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131; daneben ist noch das Zusatzprotokoll v. 21.
12. 81 zu dem früheren Vertrage v. 27. 4. 76 in
Geltung, Heinrichs 76) und mit den Nieder-
landen (17. 12. 04, Rl 879, dazu preuß.
Ausf. Anw v. 31. 1. 07, MBli V 75). Einen andern
Charakter trägt der Vertrag mit Dänemark
v. 11. 1.07 (RüAnz Nr. 20), insofern er nicht eigent-
lich auf Niederlassung abzielt, sondern bezweckt,
die Staatsangehörigkeit der im preußischen
Staatsgebiete wohnhaften staatenlosen Optan-
tenkinder zu regeln, Dänemark aber verpflichtet,
denjenigen Optantenkindern, die nicht preußische
Staatsangehörige geworden sind, den Aufenthalt
in Dänemark nicht zu beschränken. In all diesen
Verträgen ist aber auch der Möglichkeit einer A.
gedacht, „sei es infolge eines gerichtlichen Urteils
sei es aus Gründen der inneren oder äußeren
Sicherheit des Staates, sei es, weil die Interessen
der öffentlichen Gesundheit oder Sittlichkeit es
erfordern, oder weil die Personen weder genü-
gende Unterhaltsmittel besitzen noch durch ihre
Arbeitskraft erwerben können“ (Niederlande à 2,
äahnlich Schweiz a 4, Dänemark a 2). Allgemeiner
ist diese A. Klausel in den Freundschaftsverträgen
mit Ecuador v. 28. 3. 87 a III (Rl 88 S 136)
und mit Columbien v. 23. 7. 92 a 6 (Rl
94 S 471) gefaßt: „nach Maßgabe (der) Gesetze
Personen auszuweisen bezw. nicht zuzulassen,
welche auf Grund ihres üblen Vorlebens oder
ihres Verhaltens für schädlich anzusehen sind“.
An der Handhabung der A. sind innerhalb des
Bundesgebietes Reichsorganc nicht beteiligt; an-
ders in der Schweiz, wo seit 1889 (als Wirkung
des Falles Wohlgemuth) der Bundesanwalt als
besonderes Organ für die politische Fremden-
polizei besteht. Vgl. jedoch unten III und § 3.
2. Von den deutschen Einzelstaaten
hat keiner die A. in den Einzclheiten durch ein
besonderes Gesetz geregelt. In Preußen bil-
det die allgemeine Polizeivorschrift des AL R
8 10 II 17 die Grundlage. Normierungen ent-
halten für Bayern das Heimatgesetz in der
Fassung v. 30. 7. 99 a 37—46, für Sachsen
die Gesetze v. 26. 11. 34 und 15. 4. 86, für Würt-
temberg das G über die Gemeindeangehörig-
keit v. 16. 6. 85, für Baden das Aufenthalts G
v. 5. 5. 70, für Elsaß---Lothringen noch
das französische G v. 3. 12. 49 à 7.
II. Mit der Kompetenzverteilung in der Rechts-
grundlage hängt die räumliche Erstreckung
der A. zusammen. Soweit ein A. Befehl auf Landes-
recht beruht, äußert er seine Wirkung höchstens für
das Staatsgebiet Landesverweisung unten
#3A II). Das ist in Bundesstaaten ein, oft betontes,
Hemmnis für eine straffe Fremdenpolizei (Lang-
hard 80, Heinrichs 6), da eine Zuschiebung in
andere deutsche Gliedstaaten die Folge sein kann.
Hier müßten Vereinbarungen zwischen den Einzel-
staaten eingreifen, wie sie bezüglich der Zigeuner
angebahnt sein sollen. Nur die reichsrechtlich vor-
geschene A. lautet auf Verweisung aus dem gan-
zen Bundesgebiete (Reichs rer weisung
unten § 3); eine räumliche Beschränkung des Ge-
bots wird man hier sogar als ausgeschlossen an-
sehen müssen. Der Ausspruch einer Reichsver-
weisung ist aber auf das „Bundesgebiet“ im Sinne
der NV beschränkt, und erstreckt sich deshalb nicht
auf die Kolonien.
