediglich von seinem Aufsichtsrechte Ge- 
brauch. Durch Beschl v. 11. 7. 68 wurde ein 
Reichskommissar für das A.Wesen mit dem Sitz 
in Hamburg bestellt. Seine Aufgabe war, das 
A.Wesen zu überwachen, die Ausführung der Lo- 
kalgesetze und die Tätigkeit der Lokalbehörden zu 
kontrollieren und auf Abstellung von Mißständen 
hinzuwirken. Später wurde ein zweiter Kom- 
missar für Bremen und die Weserhäfen bestellt. 
Die ersten Bestrebungen zur gesetzlichen 
Regelung der Materie machten sich gleichfalls 
schon bald bemerkbar, gelangten aber erst sehr 
spät, nämlich in dem heute die Grundlage bilden- 
den R# über das A. Wesen v. 9. 6. 97 (RBl 463) 
zum Abschluß (Entstehungsgeschichte bei Goetsch, 
Das R über d. A., 1907, 4 ff). Zur Ausfüh- 
rung dieses G ergingen die RK Bek v. 14. 3. 98 
über den Geschäftsbetrieb der Auswanderungs- 
unternehmer und Agenten (Ro#l 39) nebst einer 
Ergänzung v. 23. 8. 03 (Rl 274), ferner die 
Bek über Auswandererschiffe v. 14. 3. 98 (Rhl 
57), 26. 2. 04 (RZBl 136), 1. 3. 04 (RZ3Bl 138), 
20. 12. 05 (RöBl 779) und 3. 8. 09 (RZB1 904), 
endlich ein Regl betr. die Organisation des Bei- 
rats für das A.-Wesen v. 26. 1. 98. Neben den 
(Straf-) Bestimmungen des A.G ist in Kraft ge- 
blieben § 144 StG, welcher geschäftsmäßige 
Verleitung Deutscher zur A. „unter Vorspiegelung 
falscher Tatsachen oder wissentlich mit unbegrün- 
deten Angaben oder durch andere auf Täuschung 
berechnete Mittel“ mit Gefängnisstrafe von 1 Monat 
bis zu 2 Jahren bedroht. — Durch das R sind 
landesrechtliche Beschränkungen der A., wie in 
Preußen das Reskript des Handelsministers 
(v. d. Heydt) v. 3. 11. 1859 bezüglich Brasiliens 
hinfällig geworden. 
5 3. Organisation des Auswanderungswesens. 
1) Der Geschäftsbetrieb derjenigen Per- 
sonen, welche sich mit der Beförderung von Aus- 
wanderern oder mit der Vermittelung der Be- 
förderung befassen, ist in den Abschnitten 1—3 
des R v. 9. 6. 97 geregelt. Das G unterscheidet 
Unternehmer (Verzeichnis im R3ZBl) und Agenten. 
Unternehmer ist, wer die Beförderung 
von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern 
betreibt. Das Gewerbe der A. Unternehmer ist 
konzessionspflichtig (§5 1); es fällt aber nicht unter 
die GewO (§ 6 das.). Die Konzession wird vom 
RK unter Zustimmung des B erteilt oder ver- 
sagt (§ 2). Sie ist in der Regel nur zu erteilen an 
Reichsangehörige, welche ihre gewerbliche Nie- 
  
derlassung im Reichsgebiet haben, oder an reichs- 
inländische Handelsgesellschaften, eingetragene Ge- 
nossenschaften und jur. Personen; an offene Han- 
dels-, Kommandit- und Kommanditaktien-Gesell- 
schaften nur, wenn ihre persönlich haftenden Ge- 
sellschafter sämtlich Reichsangehörige sind; aus- 
ländischen Personen oder Gesellschaften sowie sol- 
chen Reichsangehörigen, deren gewerbliche Nie- 
derlassung nicht im Reichsgebiet liegt, darf die Er- 
laubnis nur erteilt werden unter den beiden Vor- 
aussetzungen der Bestellung eines im Reichsgebiet 
wohnenden reichsangehörigen Bevollmächtigten 
und der Unterwerfung unter das deutsche Recht 
und die deutschen Gerichte (§§ 3, 4). Vor Ertei- 
lung der Erlaubnis ist in der Regel eine Sicherheit 
von mindestens 50 000 M. zu bestellen (§5 5, 7). 
Die Erlaubnis wird nur für bestimmte Länder, 
Gebiete, Orte oder Einschiffungshäfen erteilt 
(X§ 6), so für ausländische Unternehmer bis- 
her nur nach den V. St. v. Amerika und Ka- 
nada. Der Unternehmer muß sich außerhalb 
des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Nieder- 
lassung bezw. der Zweigniederlassungen bei 
der Ausübung seines Geschäftsbetriebs der Vermitt- 
lung seiner nach den gesetzlichen Vorschriften (S5 11 ff) 
zugelassenen Agenten bedienen (§ 8); er kann mit 
Genehmigung des RK Stellvertreter bestellen, 
welche den Geschäftsbetrieb nach dem Tode des 
Unternehmers 6 Monate fortsetzen dürfen: er muß 
solche bestellen für Zweigniederlassungen (§9). Der 
RéK kann diese Genehmigung jederzeit widerrufen, 
unter Zustimmung des BR auch die Konzession 
widerrufen oder beschränken (§ 10). 
Agentti st, wer bei einem auf die Beförderung 
von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern 
gerichteten Betriebe durch Vorbercitung, Vermitt- 
lung oder Abschluß des Beförderungs Bt gewerbs- 
mäßig mitwirkt. Auch dieses Gewerbe ist kon- 
zessionspflichtig (S 11); die Erlaubnis erteilt die 
höhere VerwBehörde (5§#8 12, 49, in Preußen der 
Reg Präs), und zwar nur an Reichsangehörige, 
welche in deren Bezirk ihre gewerbliche Nieder- 
lassung oder ihren Wohnsitz haben und von 
einem zugelassenen Unternehmer bevollmächtigt 
sind. In bestimmten Fällen muß die Erlaubnis 
versagt werden (§ 13). Landesrechtlich wird für 
die Genehmigung u. U. ein Stempel erhoben 
(in Preußen G. 30. 6. 09 Tarif Nr. 22 i: 200 M). 
Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt hier 
mindestens 1500 M. (514). Die Erlaubnis ist örtlich 
begrenzt (§ 15). Der Agent darf für andere als den 
in der Erlaubnisurkunde namhaft gemachten Un- 
ternehmer sowie auf eigene Rechnung nicht tätig 
werden, auch seine Geschäfte nicht in Zweignieder- 
lassungen, durch Stellvertreter oder im Umher- 
ziehen betreiben (&8§ 16, 17). Die Erlaubnis kann 
jederzeit beschränkt oder widerrufen werden; unter 
bestimmten Voraussetzungen muß sie widerrufen 
werden (5 18). Gegen solche Verfügungen ist 
binnen 2 Wochen Beschwerde an die Aufsichts- 
behörde zulässig (§ 19). 
Die Kautionen der Unternehmer und Agenten 
haften für alle anläßlich des Geschäftsbetriebs 
gegenüber den Behörden und den Auswanderern 
begründeten Verbindlichkeiten, für Geldstrafen 
und Kosten (§ 20). Nähere Bestimmungen über 
den Geschäftsbetrieb und die Beaufsichtigung er- 
läßt der Bundesrat (5 21). 
2) Vom Verhältnis der Unterneh-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.