III. Vermöge seines Aussichtsrechts und in dessen
Ausweisung
Grenzen kann das Reich aber, namentlich wo die
Verletzung eines internationalen Vertrages in
Frage kommt, eine Einwirkung üben und auf eine
gleichmäßige Praxis in den Einzelstaaten hinwir-
ken. Der Widerspruch hiergegen in der Kaiser-
lichen Botschaft v. 30. 11. 85 (Sitzung des RNIT
v. 1. 13. 85, St Ber 130) hat nach der Entwicklung,
die die RKV genommen hat, seinen Grund ver-
loren. ([Im Ergebnisse gleich Laband, DJZ 1906
S. 613; vgl. allgem. Triepel, Völkerrecht und Lan-
desrecht 1899, 374). Es wird dem Reiche bei seiner
Stellung im internationalen Verkehre aber auch
nicht versagt werden können, die A. als eine Vergel-
tungsmaßnahme selbst anzuordnen, arg. a 54 Abs 5
RV. Die Fragen sind bisher wenig geklärt.
# 3. Gründe und Schranken der Ausweisung.
A. Gründe der Ausweisung.
I. Die Reichsverweisung ist nur im
St GB ausdrücklich vorgesehen, als gesetzliche Fol-
ge, aber nicht durch den Ausspruch eines Straf-
urteils: wenn auf Zulässigkeit der Polizeiaussicht
erkannt ist (5 39 Ziff. 2), gegen gewerbsmäßige
Glücksspieler (§ 284) oder wenn nach § 362 oder
8 181a (Zuhälter) die Ueberweisung an die
Landespolizeibehörde ausgesprochen ist — in den
beiden letzten Fällen „neben oder an Stelle der
Unterbringung" in einem Arbeitshause, also prak-
tisch überwiegend, da die Nachhaft zur Vermei-
dung der Kosten auf Ausnahmefälle beschränkt
werden wird (so preuß. Min Inn 29. 10. 80, Ml
1881, 11, bayr. Min E 28. 3. 91, MBl 119. Nähe-
res v. Hippel, Strafrechtl. Bekämpfung von
Bettel usw., 1895, 178). Die Anordnung der A.
steht in dem, durch Dienstanweisungen vielfach
geleiteten, Ermessen der „Landespolizeibehörde“,
d. i. in Preußen der Reg Präsident (im Landes-
polizeibezirk Berlin der Pol Präsident), in Bayern
die Distriktspolizeibehörde (in München die Poldui-
rektion), in Sachsen die Kreishauptmannschaft,
in Württemberg die Kreisregierung, in Baden der
Landeskommissär, in Hessen das Kreisamt, in El-
saß-Lothringen der Bezirkspräsident (über die ört-
liche Zuständigkeit Polizeiaussicht, Korri-
gendenwesen). Eine zeitliche Begrenzung fehlt
im Falle des § 284. Bei 5 39 und §§ 181 a, 362 ist
eine Frist von 5 bezw. 2 Jahren vorgesehen. Ueber
die Auffassung dieser Frist sind die Meinungen ge-
teilt. Die herrschende Ansicht (Olshausen) er-
blickt darin wenigstens für § 39 eine Begrenzung
der Dauer des Ausschlusses vom Reichsgebiete.
Sprachlich ließe sich aber nicht minder eine Befri-
stung nur für den Erlaß des A. Befehls, jedoch
mit zeitlich unbeschränkter Wirkung, halten;
sachlich spricht hierfür sogar die sonst entstehende
Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der leich-
teren Fälle (§5 284) gegenüber den schwereren,
wie schon der Erl des RK Amts v. 8. 10. 73 (JMhl
282) mit Grund betont (im Ergebnis so Gold-
schmidt, Vergleichende Darstell. des Strafrechts
4, 280). Ich halte deshalb schon jetzt für geltendes
Recht, wie es der Vorentwurf z. StGB 5l 53
Abs. 3 nach der „stetigen bisherigen Uebung“
verdeutlicht: „Ist gegen einen Ausländer auf Zu-
lässigkeit der Beschränkung des Aufenthalts er-
kannt, so kann die Landespolizcibehörde innerhalb
der im Urteile bemessenen Frist den Verurteilten
aus dem Reichsgebiete ausweisen".
II. Landesverweisung soll den
„aästigen“ Ausländer treffen (der Ausdruck findet